
Bekämpfung von Betrug bei den EU-Kohäsionsausgaben: Verwaltungsbehörden müssen Aufdeckung, Reaktion und Koordinierung verstärken
(gemäß Artikel 287 Absatz 4 Unterabsatz 2 AEUV)
Über den Bericht:
Die Kommission und die Mitgliedstaaten tragen die gemeinsame Verantwortung für die Bekämpfung von Betrug und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der EU gerichteten rechtswidrigen Handlungen. Im Bereich der EU-Kohäsionspolitik, wo das Ausmaß des gemeldeten Betrugs im Vergleich zu anderen Ausgabenbereichen beträchtlich ist, kommt den für die Verwaltung der EU-Programme zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Betrug eine Schlüsselrolle zu.
Im Zuge dieser Prüfung bewertete der Hof, ob die Verwaltungsbehörden ihre Pflichten auf jeder Stufe des Betrugsbekämpfungsprozesses – d. h. in Bezug auf die Prävention und Aufdeckung von Betrug sowie die Reaktion auf Betrugsfälle – ordnungsgemäß erfüllt haben.
Der Hof stellte fest, dass die Verwaltungsbehörden die Bewertung von Betrugsrisiken und die Ausarbeitung von Präventionsmaßnahmen verbessert haben, die Aufdeckung von Betrug sowie die diesbezügliche Reaktion und die Koordinierung verschiedener mitgliedstaatlicher Stellen jedoch noch verstärken müssen. Insbesondere erzielten sie keine bedeutenden Fortschritte im Hinblick auf eine proaktive Betrugsaufdeckung und die Verwendung von Instrumenten zur Datenanalyse. Die Verwaltungsbehörden melden der Kommission nicht alle Betrugsfälle, was sich auf die Zuverlässigkeit der veröffentlichten Betrugsaufdeckungsquoten auswirkt. Abschreckungsmaßnahmen beschränken sich auf die Androhung eines Entzugs von EU-Mitteln, ohne dass sonstige abschreckende Strafen oder Sanktionen vorgesehen sind. Zudem werden Ermittlungs-oder Strafverfolgungsbehörden nicht systematisch über Betrugsverdachtsfälle informiert.
Zusammenfassung
IGemäß der Definition in den EU-Rechtsvorschriften ist Betrug ein vorsätzlicher Verstoß, der dem EU-Haushalt schadet oder schaden könnte. Für die Bekämpfung von Betrug und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der EU gerichteten rechtswidrigen Handlungen wie beispielsweise Korruption sind die EU und die Mitgliedstaaten gemeinsam verantwortlich. Zwischen 2013 und 2017 ermittelten die Kommission und die Mitgliedstaaten über 4 000 potenziell betrügerische Unregelmäßigkeiten. Die von diesen Unregelmäßigkeiten betroffenen EU-Fördermittel beliefen sich auf fast 1,5 Milliarden Euro, von denen 72 % für die EU-Kohäsionspolitik bestimmt waren. In diesem Bereich sind die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten dafür zuständig, angemessene und wirksame Betrugsbekämpfungsmaßnahmen zu ergreifen, die den festgestellten Risiken Rechnung tragen. Solche Maßnahmen sollten sich auf den gesamten Prozess der Betrugsbekämpfung beziehen (Prävention und Aufdeckung von Betrug sowie Reaktion auf Betrugsfälle, einschließlich der Berichterstattung über aufgedeckte Fälle und der Wiedereinziehung rechtsgrundlos gezahlter Beträge). Bei den EU-Kohäsionsmitteln lag die Betrugsaufdeckungsquote im Zeitraum 2007-2013 je nach Mitgliedstaat bei 0 bis 2,1 %.
IIIm Zuge dieser Prüfung beurteilte der Hof, ob die Verwaltungsbehörden ihre Pflichten auf jeder Stufe des Betrugsbekämpfungsprozesses ordnungsgemäß erfüllt haben. Zu diesem Zweck bewertete der Hof, ob die Verwaltungsbehörden
- Leitsätze zur Betrugsbekämpfung ausgearbeitet, eine gründliche Bewertung der Risiken durchgeführt und geeignete Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung ergriffen hatten;
- in Abstimmung mit anderen Betrugsbekämpfungsstellen angemessen auf die aufgedeckten Betrugsfälle reagiert hatten.
Der Hof stellte fest, dass die Verwaltungsbehörden das Betrugsrisiko beim Einsatz von Kohäsionsmitteln für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 besser bewerteten und dabei in den meisten Fällen das im Leitfaden der Kommission enthaltene „gebrauchsfertige“ Instrument nutzten. Einige dieser Analysen wurden jedoch nicht gründlich genug durchgeführt. Die Verwaltungsbehörden verbesserten zwar die Maßnahmen zur Betrugsprävention, erzielten jedoch keine bedeutenden Fortschritte in Richtung einer proaktiven Betrugsaufdeckung. Zudem entwickelten sie oft keine Verfahren zur Überwachung und Bewertung der Auswirkungen ihrer Präventions- und Aufdeckungsmaßnahmen.
IVWas die Reaktion auf Betrugsfälle betrifft, so ergriffen die Verwaltungsbehörden in Abstimmung mit anderen Betrugsbekämpfungsstellen nicht in allen aufgedeckten Betrugsfällen ausreichende Maßnahmen. Insbesondere ist festzustellen, dass die Berichterstattungsregelungen nicht zufriedenstellend sind, mehrere Verwaltungsbehörden die zuständigen Behörden nicht systematisch über Betrugsverdachtsfälle informieren, Korrekturmaßnahmen nur eine begrenzte abschreckende Wirkung haben und die Koordinierung von Tätigkeiten im Bereich der Betrugsbekämpfung unzureichend ist. Darüber hinaus stellte der Hof fest, dass die Betrugsaufdeckungsquote, die im Jahresbericht 2017 der Kommission über den Schutz der finanziellen Interessen der EU für den Programmplanungszeitraum 2007-2013 angegeben ist, das tatsächlich in den besuchten Mitgliedstaaten aufgedeckte Ausmaß an Betrug nicht wahrheitsgetreu darstellt, sondern vielmehr die Zahl der Betrugsfälle widerspiegelt, bei denen sich die Mitgliedstaaten für eine Meldung an die Kommission entschieden.
VAuf der Grundlage der Ergebnisse seiner Prüfung empfiehlt der Hof Folgendes:
- Mitgliedstaaten, die nicht über eine nationale Betrugsbekämpfungsstrategie verfügen, sollten eine solche Strategie ausarbeiten. Sofern auf nationaler Ebene keine ausreichend detaillierte Strategie vorliegt, sollte die Kommission von den Verwaltungsbehörden verlangen, formelle Strategien und Leitsätze zur Bekämpfung von Betrug zulasten von EU-Mitteln zu erstellen.
- Die Verwaltungsbehörden sollten für eine robustere Bewertung des Betrugsrisikos sorgen, indem sie einschlägige externe Akteure in den Prozess einbeziehen.
- Die Betrugsaufdeckungsmaßnahmen sollten verbessert werden: von den Mitgliedstaaten durch eine generelle Verwendung von Instrumenten zur Datenanalyse und von der Kommission durch die aktive Förderung des Einsatzes sonstiger „proaktiver“ und anderer neuer Betrugsaufdeckungsmethoden.
- Die Kommission sollte die Mechanismen zur Reaktion auf Betrugsfälle überwachen, um sicherzustellen, dass sie einheitlich angewandt werden.
- Die Kommission sollte die Mitgliedstaaten auffordern, die Aufgaben der AFCOS zu erweitern, um die Koordinierung zu verbessern.
Während der Verhandlungen und des Annahmeprozesses für die Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für den Zeitraum 2021-2027 könnten die gesetzgebenden Organe erwägen,
- die Annahme von nationalen Strategien oder Leitsätzen zur Betrugsbekämpfung und die Verwendung geeigneter Instrumente zur Datenanalyse (z. B. Arachne) verbindlich vorzuschreiben;
- Sanktionen und Strafen für diejenigen einzuführen, die für Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU verantwortlich sind.
Die gesetzgebenden Organe der EU sollten zwar gemäß dem Subsidiaritätsprinzip das Recht der Mitgliedstaaten auf eine flexible Festlegung und Organisation ihrer Betrugsbekämpfungstätigkeiten wahren, könnten jedoch in Erwägung ziehen, Mindestaufgaben für die Koordinierungsstelle für die Betrugsbekämpfung (AFCOS) in den Mitgliedstaaten festzulegen, um eine wirksame Koordinierungsfunktion zu gewährleisten.
Einleitung
Betrugsbekämpfung in der EU
01In den EU-Rechtsvorschriften wird unterschieden zwischen1
- nichtbetrügerischen Unregelmäßigkeiten, die definiert sind als „Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers […], die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, […] durch eine ungerechtfertigte Ausgabe“2;
- betrügerischen Unregelmäßigkeiten (oder Betrug), die definiert3 sind als „jede vorsätzliche Handlung oder Unterlassung betreffend
- die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder Unterlagen mit der Folge, dass Mittel aus dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften oder aus den Haushalten, die von den Europäischen Gemeinschaften oder in deren Auftrag verwaltet werden, unrechtmäßig erlangt oder zurückbehalten werden;
- das Verschweigen einer Information unter Verletzung einer spezifischen Pflicht mit derselben Folge;
- die missbräuchliche Verwendung solcher Mittel zu anderen Zwecken als denen, für die sie ursprünglich gewährt worden sind; […]“.
Gemäß Artikel 325 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind die EU (vertreten durch die Kommission) und die Mitgliedstaaten gemeinsam dafür verantwortlich, Betrügereien und sonstige gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtete rechtswidrige Handlungen zu bekämpfen. Diese Verpflichtung bezieht sich auf alle Einnahmen und Ausgabenprogramme der EU sowie auf jeden ihrer Politikbereiche.
03Die EU-Kohäsionspolitik wird durch drei der europäischen Struktur- und Investitionsfonds4 (ESI-Fonds) umgesetzt: den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), den Kohäsionsfonds (KF) und den Europäischen Sozialfonds (ESF) – zusammen als Fonds der EU-Kohäsionspolitik bezeichnet. Die Kommission und die Mitgliedstaaten führen diese Fonds gemeinsam über operationelle Programme (OP) aus, in denen dargelegt ist, wie die Mitgliedstaaten die EU-Mittel in einem bestimmten Programmplanungszeitraum im Einzelnen ausgeben werden:
- Für den Programmplanungszeitraum 2007-2013 gab es 440 OP im Kohäsionsbereich. Fast zwei Drittel dieser OP sind bereits abgeschlossen.
- Für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 gibt es 389 OP. Die Durchführung dieser OP ist noch im Gange.
Auf Ebene der Kommission sind zwei Generaldirektionen für die Umsetzung der EU-Kohäsionspolitik verantwortlich: die Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration und die Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung. In den Mitgliedstaaten sind drei unterschiedliche Arten von „Programmbehörden“ an der Durchführung und Überprüfung der einzelnen OP beteiligt:
- die Verwaltungsbehörde (die für die Durchführung des OP zuständig ist),
- die Bescheinigungsbehörde (die für die Einreichung der Zahlungsanträge bei der Kommission und die jährliche Rechnungslegung des OP zuständig ist),
- die Prüfbehörde (die für die Abgabe eines unabhängigen Prüfungsurteils zur Zuverlässigkeit der Rechnungsführung, zur Rechtmäßigkeit der getätigten Ausgaben und zum Funktionieren des Verwaltungs- und Kontrollsystems zuständig ist).
Der Rechtsrahmen für die EU-Kohäsionspolitik im Programmplanungszeitraum 2007-2013 übertrug den Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für die Prävention, Aufdeckung und Korrektur von Unregelmäßigkeiten (einschließlich Betrug) sowie für die Wiedereinziehung rechtsgrundlos gezahlter Beträge5. Diese Anforderung ist in der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 ausdrücklicher formuliert, in der es heißt, die Verwaltungsbehörde müsse „unter Berücksichtigung der ermittelten Risiken wirksame und angemessene Vorbeugungsmaßnahmen gegen Betrug treffen“6. Die Kommission empfiehlt7, dass die Verwaltungsbehörden den gesamten Prozess der Betrugsbekämpfung abdecken sollten (siehe Abbildung 1). Dieser umfasst die Prävention und Aufdeckung von Betrug sowie die Reaktion auf Betrugsfälle (in erster Linie die Berichterstattung über aufgedeckte Fälle und die Wiedereinziehung rechtsgrundlos gezahlter Beträge). In dieser Hinsicht verfolgt die Kommission einen Grundsatz der Nulltoleranz gegenüber Betrug und Korruption8.
Abbildung 1
Prozess des Betrugsrisikomanagements
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage des COSO-Rahmens.
Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) ist die wichtigste mit Betrugsbekämpfung betraute Stelle der EU. Es trägt zur Gestaltung und Umsetzung der Betrugsbekämpfungspolitik der Kommission bei und führt verwaltungsrechtliche Untersuchungen zu Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zulasten des EU-Haushalts durch.
07Auf Ebene der Mitgliedstaaten sind nicht allein die Verwaltungsbehörden mit der Umsetzung von Betrugsbekämpfungsmaßnahmen betraut. Seit 2013 ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, eine Koordinierungsstelle für die Betrugsbekämpfung (AFCOS) einzurichten, die die wirksame Zusammenarbeit und den wirksamen Austausch von Informationen, einschließlich Informationen operativer Art, mit dem OLAF erleichtern soll9. In einem weiteren Leitfaden10 führte die Kommission aus, dass die AFCOS mit dem Mandat ausgestattet sein sollten, alle legislativen, administrativen und investigativen Pflichten und Tätigkeiten zum Schutz der finanziellen Interessen der EU auf nationaler Ebene zu koordinieren. Bei der geteilten Mittelverwaltung melden die Behörden der Mitgliedstaaten der Kommission Fälle von vermutetem oder festgestelltem Betrug (und sonstige Unregelmäßigkeiten) über das Berichterstattungssystem für Unregelmäßigkeiten (Irregularity Management System, IMS), das Teil des Informationssystems für die Betrugsbekämpfung des OLAF ist.
In der EU-Kohäsionspolitik ist das Ausmaß des gemeldeten Betrugs im Vergleich zu anderen Ausgabenbereichen beträchtlich
08Am 5. Juli 2017 wurde die Richtlinie (EU) 2017/1371 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug („PIF-Richtlinie“11) vom Europäischen Parlament und vom Rat verabschiedet. In der Richtlinie wird eine einheitliche Definition für Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU, insbesondere im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe, festgelegt. Die Mitgliedstaaten haben die PIF-Richtlinie bis zum 6. Juli 2019 in nationales Recht umzusetzen12.
09Im September 2018 veröffentlichte die Kommission ihren 29. Jahresbericht über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union13 (im Folgenden als „PIF-Bericht 2017“ bezeichnet). Hinsichtlich der geteilten Mittelverwaltung erstellt die Kommission den PIF-Bericht auf der Grundlage von Informationen, die von den Mitgliedstaaten über das IMS bereitgestellt werden (siehe Ziffer 07). Dem PIF-Bericht 2017 ist zu entnehmen, dass das Ausmaß des gemeldeten (mutmaßlichen und festgestellten) Betrugs im Bereich der EU-Kohäsionspolitik deutlich höher ist als in anderen Bereichen: Auf den Kohäsionsbereich entfallen nur ein Drittel der Haushaltsmittel, aber 39 % aller gemeldeten Betrugsfälle und 72 % der insgesamt von diesen Fällen betroffenen Finanzbeträge (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2
Als Betrug gemeldete Unregelmäßigkeiten nach Politikbereichen (2013-2017)
Quelle: PIF-Bericht 2017 – begleitendes Arbeitsdokument „Statistical evaluation of irregularities reported for 2017“, Teil II („Expenditure“).
Gemäß den Daten, die dem PIF-Bericht 2017 zugrunde liegen, betreffen die von den Mitgliedstaaten als Betrug gemeldeten Unregelmäßigkeiten 0,44 % der im Bereich der Kohäsionspolitik ausgezahlten EU-Mittel. Dieser Indikator wird als Betrugsaufdeckungsquote14 bezeichnet und unterscheidet sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat erheblich (siehe Abbildung 3): So liegt die Quote bei den EU-Kohäsionsmitteln für den gesamten Programmplanungszeitraum 2007-2013 zwischen 0 und 2,1 %. Im PIF-Bericht 2017 wird die für die Slowakei gemeldete deutlich höhere Betrugsaufdeckungsquote nicht spezifisch begründet. Das durchschnittliche Schadensvolumen der einzelnen als Betrug gemeldeten Unregelmäßigkeiten beläuft sich auf 0,8 Millionen Euro.
Abbildung 3
Prozentualer Anteil der von aufgedecktem und gemeldetem Betrug betroffenen Mittel an den von den EU-Mitgliedstaaten im Programmplanungszeitraum 2007-2013 erhaltenen Kohäsionsmitteln
Anmerkung: Bei der Berechnung der in dieser Abbildung dargestellten Betrugsaufdeckungsquote wurden Unregelmäßigkeiten bezüglich der Fischereipolitik (welche in die von der Kommission zur Kohäsions- und Fischereipolitik veröffentlichten statistischen Daten eingeflossen sind und die Betrugsaufdeckungsquote der EU insgesamt nicht erhöhen) nicht berücksichtigt. Auch die länderübergreifenden Programme der Europäischen territorialen Zusammenarbeit (ETZ) sind in der Abbildung nicht berücksichtigt. Allerdings sind diese Programme in die Berechnung des in der Abbildung dargestellten EU-Durchschnitts eingeflossen. Was die Mitgliedstaaten betrifft, deren Betrugsaufdeckungsquote mit 0 % angegeben ist, so wurden von Finnland und Luxemburg keine betrügerischen Unregelmäßigkeiten gemeldet, während Irland und Schweden einige Unregelmäßigkeiten meldeten, deren Schadensvolumen jedoch niedrig war.
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage des begleitenden Arbeitsdokuments „Statistical evaluation of irregularities reported for 2017“ des PIF-Berichts 2017, S. 93.
Der Hof befand es für notwendig, die von den Verwaltungsbehörden durchgeführte Arbeit zu bewerten, da diesen bei der Bekämpfung von Betrug im Bereich der EU-Kohäsionspolitik eine Schlüsselrolle zukommt. Laut Kommission15 können eine gründliche Bewertung des Betrugsrisikos und in der Folge die Durchführung geeigneter Verhütungs- und Aufdeckungsmaßnahmen durch die Verwaltungsbehörden einerseits und koordinierte, zeitnahe Untersuchungen durch die zuständigen Stellen (in der Regel die Polizei oder die Staatsanwaltschaft) andererseits die Betrugsrisiken im Bereich der Kohäsionspolitik spürbar mindern und eine geeignete Abschreckung gegen Betrug darstellen. Der Hof richtete seine Prüfung auf diese beiden großen Bereiche aus.
Prüfungsumfang und Prüfungsansatz
12Der Hof entschied sich dafür, die Arbeit der Verwaltungsbehörden bei der Bekämpfung von Betrug in der Kohäsionspolitik zu prüfen, da die Verwaltungsbehörden in diesem und auch im kommenden Programmplanungszeitraum (2021-2027) eine Schlüsselrolle spielen. Der Hof bewertete, ob die Verwaltungsbehörden ihre Pflichten auf jeder Stufe des Betrugsbekämpfungsprozesses – d. h. in Bezug auf die Prävention und Aufdeckung von Betrug sowie die Reaktion auf Betrugsfälle (einschließlich der Berichterstattung über Betrug und der Wiedereinziehung rechtsgrundlos gezahlter Beträge) – ordnungsgemäß erfüllt haben. Zu diesem Zweck bewertete der Hof, ob die Verwaltungsbehörden
- Leitsätze zur Betrugsbekämpfung ausgearbeitet, eine gründliche Bewertung der Risiken durchgeführt und geeignete Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung ergriffen hatten;
- in Abstimmung mit den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden sowie den AFCOS angemessen auf die aufgedeckten Betrugsfälle reagiert hatten, wobei der Hof in den von ihm besuchten Mitgliedstaaten die Struktur dieser Dienste berücksichtigte.
Der Hof analysierte, welche Rolle die Verwaltungsbehörden und AFCOS in den Mitgliedstaaten im Bereich der Kohäsionspolitik spielten. Er prüfte die Verwaltungsbehörden für die operationellen Programme, die aus den drei wichtigsten europäischen Struktur- und Investitionsfonds im Bereich der EU-Kohäsionspolitik finanziert wurden: dem KF, dem ESF und dem EFRE. Das EFRE-Ziel „Europäische territoriale Zusammenarbeit“ wurde bei der Prüfung nicht berücksichtigt, da an den im Rahmen der betreffenden OP finanzierten Projekten Partner aus mehreren Ländern beteiligt sind, die unter der Aufsicht von Behörden verschiedener Mitgliedstaaten stehen.
14Der Hof überprüfte, wie die Verwaltungsbehörden den rechtlichen und strategischen Rahmen der Mitgliedstaaten für die Betrugsbekämpfung bei der Verwaltung des Betrugsbekämpfungsprozesses berücksichtigt hatten, insbesondere wenn eine nationale Betrugsbekämpfungsstrategie vorhanden war. Er forderte alle Verwaltungsbehörden auf, an einer Umfrage über Maßnahmen zur Betrugsprävention und -aufdeckung teilzunehmen, und erhielt Antworten von Behörden aus 23 Mitgliedstaaten.
15Der Hof besuchte sieben Mitgliedstaaten: Bulgarien, Frankreich, Ungarn, Griechenland, Lettland, Rumänien und Spanien. Bei der Auswahl dieser Mitgliedstaaten berücksichtigte er die Betrugsaufdeckungsquoten und die Zahl der Betrugsfälle, die im PIF-Bericht 2016 angegeben waren, sowie deren Korrelation mit anderen verfügbaren Indikatoren für das Betrugsrisiko. Während seiner Prüfbesuche traf sich der Hof mit Vertretern der Behörden, die für die Umsetzung der insgesamt 43 OP (22 OP für den Zeitraum 2007-2013 und 21 OP für den Zeitraum 2014-2020) zuständig waren, sowie mit Schlüsselakteuren im Bereich der Betrugsbekämpfung (Strafverfolgungs- und Justizbehörden, Ermittlungsbehörden, Betrugsbekämpfungsämter, Wettbewerbsbehörden). In den besuchten Mitgliedstaaten prüfte der Hof eine Ermessensstichprobe von OP, die aufgrund ihrer Repräsentativität für alle Fonds (den EFRE, den ESF und gegebenenfalls den KF) und eine Reihe von Interventionsarten ausgewählt wurden.
16Der Hof überprüfte die Fallakten einer Stichprobe von 138 der Kommission als Betrug gemeldeten Unregelmäßigkeiten, welche die 22 für den Zeitraum 2007-2013 geprüften OP betrafen. Sofern die Größe der Grundgesamtheit es zuließ, wandte der Hof bei der Auswahl der zu überprüfenden Unregelmäßigkeiten das wertbezogene Stichprobenverfahren (Monetary-Unit-Sampling – MUS) an, das zufallsgesteuert ist. Der Hof beurteilte zwar nicht die Arbeit der Ermittlungs-, Strafverfolgungs- und Justizbehörden, betrachtete jedoch die Koordinierung und Kommunikation der Verwaltungsbehörden mit diesen Stellen.
17Die im vorliegenden Bericht enthaltenen Feststellungen ergänzen die des Sonderberichts 01/2019: „Bekämpfung von Betrug bei den EU-Ausgaben: Es muss gehandelt werden“, der am 10. Januar 2019 veröffentlicht wurde und sich mit der Gestaltung und Umsetzung der Betrugsbekämpfungsstrategie der Kommission befasste. In diesem Bericht untersuchte der Hof in erster Linie die Rolle des OLAF, aber auch die Ausarbeitung von Leitsätzen zur Betrugsbekämpfung durch die für die Umsetzung der EU-Kohäsionspolitik zuständigen Generaldirektionen der Kommission (siehe Ziffer 04).
Bemerkungen
Leitsätze zur Betrugsbekämpfung sowie Maßnahmen zur Betrugsprävention und -aufdeckung
Die Verwaltungsbehörden haben im Allgemeinen keine spezifischen Leitsätze zur Betrugsbekämpfung aufgestellt
18Die Kommission hat Leitlinien verfasst, um die Mitgliedstaaten und die Verwaltungsbehörden bei der Erfüllung ihrer rechtlichen Verpflichtung zur Umsetzung angemessener und wirksamer Betrugsbekämpfungsmaßnahmen zu unterstützen.
- Auf Ebene der Mitgliedstaaten empfiehlt die Kommission, nationale Betrugsbekämpfungsstrategien zum Schutz der ESI-Fonds anzunehmen, um eine homogene und wirksame Umsetzung von Betrugsbekämpfungsmaßnahmen zu gewährleisten, insbesondere im Falle von Mitgliedstaaten mit dezentralisierten Organisationsstrukturen.
- Auf Ebene der operationellen Programme empfiehlt die Kommission, dass die Verwaltungsbehörden zur Betrugsbekämpfung ein strukturiertes Konzept entwickeln sollten, das sich auf die vier Schlüsselelemente des Betrugsbekämpfungsprozesses stützt: Prävention, Aufdeckung, Korrektur und Verfolgung16.
- Darüber hinaus hat die Kommission konkrete Kriterien festgelegt, um zu bewerten, wie die Verwaltungsbehörden ihre rechtlichen Verpflichtungen im Hinblick auf die Festlegung angemessener und wirksamer Betrugsbekämpfungsmaßnahmen erfüllt haben17.
Die Kommission empfiehlt den Verwaltungsbehörden, ihre Entschlossenheit zur Bekämpfung von Betrug durch formelle Leitsätze zur Betrugsbekämpfung18 zu demonstrieren. Diese Leitsätze sollten insbesondere Strategien zur Schaffung einer Kultur der Nichtduldung von Betrug sowie zur Festlegung der Zuständigkeiten bei der Betrugsbekämpfung umfassen. Nach Auffassung des Hofes sollten die Verwaltungsbehörden formelle Leitsätze zur Betrugsbekämpfung oder ein ähnliches eigenständiges Einzeldokument ausgearbeitet haben, um ihre Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung von Betrug sowie zur Reaktion auf Betrugsfälle darzulegen und ihren Mitarbeitern, den Begünstigten von EU-Mitteln und anderen Behörden zu verdeutlichen, dass Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung vorhanden sind und umgesetzt werden.
20Bei seinen Prüfbesuchen stellte der Hof fest, dass nur sehr wenige dieser Leitsätze tatsächlich formelle Referenzdokumente darstellen, in denen die Maßnahmen zusammengefasst werden, die auf den einzelnen Stufen des Betrugsbekämpfungsprozesses als Reaktion auf ermittelte Betrugsrisiken zu ergreifen sind. Beispiele für formalisierte Leitsätze zur Betrugsbekämpfung fand der Hof lediglich in Lettland, bei bestimmten zwischengeschalteten Stellen in Spanien sowie in Frankreich (wo diese Leitsätze nicht öffentlich bekannt gegeben wurden). In allen anderen Fällen musste der Hof mehrere Verwaltungsdokumente und Verfahrenshandbücher durchsehen, um eine vollständige Beschreibung der Betrugsbekämpfungsmaßnahmen zu erhalten. Das Fehlen formalisierter Leitsätze zur Betrugsbekämpfung schränkt nach Auffassung des Hofes die Fähigkeit der Mitgliedstaaten ein, Betrugsbekämpfungsmaßnahmen zu überwachen und zu koordinieren und ihre Wirksamkeit zu bewerten. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil nur 10 Mitgliedstaaten gemäß der Empfehlung der Kommission (siehe Ziffer 18) eine nationale Betrugsbekämpfungsstrategie19 angenommen haben.
21Darüber hinaus ist der Hof der Ansicht, dass das Fehlen von Bestimmungen, wonach die Verwaltungsbehörden formelle Leitsätze zur Betrugsbekämpfung aufzustellen haben, eine Schwachstelle bei der Gestaltung des Rahmens für die Betrugsbekämpfung für den Zeitraum 2014-2020 darstellt. Zudem ist in der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 480/2014 der Kommission (zur Ergänzung der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für den Zeitraum 2014-2020) im Zusammenhang mit der Feststellung „gravierender Mängel“, die für sich genommen zur Aussetzung von Zahlungen oder zu finanziellen Berichtigungen bei operationellen Programmen führen können, nicht von Schwachstellen bei der Umsetzung von angemessenen und wirksamen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen die Rede20. Folglich wird dem Einsatz von Betrugsbekämpfungsmaßnahmen bei der Bewertung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme weniger Gewicht beigemessen als anderen Bereichen. Im Vorschlag der Kommission für eine Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für den Zeitraum 2021-2027 werden Betrugsbekämpfungsmaßnahmen nicht zu den grundlegenden Voraussetzungen21 gezählt, welche die Mitgliedstaaten vor dem Erhalt von EU-Kohäsionsmitteln zu erfüllen haben.
Betrugsrisiken werden von den Verwaltungsbehörden systematisch bewertet, dieser Prozess könnte jedoch weiter verbessert werden
Betrugsrisiken werden von den Verwaltungsbehörden systematisch ermittelt
22Die wichtigste Änderung im Vergleich zum Programmplanungszeitraum 2007-2013 besteht darin, dass die Verwaltungsbehörden nun gemäß den Anforderungen des Kontrollrahmens für den Zeitraum 2014-2020 eine Bewertung der Betrugsrisiken vorzunehmen haben (siehe Ziffer 05). Bei dieser Bewertung sollen die Verwaltungsbehörden feststellen, inwieweit die bestehenden internen Kontrollen geeignet sind, die mit den verschiedenen Betrugsszenarien verbundenen Risiken zu mindern. Außerdem sollen sie Bereiche ermitteln, in denen zusätzliche Kontrollen erforderlich sind.
23Neben anderen Themen aus dem Bereich der Betrugsbekämpfung wird im EGESIF-Leitfaden, der sich an die Mitgliedstaaten und Verwaltungsbehörden richtet (siehe Ziffer 18), die Bewertung des Betrugsrisikos behandelt; dies umfasst auch ein praktisches „gebrauchsfertiges“ Instrument, das der Durchführung der Bewertung dient22. Alle vom Hof im Zuge seiner Prüfung besuchten Verwaltungsbehörden waren ihrer Verpflichtung nachgekommen, eine Bewertung des Betrugsrisikos durchzuführen. Dies stellt eine Verbesserung dar, was die Art und Weise betrifft, wie diese Behörden gegen Betrug im Bereich der Kohäsion vorgehen. In den meisten Fällen machten die Behörden von dem von der Kommission ausgearbeiteten Modell zur Bewertung des Betrugsrisikos Gebrauch oder nutzten eine von ihnen angepasste Fassung dieses Modells.
24Am 28. November 2018 veröffentlichte die Kommission die Ergebnisse einer im Dezember 2016 in Auftrag gegebenen Studie23 zu den Methoden der Betrugs- und Korruptionsprävention, die von den Mitgliedstaaten aufgrund der besonderen Bestimmungen für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 eingeführt wurden. Die Autoren der Studie kamen zu dem Schluss, dass die neuen rechtlichen Anforderungen, insbesondere in Bezug auf den Prozess der Betrugsrisikobewertung, dazu beigetragen haben, die Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Betrug in formellere und systematischere Bahnen zu lenken. Sie gelangten jedoch auch zu der Schlussfolgerung, dass einige Behörden bei der Selbstbewertung die Risiken möglicherweise zu gering einschätzen (siehe Kasten 1).
Kasten 1
Studie zur Bestandsaufnahme im Bereich der Betrugs- und Korruptionsprävention bei den ESI-Fonds
Die Studie beruhte auf einer Stichprobe von 50 OP für den Zeitraum 2014-2020 (davon 41 aus dem Kohäsionsbereich mit Ausnahme der ETZ), die von der Kommission mit Blick auf die Abdeckung sämtlicher Mitgliedstaaten und einer Reihe von Sektoren und Fonds nach eigenem Ermessen ausgewählt wurde. Das Studienteam überprüfte Informationen aus den Mitgliedstaaten (insbesondere das Ergebnis ihrer Betrugsrisikobewertungen) und führte Gespräche mit den Programmbehörden und AFCOS.
Der Schwerpunkt der Studie lag auf der Gestaltung von Maßnahmen zur Betrugsprävention und (in geringerem Umfang) von Methoden zur Betrugsaufdeckung. Dabei wurde die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen im Hinblick auf die ermittelten Risiken bewertet. Allerdings wurde nicht analysiert, auf welche Art und Weise die Betrugsrisikobewertung durchgeführt worden war. In der Studie wird auch keine Schlussfolgerung zur Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen gezogen.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Positive Bemerkungen | Bereiche mit Verbesserungsbedarf |
---|---|
Die Bemühungen zur Bekämpfung von Betrug und Korruption erfolgen im Programmplanungszeitraum 2014-2020 formeller und systematischer. | In Bezug auf die Risiken der Angebotsabsprache und der Doppelfinanzierung ist die Verhältnismäßigkeit der Abhilfemaßnahmen am wenigsten gegeben. |
Die Abhilfemaßnahmen stehen im Allgemeinen in einem angemessenen Verhältnis zu den bei der Selbstbewertung ermittelten Risiken. | Einige Behörden schätzen bei der Selbstbewertung das Betrugsrisiko möglicherweise zu gering ein. |
Die meisten Behörden verwenden das von der Kommission bereitgestellte Muster zur Bewertung des Betrugsrisikos. | Nicht alle Verwaltungsbehörden führen auf Ebene der OP eine Bewertung des Betrugsrisikos durch. |
Ein inklusiverer Prozess der Betrugsrisikobewertung eignet sich besser zur Minderung der Betrugsrisiken. | Die Behörden der Mitgliedstaaten benötigen mehr Informationen zu Tätigkeiten im Bereich der Betrugsbekämpfung. |
Nach Auffassung der in der Stichprobe enthaltenen Verwaltungsbehörden entspricht Arachne in seiner jetzigen Form nicht ganz ihren Bedürfnissen. |
In einigen Bereichen sind weitere Verbesserungen erforderlich
25Der Hof stellt jedoch fest, dass einige der von ihm besuchten Verwaltungsbehörden bei der Bewertung von Betrugsrisiken rein mechanisch vorgehen, was darauf hindeutet, dass sie die Form über den Inhalt stellen.
26Darüber hinaus stützen sie sich bei der Ermittlung von Betrugsrisiken im Allgemeinen auf ihre eigenen Erfahrungen, ohne zusätzliche Informationen anderer kompetenter Akteure (Koordinierungsstellen für die Betrugsbekämpfung, Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden oder sonstige spezialisierte Fachagenturen) einzubeziehen.
27Während seiner Besuche in den Mitgliedstaaten fand der Hof Hinweise darauf, dass Betrugsrisiken von mehreren Verwaltungsbehörden und zwischengeschalteten Stellen möglicherweise unzureichend bewertet wurden:
- In Bulgarien hatte die Prüfbehörde bereits festgestellt, dass einige Verwaltungsbehörden bestimmte Betrugsrisiken zu Unrecht als gering eingestuft und daher keine zusätzlichen Kontrollverfahren zu deren Minderung eingeführt hatten.
- In Frankreich hatten die vom Hof besuchten Verwaltungsbehörden die Auswirkungen zusätzlicher Kontrollen auf das Restrisiko für Betrug nicht bewertet.
- In Spanien, wo die Zuständigkeit für die Bewertung des Betrugsrisikos teilweise an zwischengeschaltete Stellen übertragen wird, wurden bei einer von der Verwaltungsbehörde in Auftrag gegebenen unabhängigen Evaluierung Probleme bezüglich der Kohärenz zwischen ermittelten Risiken und geplanten Kontrollen festgestellt (beispielsweise waren bestimmte Risiken nicht durch einen Aktionsplan abgedeckt oder es wurden Kontrollen in Bereichen eingeführt, die als nicht relevant gekennzeichnet waren).
- Bei einem der in Rumänien geprüften OP bewerteten zwischengeschaltete Stellen, die mit ähnlichen Aufgaben und Finanzierungen betraut waren, die Betrugsrisiken unterschiedlich.
- In Ungarn stellte der Hof fest, dass Betrugsrisiken nicht umfassend genug bewertet wurden (da frühere Prüfungsergebnisse keine Berücksichtigung fanden) und spezifische Risiken, mit denen die von den OP abgedeckten Arten von Vorhaben und Begünstigten behaftet waren, nicht ermittelt wurden.
In fast allen Fällen gelangten die Verwaltungsbehörden zu dem Schluss, dass die festgestellten Risiken durch die bestehenden Betrugsbekämpfungsmaßnahmen abgedeckt werden. Angesichts der ermittelten Schwachstellen vertritt der Hof die Ansicht, dass diese Schlussfolgerung möglicherweise zu optimistisch ist.
Die Verwaltungsbehörden haben ihre Maßnahmen zur Betrugsprävention zwar verbessert, aber keine bedeutenden Fortschritte in Richtung einer proaktiven Betrugsaufdeckung erzielt
29Von den Verwaltungsbehörden wird erwartet, dass sie als Reaktion auf die ermittelten Risiken wirksame und angemessene Maßnahmen zur Betrugsprävention und -aufdeckung ergreifen, sodass sich die Gelegenheiten zum Betrug deutlich verringern.
Die Verwaltungsbehörden haben für den Zeitraum 2014-2020 spezifische Maßnahmen zur Betrugsprävention ausgearbeitet
30Der Hof stellte fest, dass es sich bei den für den Zeitraum 2014-2020 ausgearbeiteten zusätzlichen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen in erster Linie um Präventionsmaßnahmen handelt, die umfassender sind als die für den Zeitraum 2007-2013 festgelegten Maßnahmen. Die Umfrage des Hofes ergab, dass solche zusätzlichen Präventionsmaßnahmen hauptsächlich Schulungen zur Sensibilisierung von Mitarbeitern für Betrugsrisiken, Strategien zur Vermeidung von Interessenkonflikten und ethische Leitlinien für Mitarbeiter und Begünstigte sowie die Veröffentlichung von Aussagen oder Erklärungen hochrangiger Vertreter der betreffenden Einrichtung bezüglich der Betrugsbekämpfung umfassen.
31Zudem zeigen die Ergebnisse der Umfrage, dass Maßnahmen zur Sensibilisierung für Betrugsrisiken (Schulungen für Mitarbeiter und auf zwischengeschaltete Stellen und Projektbegünstigte ausgerichtete Maßnahmen), Strategien zur Vermeidung von Interessenkonflikten sowie Verhaltenskodizes nach Ansicht der Verwaltungsbehörden die wirksamsten Methoden darstellen, um Betrug beim Einsatz von EU-Kohäsionsmitteln zu verhindern (siehe Abbildung 4). Andere Maßnahmen zur Betrugsprävention wie Programme zur Unterstützung von Mitarbeitern (mit denen der Druck verringert werden soll, der auf Mitarbeitern lastet, die Betrug ausgesetzt sind) oder Prämiensysteme (bei denen die Verwaltungsbehörden öffentlich ihre Absicht verkünden, Hinweisgeber, die Betrugsfälle melden, zu belohnen) sind nach wie vor selten, auch wenn sie im Großen und Ganzen als wirksam erachtet werden.
Abbildung 4
Von den Verwaltungsbehörden umgesetzte Maßnahmen zur Betrugsprävention und ihre wahrgenommene Wirksamkeit
Quelle: Umfrage des Europäischen Rechnungshofs bei Verwaltungsbehörden.
Mehrere Mitgliedstaaten verfolgen einen innovativeren Ansatz, um Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU zu verhindern, beispielsweise durch die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen bei der Überwachung der Ausführung öffentlicher Aufträge oder durch die Durchführung von Kampagnen, welche die gesellschaftliche Akzeptanz bestimmter betrügerischer Praktiken infrage stellen (siehe Kasten 2).
Kasten 2
Innovative Maßnahmen zur Betrugsprävention
Integritätspakte
Im Jahr 2015 riefen die Europäische Kommission und Transparency International, eine weltweit tätige Nichtregierungsorganisation, die Korruption aktiv bekämpft und insbesondere für die Veröffentlichung des Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) bekannt ist, ein Pilotprojekt „Integritätspakte“ ins Leben, um bei Projekten im Bereich der EU-Kohäsionspolitik auf innovative Art und Weise für Betrugsprävention zu sorgen. Bei einem Integritätspakt handelt es sich um eine Vereinbarung, in der sich die für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags zuständige Behörde und der sich um den Auftrag bewerbende Wirtschaftsteilnehmer verpflichten, nicht auf korrupte Methoden zurückzugreifen und die Transparenz des Vergabeverfahrens zu gewährleisten. Solche Pakte umfassen auch eine separate Vereinbarung mit einer zivilgesellschaftlichen Organisation (beispielsweise einer NRO, Stiftung oder lokalen Bürgerorganisation), die damit beauftragt wird, die Einhaltung der Verpflichtungen durch die Vertragsparteien zu überwachen. Integritätspakte sollen dazu beitragen, Transparenz, Rechenschaftspflicht und verantwortungsvolle Verwaltungspraxis im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe zu fördern, das Vertrauen in die Behörden zu stärken und durch eine bessere Auftragsvergabe für eine höhere Kosteneffizienz und stärkere Einsparungen zu sorgen. Im Jahr 2016 wurde die zweite Phase des Projekts eingeleitet, die vier Jahre dauern wird24. Der Hof sprach mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in Lettland, Rumänien und Ungarn über den Nutzen von Integritätspakten; diese beurteilten die Initiative im Allgemeinen positiv.
Kampagne „FRAUD OFF!“
Im März 2017 organisierte die lettische AFCOS eine Sensibilisierungskampagne mit dem Titel „FRAUD OFF!“, welche die gesellschaftliche Akzeptanz bestimmter betrügerischer Verhaltensweisen infrage stellte. Für die Kampagne entwickelte Werbespots, die in Lettland bekannte Persönlichkeiten zeigten, wurden über nationale Fernsehkanäle ausgestrahlt, und Werbematerial wurde an Institutionen, Unternehmen, Geschäfte und die allgemeine Bevölkerung verteilt. Die Kampagne erreichte ein großes Publikum und war in Lettland eine Zeit lang in aller Munde.
Die Maßnahmen zur Betrugsaufdeckung im Zeitraum 2014-2020 entsprechen weitgehend denen im Zeitraum 2007-2013
33Während durch die verpflichtende Betrugsrisikobewertung nun ein größeres Augenmerk auf Betrugsprävention gelegt wird, haben die Verwaltungsbehörden für den Zeitraum 2014-2020 nur sehr wenige zusätzliche Methoden zur Betrugsaufdeckung entwickelt. Stattdessen stützen sie sich auf die internen Kontrollen und Verfahren, die bereits im Zeitraum 2007-2013 innerhalb eines schwächeren Kontrollrahmens zur Anwendung kamen (siehe Abbildung 5). Dabei handelt es sich in erster Linie um Vor-Ort-Kontrollen (Prüfungen), interne Meldeverfahren für Betrugsfälle und in geringerem Maße die Ermittlung spezifischer Betrugsindikatoren25 („Red Flags“ oder Warnsignale). Sowohl im Rahmen der Umfrage als auch im Zuge der Besuche in den Mitgliedstaaten stellte der Hof fest, dass nur sehr wenige zusätzliche „proaktive“ Kontrollen zur Aufdeckung von Betrug eingeführt wurden (z. B. spezifische Kontrollen im Hinblick auf Absprachen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, wie eine semantische Analyse der eingegangenen Angebote oder die Ermittlung ungewöhnlicher Bietermuster).
Abbildung 5
Von den Verwaltungsbehörden umgesetzte Maßnahmen zur Betrugsaufdeckung und ihre wahrgenommene Wirksamkeit
Quelle: Umfrage des Europäischen Rechnungshofs bei Verwaltungsbehörden.
Der Nutzen von Betrugs-Hotlines für Hinweisgeber ist aufgrund praktischer Probleme begrenzt
34Die Umfrage ergab, dass die Verwaltungsbehörden nur in geringem Umfang auf Betrugs-Hotlines für Hinweisgeber (Whistleblower) zurückgreifen, obwohl sie im Allgemeinen der Ansicht sind, dass dieses Instrument eine wirksame Methode zur Betrugsaufdeckung darstellt. Durch Betrugs-Hotlines und sonstige Mechanismen für Hinweisgeber werden die Verwaltungsbehörden (und andere betroffene Behörden der Mitgliedstaaten) auf mögliche Betrugsfälle aufmerksam gemacht, die durch andere Kontrollen nicht aufgedeckt werden konnten26. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass diese Maßnahmen als wichtigste Quelle für Betrugsmeldungen gelten27. Im Zuge seiner Prüfbesuche beurteilte der Hof Mechanismen für Hinweisgeber und stieß dabei auf eine Reihe praktischer Probleme bei ihrer Nutzung. Beispielsweise ist nicht immer Anonymität gewährleistet, und es besteht das Risiko, dass Projektbegünstigte und die breite Öffentlichkeit nicht ausreichend über das Vorhandensein dieser Mechanismen informiert sind. Im Falle gesetzlicher Beschränkungen in Bezug auf den Einsatz anonymer Meldekanäle steht es den Verwaltungsbehörden und AFCOS jederzeit frei, anonyme Hinweisgeber an das vom OLAF eingerichtete Betrugsmeldesystem zu verweisen28.
35Am 23. April 2018 unterbreitete die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern. Mit diesem Vorschlag wurde das Ziel verfolgt, die verschiedenen derzeit von den Mitgliedstaaten angewandten Ansätze zu vereinheitlichen und Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden – einschließlich sämtlicher Verstöße zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU –, ein größeres Maß an Schutz zu gewähren. In seiner am 15. Oktober 2018 abgegebenen Stellungnahme zu dem Vorschlag vertrat der Hof die Ansicht, die Einführung oder Ausweitung von Hinweisgebersystemen in allen Mitgliedstaaten würde dazu beitragen, die Verwaltung der EU-Politik durch ein aktives Tätigwerden von Bürgern und Arbeitnehmern zu verbessern. Allerdings wies der Hof auch auf einige Bereiche hin, in denen er Bedenken hegt, beispielsweise was den allzu komplexen sachlichen Anwendungsbereich des Vorschlags betrifft, der die Rechtssicherheit für potenzielle Hinweisgeber verringern und sie somit davon abhalten könnte, Verstöße zu melden. Zudem thematisierte der Hof das Fehlen eindeutiger Verpflichtungen zur Sensibilisierung oder Schulung von Personal und brachte seine Überzeugung zum Ausdruck, dass Personen, die anonym einen Verstoß gemeldet haben, der Schutz von Hinweisgebern nicht verweigert werden sollte, wenn ihre Identität später aufgedeckt wird29. Im Hinblick auf die Annahme dieser Richtlinie erzielten das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten am 12. März 2019 eine vorläufige Einigung über neue Vorschriften, die Hinweisgebern Schutz garantieren, wenn sie Verstöße gegen das EU-Recht melden30.
Zur Betrugsaufdeckung wird nicht ausreichend von der Datenanalyse Gebrauch gemacht
36Die Kommission fordert die Verwaltungsbehörden auf, proaktiv von der Datenanalyse Gebrauch zu machen, um potenziell risikoreiche Situationen zu erkennen, Warnsignale zu ermitteln und die Ziele von Betrugsbekämpfungsmaßnahmen genauer festzulegen. Die Datenanalyse sollte einen systematischen Bestandteil der Auswahl von Vorhaben sowie der Verwaltungsprüfungen und -audits bilden31. Im Rahmen der Bekämpfung von Betrug stellt die Kommission den Verwaltungsbehörden ein spezielles Instrument zur Extraktion von Daten zur Verfügung (Arachne), um sie dabei zu unterstützen, Vorhaben zu ermitteln, die mit einem Betrugsrisiko behaftet sein könnten. Nach Informationen, die der Hof von der Kommission erhalten hat, wurde Arachne im Dezember 2018 von 21 Mitgliedstaaten bei 165 OP eingesetzt, auf die 54 % der gesamten EU-Kohäsionsmittel für den Zeitraum 2014-2020 (mit Ausnahme der ETZ) entfallen. In seinem Sonderbericht Nr. 01/2019 „Bekämpfung von Betrug bei den EU-Ausgaben: Es muss gehandelt werden“ weist der Hof auf die Bedeutung von Arachne als Instrument zur Betrugsprävention hin. In seiner aktuellen Prüfung bewertete der Hof die Funktion von Arachne als Instrument zur Datenanalyse, das zur Aufdeckung von Betrug beiträgt.
37Eine der wichtigsten Bemerkungen des Hofes, die sich aus seiner Prüfungsarbeit ergibt, betrifft die Tatsache, dass die Verwaltungsbehörden die Datenanalyse nicht ausreichend zur Betrugsaufdeckung nutzen. Die Umfrage des Hofes ergab, dass lediglich die Hälfte der Verwaltungsbehörden auf Datenanalyse-Instrumente zurückgreift, um Betrugsfälle aufzudecken (siehe Abbildung 5). Insbesondere Arachne wird nicht ausreichend genutzt. In den von ihm besuchten Mitgliedstaaten stellte der Hof Folgendes fest:
- Ein Mitgliedstaat (Griechenland) legte keine Informationen dazu vor, ob Arachne in naher Zukunft eingeführt wird. Die griechischen Verwaltungsbehörden führten jedoch kein gleichwertiges Instrument zur Datenanalyse ein, das für alle OP des Landes verwendet werden könnte.
- In vier der übrigen sechs Mitgliedstaaten erzielten die Verwaltungsbehörden nur geringe Fortschritte, was das Hochladen der erforderlichen operativen Daten oder die Nutzung des Instruments für ihre internen Kontrollen betrifft, selbst wenn sie sich für den Einsatz von Arachne entschieden.
- Gemäß der Arachne-Charta ist der Zugang auf Verwaltungsbehörden, Bescheinigungsbehörden und Prüfbehörden beschränkt. Daher kann Arachne nicht automatisch von den Ermittlungsbehörden verwendet werden.
Ferner stellte der Hof in zwei der besuchten Mitgliedstaaten fest, dass die Verwaltungsbehörden, die Arachne vollständig in ihre Verwaltungsverfahren eingebunden hatten, das Instrument dazu nutzten, um ihre spezifischen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen an Begünstigte mit hohem Risiko anzupassen.
38Die Verwaltungsbehörden konnten dem Hof keine überzeugende Erklärung dafür liefern, warum sie das kostenlos von der Kommission zur Verfügung gestellte Instrument nicht in vollem Umfang nutzten. Allerdings lautete die Schlussfolgerung der im November 2018 von der Kommission selbst herausgegebenen Studie (siehe Ziffer 24 und Kasten 1), dass Arachne in seiner derzeitigen Form nach Auffassung der Verwaltungsbehörden nicht ganz ihren Bedürfnissen entspricht. Nach Ansicht der Studienautoren ist dies besonders besorgniserregend, da der wahrgenommene Nutzen von Arachne in hohem Maße von der Anzahl der OP abhängt, zu denen Informationen in das Instrument einfließen32.
39Trotz allem konnte der Hof während seiner Prüfbesuche einige Beispiele für vorbildliche Verfahren ermitteln. In den betreffenden Fällen hatten die Behörden der Mitgliedstaaten Instrumente zur Datenanalyse entwickelt, um die Ermittlung potenzieller Betrugsrisiken zu unterstützen (siehe Kasten 3).
Kasten 3
Vorbildliche Verfahren der Mitgliedstaaten im Bereich der Datenanalyse
Der Hof ermittelte die folgenden Instrumente zur Datenanalyse, die unmittelbar zur Aufdeckung potenzieller Betrugsfälle bei der Verwendung von EU-Kohäsionsmitteln eingesetzt werden:
- In Rumänien entwickelte die nationale Integritätsbehörde ein IT-System („PREVENT“), das die von den öffentlichen Auftraggebern und Bietern vorgelegten Informationen zur öffentlichen Auftragsvergabe mit Angaben aus sonstigen nationalen Datenbanken (z. B. Handelsregister) abgleicht. Durch die Anwendung dieses Systems bei 839 Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge für EU-finanzierte Projekte war die Behörde in der Lage, 42 Integritätswarnungen in Fällen auszusprechen, die eine Korrektur oder eine Untersuchung erforderten.
- In Spanien entwickelte die für die Durchführung eines Großteils des OP „Comunidad Valenciana“ zuständige zwischengeschaltete Stelle gemeinsam mit Hochschuleinrichtungen ein IT-Schnellwarnsystem („SALER“), das auf vier separate nationale und regionale Datenbanken zugreift, um Betrugsrisiken zu ermitteln. Die Implementierung dieses Instruments ist noch nicht abgeschlossen.
Den Verwaltungsbehörden fehlt es an Verfahren zur Überwachung und Bewertung der Maßnahmen zur Betrugsprävention und -aufdeckung
40Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten und die Verwaltungsbehörden auf, Verfahren zur Überwachung der Umsetzung von Maßnahmen zur Betrugsprävention und -aufdeckung festzulegen. Diese Verfahren sollten spezifische Regelungen zur Berichterstattung über die Art der eingeführten Betrugsbekämpfungsmaßnahmen und ihre Umsetzung umfassen. Die Mitgliedstaaten und die Verwaltungsbehörden sollten die Ergebnisse der Überwachung dazu nutzen, die Wirksamkeit der Maßnahmen zu bewerten und ihre Strategien und Leitsätze zur Betrugsbekämpfung erforderlichenfalls zu überarbeiten.
41Der Hof stellte fest, dass keine der von ihm besuchten Verwaltungsbehörden – mit Ausnahme der lettischen – die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Betrugsprävention und -aufdeckung untersucht. Sie halten nur in begrenztem Umfang schriftlich fest, welche Maßnahmen eingesetzt werden, und verknüpfen diese nur selten mit bestimmten Ergebnissen. Folglich werden Betrugsbekämpfungssysteme – von den Verwaltungsbehörden oder einer anderen Programmbehörde (z. B. der Prüfbehörde) oder der AFCOS – nicht anhand ihrer tatsächlichen Ergebnisse bewertet.
Für die Programmplanungszeiträume 2007-2013 und 2014-2020 wurde ein ähnliches Ausmaß an Betrug gemeldet
42Die Verwaltungsbehörden und sonstige Stellen der Mitgliedstaaten melden der Kommission betrügerische und nichtbetrügerische Unregelmäßigkeiten über das IMS. Bis Dezember 2018 hatten die Mitgliedstaaten (in erster Linie die Verwaltungs- und Prüfbehörden) für den Programmplanungszeitraum 2007-2013 insgesamt 1 925 und für den Zeitraum 2014-2020 insgesamt 155 betrügerische Unregelmäßigkeiten gemeldet. Diese Unregelmäßigkeiten betrafen Fälle mutmaßlichen und festgestellten Betrugs, die sich potenziell auf EU-Mittel in Höhe von 1,6 Milliarden Euro (2007-2013) bzw. 0,7 Milliarden Euro (2014-2020) auswirkten.
43In Abbildung 6 ist die Entwicklung der Anzahl und des Schadensvolumens der über das IMS für die Programmplanungszeiträume 2007-2013 und 2014-2020 gemeldeten Unregelmäßigkeiten dargestellt. Bislang wurden 155 betrügerische Unregelmäßigkeiten für den Zeitraum 2014-2020 gemeldet – 10 % weniger als in der gleichen Phase des Programmplanungszeitraums 2007-2013 (174 Fälle). In finanzieller Hinsicht stellt sich die Situation ganz anders dar: Die potenziellen Auswirkungen der gemeldeten Betrugsfälle auf die Mittel der EU-Kohäsionspolitik sind im Programmplanungszeitraum 2014-2020 (0,7 Milliarden Euro) mehr als dreimal so groß wie in der gleichen Phase des vorangegangenen Zeitraums (0,2 Milliarden Euro). Dieser deutliche Anstieg ist jedoch auf zwei Einzelfälle von mutmaßlichem Betrug zurückzuführen, die der Hof als Ausreißer betrachtet33.
Abbildung 6
Entwicklung der als Betrug gemeldeten Unregelmäßigkeiten
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage von Daten des IMS.
Die der Kommission gemeldeten Betrugsfälle werden größtenteils bei Vor-Ort-Kontrollen aufgedeckt oder von Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden oder den Medien offengelegt
44Das IMS umfasst eine Reihe von Datenfeldern, in denen Angaben über die Art der Unregelmäßigkeiten und den Stand der Verfahren zu machen sind. In einem dieser Felder ist die Quelle der Informationen anzugeben, die zum Verdacht auf das Vorliegen einer Unregelmäßigkeit geführt haben, d. h. die Aufdeckungsmethode. Auf der Grundlage der im IMS bis einschließlich Dezember 2018 erfassten Daten analysierte der Hof die Informationsquellen, die zur Meldung betrügerischer Unregelmäßigkeiten im Programmplanungszeitraum 2007-2013 geführt hatten (siehe Abbildung 7). Die Daten für den Zeitraum 2014-2020 wurden nicht bewertet, da sie nach wie vor sehr unvollständig sind und Ausreißer enthalten (siehe Ziffer 43).
45Gemessen an der Anzahl der Fälle wurde der Großteil der Unregelmäßigkeiten im Rahmen von Vor-Ort-Kontrollen von den Programmbehörden aufgedeckt (siehe Ziffer 04), gefolgt von Meldungen der Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden. Dies deutet darauf hin, dass diese Arten der Aufdeckung von Betrug bei der Verwendung von Kohäsionsmitteln die wirksamsten sind. Allerdings hat die Tatsache, dass allgemein auf Prüfungen als Methode zur Betrugsaufdeckung zurückgegriffen wird, Auswirkungen auf die statistischen Daten (siehe Ziffer 33 und Abbildung 5). Gemessen am Schadensvolumen war der Großteil der Meldungen betrügerischer Unregelmäßigkeiten auf unmittelbar von den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden eröffnete oder auf von der Presse und anderen Medien offengelegte Fälle zurückzuführen. Der Hof geht davon aus, dass die statistischen Daten zu den Betrugsinformationsquellen nach Schadensvolumen in erheblichem Maße von der Unsicherheit über die tatsächlich betroffenen Beträge beeinflusst werden, auch wenn dies in geringerem Maße der Fall ist, wenn die Informationen von Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden stammen.
Abbildung 7
Für den Zeitraum 2007-2013 als Betrug gemeldete Unregelmäßigkeiten im Kohäsionsbereich nach Informationsquelle
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage von Daten des IMS.
Reaktion auf Betrugsfälle, Ermittlung von Betrug und Koordinierung zwischen den zuständigen Stellen
46Die Kommission verlangt von den Verwaltungsbehörden, dass sie wirksame Maßnahmen zur Reaktion auf Betrugsfälle entwickeln. Diese Maßnahmen sollten klare Mechanismen für die Meldung von mutmaßlichem Betrug und klare Verfahren für die Verweisung von Fällen an die zuständigen Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden umfassen. Zudem sollte es Verfahren zur Weiterverfolgung von Betrugsverdachtsfällen und erforderlichenfalls zur Wiedereinziehung von EU-Mitteln geben. Die Verwaltungsbehörden sollten mit ihren AFCOS zusammenarbeiten, und es bedarf einer angemessenen Koordinierung zwischen allen Verwaltungsstellen und Strafverfolgungsbehörden.
Unzureichende Meldungen vonseiten der Verwaltungsbehörden haben Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit der in den PIF-Berichten veröffentlichten Betrugsaufdeckungsquoten
47Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, der Kommission über das IMS Unregelmäßigkeiten zu melden, die Beträge von mehr als 10 000 Euro betreffen und bei denen sie Betrug vermuten oder festgestellt haben34. Die Mitgliedstaaten haben Fälle von vermutetem oder festgestelltem Betrug auch dann zu melden, wenn diese bereits vor der Bescheinigung der betreffenden Ausgaben gegenüber der Kommission geklärt wurden.
Nicht alle potenziellen Betrugsfälle werden im IMS auch als solche gemeldet
48In der oben stehenden Abbildung 3 sind die Betrugsaufdeckungsquoten im Bereich der EU-Kohäsionspolitik für den Zeitraum 2007-2013 dargestellt. Diese Quoten beruhen auf Daten des IMS und wurden im PIF-Bericht 2017 veröffentlicht. Im Sonderbericht Nr. 01/2019 stellte der Hof fest, dass die im PIF-Bericht enthaltenen Daten zu aufgedecktem Betrug unvollständig sind35. Diese Einschätzung wurde durch die Ergebnisse dieser Prüfung bestätigt. Außerdem ermittelte er mehrere Fälle, durch welche die Vollständigkeit und Zuverlässigkeit der im IMS enthaltenen Daten zu Betrugsfällen infrage gestellt werden, was den Nutzen begrenzt, den die Kommission und die Mitgliedstaaten aus diesem System ziehen können.
49Der Hof stellte fest, dass die EU-Definition von Betrug nicht von allen Mitgliedstaaten auf dieselbe Weise interpretiert wird (siehe Ziffer 01). Beispielsweise werden Kartellvergehen (Angebotsabsprachen) in Spanien nicht immer als Betrug gemeldet, während dies in anderen Mitgliedstaaten, wie Lettland, systematisch geschieht.
50Der Hof stieß auf Fälle, in denen Unregelmäßigkeiten, bei denen es klare Anzeichen für Betrug gab, nicht ordnungsgemäß der Kommission gemeldet wurden, weil sie vor der Bescheinigung der betreffenden Ausgaben gegenüber der Kommission aufgedeckt und korrigiert worden waren. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch Betrugsverdachtsfälle (als Betrugsversuch) auch dann melden, wenn letztlich keine EU-Kofinanzierung erfolgt. In Ungarn werden Betrugsverdachtsfälle, die vor der Bescheinigung gegenüber der Kommission geklärt werden, von den Verwaltungsbehörden nicht gemeldet. In Spanien behielt die für den ESF zuständige Verwaltungsbehörde als Vorsichtsmaßnahme Zahlungen ein, ohne die Kommission über die von mutmaßlichen Betrugsfällen betroffenen Ausgaben, über die in der Presse berichtet worden war, zu unterrichten.
51Der Hof stellte fest, dass Meldungen an die Kommission in den einzelnen Mitgliedstaaten auf der Grundlage unterschiedlicher Verwaltungs- oder Rechtsakte ausgelöst werden. Beispielsweise meldet Rumänien laufende Ermittlungen oder Entscheidungen über eine Strafverfolgung nicht systematisch über das IMS. Gemäß den rumänischen Rechtsvorschriften werden Betrugsverdachtsfälle erst dann erfasst, wenn eine Verwaltungsbehörde, die Prüfbehörde, die AFCOS oder das OLAF einen zusätzlichen gesonderten Kontroll-/Untersuchungsbericht herausgibt, selbst wenn bereits Ermittlungen aufgenommen oder abgeschlossen wurden. Daher erfolgen Meldungen im IMS mit übermäßigen Verzögerungen, und einige vor Gericht verhandelte Fälle werden unter Umständen überhaupt nicht im System erfasst.
52Schließlich ermittelte der Hof, dass die ungarische AFCOS einen großen Rückstand an Fällen verzeichnet, die vor einer Meldung im IMS noch zu analysieren sind.
Das IMS enthält einige ungenaue und veraltete Daten
53Der Hof stieß auf Fälle, in denen die im IMS erfassten Daten ungenau oder veraltet waren, insbesondere im Hinblick auf den Stand eines Falles und die wichtigsten Daten des Sanktionsverfahrens. Dies könnte darauf hindeuten, dass eine Verwaltungsbehörde, der mit der Datenvalidierung Beauftragte oder die AFCOS die Datenqualität nicht sorgfältig überprüft hat. Dieser Umstand ist zwar nicht zufriedenstellend, wirkt sich in der Regel jedoch nicht auf die Zahl der im IMS gemeldeten Betrugsfälle aus.
54Der Hof stellte fest, dass die Verwaltungsbehörden bei der Bewertung der finanziellen Auswirkungen möglicher Betrugsfälle unterschiedliche Ansätze verfolgten. Daher geben die einzelnen Mitgliedstaaten womöglich für ähnliche Straftaten ein unterschiedliches Schadensvolumen im IMS an. Besonders gilt dies in Fällen, in denen es schwierig ist, die betroffenen Ausgaben genau zu beziffern (z. B. Interessenkonflikte bei der Projektauswahl oder Verstöße gegen Vergabevorschriften).
Unzureichende Meldungen haben Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit der Betrugsaufdeckungsquoten
55Im PIF-Bericht 2017 werden Betrugsaufdeckungsquoten für die einzelnen Mitgliedstaaten und die gesamte EU angegeben. Diese beruhen auf den Daten, die von den Behörden und AFCOS der Mitgliedstaaten im IMS erfasst wurden (siehe Ziffer 07). Ein ähnlicher Vergleichsindikator zur Anzahl der innerhalb der EU verzeichneten Unregelmäßigkeiten im Bereich der Kohäsionspolitik ist im Bericht nicht enthalten. Zur Berechnung dieser Kennzahl stellte der Hof die Zahl der von den einzelnen Mitgliedstaaten gemeldeten betrügerischen Unregelmäßigkeiten der Höhe der von ihnen erhaltenen EU-Mittel gegenüber (siehe Abbildung 8). Der Hof stellte fest, dass Frankreich die geringste Zahl an betrügerischen Unregelmäßigkeiten je von der EU erhaltenem Euro meldet. Nach Auffassung des Hofes werden Unregelmäßigkeiten, einschließlich Betrugsverdachtsfällen, von Frankreich nicht angemessen gemeldet.
Abbildung 8
Mittel der Kohäsionspolitik: erhaltene EU-Mittel je Unregelmäßigkeit, die als Betrug gemeldet wurde (Programmplanungszeitraum 2007-2013)
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage des PIF-Berichts 2017. Finnland und Luxemburg, die für diesen Zeitraum keine betrügerischen Unregelmäßigkeiten gemeldet haben, sind in dieser Abbildung nicht enthalten.
Nach Auffassung des Hofes handelt es sich bei den von der Kommission veröffentlichten Betrugsaufdeckungsquoten in Wirklichkeit um Betrugsmeldungsquoten: Sie spiegeln nicht unbedingt die Wirksamkeit der Aufdeckungsmechanismen der Mitgliedstaaten wider und sind nicht einmal ein Indikator für das Ausmaß des tatsächlich aufgedeckten Betrugs. Vielmehr zeigen sie, in wie vielen Fällen sich die Mitgliedstaaten zu einer Meldung an die Kommission entschlossen haben (siehe Ziffern 48-52). Im Sonderbericht Nr. 01/2019 gelangte der Hof zu dem Schluss, dass zwischen Betrugsaufdeckungsquoten und anderen Indikatoren für das Korruptionsrisiko eine geringe Korrelation besteht36.
57Angesichts der von ihm festgestellten Probleme geht der Hof davon aus, dass die im PIF-Bericht 2017 für den Bereich der Kohäsionspolitik veröffentlichte Betrugsaufdeckungsquote das Ausmaß des Betrugs in den besuchten Mitgliedstaaten nicht wahrheitsgetreu widerspiegelt.
Mehrere Verwaltungsbehörden informieren die Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden nicht systematisch über Betrugsverdachtsfälle
58Eine koordinierte und zeitnahe Untersuchung der gemeldeten Betrugsfälle durch die zuständigen Justizbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft und sonstige Organe) ist von zentraler Bedeutung, um das Betrugsrisiko zu senken und für eine stärkere Abschreckung zu sorgen. Im Rahmen dieser Prüfung untersuchte der Hof zwar nicht die Arbeit der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden, bewertete jedoch, wie sich die Verwaltungsbehörden mit ihnen austauschen und abstimmen.
59Die praktische Anwendung des Grundsatzes der Abschreckung von Betrug erfordert, dass die Verwaltungsbehörden (oder andere Behörden, die mögliche Unregelmäßigkeiten aufdecken) Betrugsverdachtsfälle unverzüglich und systematisch den betreffenden Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden melden, da nur sie in der Lage sind, festzustellen, ob Absicht vorliegt. In mehreren Fällen stellte der Hof fest, dass die Verwaltungsbehörden die für Ermittlungen zuständigen Stellen nicht systematisch über mutmaßlichen Betrug informierten. In Griechenland beispielsweise hatten die Verwaltungsbehörden keinen der Betrugsverdachtsfälle, die in der Stichprobe im Rahmen der Prüfung des Hofes enthalten waren, an die Strafverfolgungsbehörden verwiesen. In Spanien fand der Hof keine spezifischen Anweisungen oder Verfahren, denen zufolge die Verwaltungsbehörden verpflichtet gewesen wären, alle Betrugsverdachtsfälle in dieser Weise zu melden. Werden Betrugsverdachtsfälle nicht gemeldet, so mindert dies in erheblichem Maße die abschreckende Wirkung, die eine mögliche Ermittlung und Strafverfolgung haben können.
60Ermittler und Staatsanwälte lehnen regelmäßig Anträge auf Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen zu Fällen ab, die von den Verwaltungsbehörden an sie verwiesen werden. Das ist nicht ungewöhnlich, da nur diese spezialisierten Behörden über die erforderlichen rechtlichen Kompetenzen und Ermittlungsressourcen verfügen, um festzustellen, ob eine kriminelle Handlung stattgefunden haben könnte. Allerdings sollten die Verwaltungsbehörden stets die Gründe für eine solche Ablehnung analysieren und, sofern möglich und angemessen, ihre operativen Verfahren entsprechend ändern. Der Hof stellte fest, dass lediglich Lettland Vorkehrungen getroffen hat, um zu analysieren, warum weitergeleitete Fälle abgelehnt werden, und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.
Korrekturmaßnahmen haben nur eine begrenzte abschreckende Wirkung
61Die Verwaltungsbehörden sind gehalten, betrügerisch verwendete EU-Mittel wiedereinzuziehen37. Zudem ist es ihre Aufgabe, interne Kontrollsysteme, durch die sie möglichem oder nachweislichem Betrug ausgesetzt gewesen sein könnten, einer gründlichen und kritischen Überprüfung zu unterziehen.
62Die häufigste Korrekturmaßnahme besteht darin, die betroffenen Ausgaben aus den Erklärungen gegenüber der Kommission herauszunehmen, wobei die Mittel jedoch nicht beim Betrüger wiedereingezogen werden und auch keine zusätzlichen abschreckenden Maßnahmen, wie die Verhängung von Sanktionen oder Strafen, ergriffen werden. Diese Vorgehensweise ist keineswegs ungewöhnlich, da in den meisten vom Hof überprüften Fällen noch nicht festgestellt worden war, ob tatsächlich Betrug vorlag. Den Daten des IMS zufolge hatten die Mitgliedstaaten jedoch nur in 84 der 159 Fälle festgestellten Betrugs die Wiedereinziehung von EU-Mitteln eingeleitet38. Die Herausnahme von Ausgaben aus den Erklärungen gegenüber der Kommission ist ein wirksames Mittel zum Schutz der finanziellen Interessen der EU. Dieser Schutz erstreckt sich jedoch nicht auf nationale öffentliche Mittel – d. h. die Haushalte der Mitgliedstaaten sind dennoch betroffen, wenn die Mittel nicht wiedereingezogen werden –, wodurch die abschreckende Wirkung der von den Verwaltungsbehörden ergriffenen Korrekturmaßnahmen begrenzt ist. Der Sonderbericht Nr. 01/2019 des Hofes enthält weitere Informationen über die Wiedereinziehung von Mitteln in Fällen festgestellten Betrugs39.
63Von den Verwaltungsbehörden wird erwartet, dass sie nicht nur die von Betrug betroffenen EU-Mittel wiedereinziehen, sondern auch die horizontalen Auswirkungen auf ihre Verwaltungs- und Kontrollsysteme und andere Projekte (z. B. mit demselben Begünstigten oder ähnlichen Anzeichen für Betrug) bewerten.
64Der Hof fand lediglich in einem der sieben besuchten Mitgliedstaaten Nachweise für diese Art der Bewertung, nämlich in Spanien (siehe Kasten 4). Selbst dort erfolgt die Überprüfung aber nicht systematisch.
Kasten 4
Beispiel für ein vorbildliches Verfahren: Überprüfung auf systematischen Betrug auf der Grundlage eines ersten Falles
Die meisten von Spanien für den Programmplanungszeitraum 2007-2013 gemeldeten Betrugsverdachtsfälle sind auf eine einzige Untersuchung zurückzuführen, die von einer zwischengeschalteten Stelle eingeleitet wurde.
Auf der Grundlage der vorläufigen Schlussfolgerungen einer ersten Überprüfung nahm die zwischengeschaltete Stelle bei allen anderen Finanzhilfen, die demselben Endbegünstigten gewährt worden waren, horizontale Kontrollen vor. Sie gelangte zu der Schlussfolgerung, dass genügend Nachweise für einen Verdacht auf systematischen Betrug vorlagen, bei dem falsche Rechnungen ausgestellt und Absprachen mit externen Anbietern getroffen wurden.
Die zwischengeschaltete Stelle meldete die Ergebnisse ihrer Kontrollen und ihren Betrugsverdacht ordnungsgemäß der spanischen Staatsanwaltschaft und der Kommission. Nach jetzigem Stand betrifft die Untersuchung 73 % aller in Spanien für den Programmplanungszeitraum 2007-2013 gemeldeten Betrugsverdachtsfälle und 56 % der geschätzten potenziellen Auswirkungen dieser Fälle auf den EU-Beitrag.
Die Bekämpfung von Betrug wird durch verschiedene Verwaltungsprobleme erschwert
Unter Umständen dauert es lange, bis Betrug bestraft wird
65Nachdem Betrug begangen wurde, kann viel Zeit vergehen, bis er durch die Verhängung von Sanktionen bestraft wird (siehe Abbildung 9). Den im IMS erfassten Daten zufolge dauert es nach dem Auftreten einer Unregelmäßigkeit durchschnittlich rund zwei Jahre, bis ein Betrugsverdacht geäußert wird40. Anschließend kann es ein weiteres Jahr dauern, bis dieser Verdacht durch eine vorläufige Bewertung, die zu einer ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung41 führt, bestätigt und der Fall der Kommission über das IMS gemeldet wird. Ab diesem Zeitpunkt ist die Kommission in der Lage, den Fall zu überwachen und ihn bei der Erstellung des jährlichen PIF-Berichts zu berücksichtigen. Nach der vorläufigen Bewertung dauert es rund fünf Monate, bis (zeitgleich mit der Meldung an die Kommission) ein Verwaltungs- oder Strafverfahren eingeleitet wird, damit Sanktionen verhängt werden können. Bis zum Abschluss dieser Verfahren vergehen durchschnittlich drei Jahre.
Abbildung 9
Von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten für die Aufdeckung, die Meldung und den Abschluss von Betrugsfällen durchschnittlich benötigte Zeit
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage von Informationen aus dem IMS.
Die Aufgaben der AFCOS sind in der Verordnung unzureichend definiert und unterscheiden sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat erheblich
66Auch wenn die Hauptverantwortung für die Bekämpfung von Betrug bei der Verwendung von Kohäsionsmitteln bei den Verwaltungsbehörden liegt, kommt den AFCOS eine wichtige Rolle bei der Koordinierung der Arbeit zwischen diesen Behörden und anderen Stellen der Mitgliedstaaten sowie dem OLAF zu. In den EU-Rechtsvorschriften zur Schaffung der AFCOS42 werden keine Angaben zu deren Zuständigkeitsbereich, organisatorischen Rahmenbedingungen oder Aufgaben gemacht. Die Kommission hat diesbezüglich in einem weiteren Leitfaden43 spezifische Empfehlungen vorgelegt (siehe Ziffer 06). Es ist jedoch Aufgabe der einzelnen Mitgliedstaaten, spezifische Regelungen für ihre AFCOS festzulegen.
67Aufgrund ihrer Ressourcen und organisatorischen Regelungen sollten die AFCOS in der Lage sein, Betrugsmeldungen ordnungsgemäß zu überwachen und die Arbeit aller an der Betrugsbekämpfung beteiligten Stellen zu koordinieren. Der Hof stellte fest, dass sich die AFCOS in den sieben besuchten Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre Strukturen und Befugnisse deutlich voneinander unterschieden, da keine klaren Leitlinien vorhanden waren. Das Spektrum reichte von kleinen Dienststellen ohne Ermittlungsbefugnisse bis hin zu komplexen Strukturen, die vollumfänglich zur Durchführung verwaltungsrechtlicher Untersuchungen befugt sind (siehe Abbildung 10). Die französische und die lettische AFCOS verfügen trotz der Unterschiede zwischen den beiden Ländern hinsichtlich ihrer Größe und der Höhe der erhaltenen Mittel über die gleiche Zahl an Mitarbeitern.
Abbildung 10
Überblick über die AFCOS in den vom Hof besuchten Mitgliedstaaten
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Bei der ungarischen AFCOS sind keine geeigneten Regelungen für die Berichterstattung über die von dem Mitgliedstaat durchgeführten Tätigkeiten zum Schutz der finanziellen Interessen der EU vorhanden. Diese AFCOS veröffentlicht keine Berichte über diese Tätigkeiten oder über potenziellen Betrug bei den EU-Kohäsionsausgaben (siehe Abbildung 10).
69Am 23. Mai 2018 legte die Kommission einen Vorschlag zur Änderung der OLAF-Verordnung vor44. Der Unterbreitung dieses Vorschlags ging im Jahr 2017 eine Evaluierung45 voraus, in der die Kommission der Frage nachging, wie die OLAF-Verordnung angewandt wird. In der Evaluierung heißt es, die Wirksamkeit der AFCOS werde am stärksten dadurch beeinträchtigt, dass diese Stellen in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich eingerichtet und mit unterschiedlichen Befugnissen ausgestattet wurden.
70Am 22. November 2018 gab der Hof eine Stellungnahme zu dem Vorschlag ab46. Darin vertrat er die Auffassung, dass der Vorschlag nicht ausreichend zu einer einheitlicheren und wirksameren Implementierung der AFCOS in allen Mitgliedstaaten beiträgt, da er lediglich auf die Zusammenarbeit der Stellen mit dem OLAF eingeht und deren Mindestaufgaben nicht präzisiert.
Unzureichende Berichterstattung und Weiterverfolgung in Bezug auf den Stand der Betrugsfälle
71Um den Stand eines Falles weiterzuverfolgen, ist es möglicherweise nötig, an der Betrugsbekämpfung beteiligte Stellen zu konsultieren, die nicht Teil der Verwaltungs- und Kontrollstrukturen der OP sind. Nach Auffassung des Hofes sollten die AFCOS als zentrale Strukturen, die mit dem OLAF im Bereich der Betrugsbekämpfung zusammenarbeiten, stets einen Überblick über Betrugsfälle im Zusammenhang mit EU-Mitteln haben. Daher sollten die AFCOS in der Lage sein, Informationen über den Stand der Fälle zu erhalten, in denen die zuständigen Behörden ihrer Mitgliedstaaten ermitteln. Darüber hinaus sollten ihnen statistische Daten zur Anzahl und zu den Fortschritten der Fälle vorliegen, die Gegenstand von Ermittlungen sind, wobei die Vertraulichkeit der Verfahren gebührend zu berücksichtigen ist.
72In fünf der vom Hof besuchten Mitgliedstaaten waren die AFCOS im Hinblick auf die der Kommission gemeldeten Fälle nur unzureichend über den Stand der Ermittlungen informiert. In Rumänien und Ungarn stellte der Hof fest, dass es keinen formalen Mechanismus für eine systematische Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsbehörden, den AFCOS und den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden gab; daher hatten die AFCOS keinen vollständigen Überblick über die laufenden Ermittlungen zu EU-geförderten Projekten. Allerdings wendet sich die rumänische AFCOS regelmäßig an die Strafverfolgungsbehörden, um Informationen zum Stand der laufenden Ermittlungen zu erhalten, von denen sie Kenntnis hat. In Spanien geht die AFCOS ebenfalls proaktiv vor, indem sie Daten zu den laufenden Ermittlungen anfordert. Dennoch kann sie nicht gewährleisten, dass aktualisierte Informationen an die Kommission weitergeleitet werden.
73In sechs der sieben Mitgliedstaaten stieß der Hof auf Probleme bezüglich der Koordinierung und des Informationsaustauschs. Zudem konnte er die im IMS erfassten Informationen zu Fällen von mutmaßlichem und bestätigtem Betrug im Zusammenhang mit EU-Mitteln nicht mit den Informationen, die den verschiedenen Behörden vorlagen, in Übereinstimmung bringen. Diese Feststellung wirft Fragen hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Informationen auf, die der Kommission gemeldet werden. Die betroffenen Mitgliedstaaten verfügen weder über eine zentrale Datenbank noch über zentralisierte statistische Aufzeichnungen sonstiger Art, die einen Überblick über die Art und den Stand von Betrugsfällen vermitteln könnten (siehe Ziffer 48).
Häufig fehlen Koordinierungsmechanismen
74Auf Ebene der Mitgliedstaaten fällt der Schutz der finanziellen Interessen der EU nicht nur in den Zuständigkeitsbereich der für die Ausführung der Kohäsionsmittel zuständigen Behörden oder der AFCOS, sondern ist auch Aufgabe anderer beteiligter Stellen, darunter Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden, Wettbewerbsbehörden, Vergabebehörden und – je nach Land – bestimmte sonstige Einrichtungen. Die Mitgliedstaaten sollten angemessene Koordinierungsmechanismen einrichten, damit die verschiedenen Akteure Informationen über die ergriffenen und geplanten Maßnahmen sowie Empfehlungen zur Verbesserung austauschen können.
75Die meisten der vom Hof besuchten Mitgliedstaaten verfügen jedoch nicht über geeignete Koordinierungsmechanismen, die sämtliche relevanten Stellen, die im Bereich der Bekämpfung von Betrug im Zusammenhang mit EU-Kohäsionsmitteln tätig sind, einbeziehen.
76In Bulgarien, wo 60 % der vom Hof untersuchten Fälle von der Staatsanwaltschaft abgelehnt oder eingestellt worden waren, werden die Gründe für die Ablehnung weder von der AFCOS noch von den Verwaltungsbehörden systematisch analysiert. In Ungarn hat die AFCOS keinen Überblick über die im Rahmen des Betrugsbekämpfungsprozesses tatsächlich durchgeführten Maßnahmen oder den Stand der gemeldeten Fälle. Die von der rumänischen AFCOS durchgeführten Koordinierungstätigkeiten beruhen ausschließlich auf bilateralen Vereinbarungen mit den einzelnen Programmbehörden, es gibt jedoch keinen nationalen multilateralen Koordinierungsmechanismus, an dem sämtliche Interessenträger beteiligt sind. In Spanien steht die Schaffung einer Einrichtung, welche die AFCOS durch die Koordinierung sämtlicher im Bereich der Betrugsbekämpfung tätigen Stellen unterstützen soll, seit der Gründung der AFCOS im Jahr 2016 noch aus47.
77In Lettland fand der Hof ein Beispiel für ein vorbildliches Verfahren im Bereich der Koordinierung (siehe Kasten 5).
Kasten 5
Koordinierung zwischen den Verwaltungsbehörden und den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden
In Lettland lehnten die Ermittlungsbehörden in einer Reihe von Fällen, die von der Verwaltungsbehörde und den von ihr beauftragten zwischengeschalteten Stellen ermittelt worden waren, die Eröffnung eines Strafverfahrens ab. Um die Gründe für diese Zurückweisung von Fällen zu analysieren und festzustellen, ob die Arbeitsverfahren geändert werden müssen, richtete die AFCOS eine interinstitutionelle Arbeitsgruppe ein, an der sich die Behörden, das Justizministerium, die Polizei und die Staatsanwaltschaft beteiligten. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe treffen sich nun regelmäßig, um Betrugsverdachtsfälle im Zusammenhang mit der Ausführung von Kohäsionsmitteln zu untersuchen.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
78Im Zuge dieser Prüfung bewertete der Hof, ob die Verwaltungsbehörden ihre Pflichten auf jeder Stufe des Betrugsbekämpfungsprozesses – d. h. in Bezug auf die Prävention und Aufdeckung von Betrug sowie die Reaktion auf Betrugsfälle (einschließlich der Berichterstattung über Betrug und der Wiedereinziehung rechtsgrundlos gezahlter Beträge) – ordnungsgemäß erfüllt hatten. Zu diesem Zweck bewertete der Hof, ob die Verwaltungsbehörden
- Leitsätze zur Betrugsbekämpfung ausgearbeitet, eine gründliche Bewertung der Risiken durchgeführt und geeignete Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung ergriffen hatten;
- in Abstimmung mit den AFCOS und anderen zuständigen Betrugsbekämpfungsstellen angemessen auf die aufgedeckten Betrugsfälle reagiert hatten.
Insgesamt kommt der Hof zu dem Schluss, dass sich zwar die Ermittlung von Betrugsrisiken und die Ausarbeitung von Präventionsmaßnahmen durch die Verwaltungsbehörden verbessert haben, dass diese die Aufdeckung von Betrug sowie die diesbezügliche Reaktion und Koordinierung jedoch noch verstärken müssen.
Die Verwaltungsbehörden haben im Allgemeinen keine spezifischen Leitsätze zur Betrugsbekämpfung aufgestellt
80Die Verwaltungsbehörden arbeiten selten formelle Leitsätze zur Betrugsbekämpfung oder ein ähnliches Einzeldokument aus, um die von ihnen infolge einer Risikobewertung konzipierten Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung von Betrug sowie zur Reaktion auf Betrugsfälle (Korrektur und Strafverfolgung) darzulegen. Nach Auffassung des Hofes ist die Ausarbeitung und Veröffentlichung formeller Leitsätze zur Betrugsbekämpfung in Form eines eigenständigen Einzeldokuments von wesentlicher Bedeutung, um die Entschlossenheit der Verwaltungsbehörden zur aktiven Betrugsbekämpfung zu demonstrieren. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil nur 10 Mitgliedstaaten gemäß der Empfehlung der Kommission eine nationale Betrugsbekämpfungsstrategie angenommen haben. Der Hof ist der Ansicht, dass das Fehlen von Bestimmungen, wonach die Verwaltungsbehörden formelle Leitsätze zur Betrugsbekämpfung aufzustellen haben, eine Schwachstelle bei der Gestaltung des Rahmens für die Betrugsbekämpfung für den Zeitraum 2014-2020 darstellt (siehe Ziffern 18-21).
Empfehlung 1 – Ausarbeitung formeller Strategien und Leitsätze zur Bekämpfung von Betrug zulasten von EU-Mitteln- Mitgliedstaaten, die nicht über eine nationale Betrugsbekämpfungsstrategie verfügen (siehe Ziffer 20 und Fußnote 19), sollten eine solche Strategie ausarbeiten. Die Strategie sollte zumindest
- auf der Bewertung bestehender Risiken beruhen und unter Einbeziehung kompetenter Akteure aus verschiedenen Bereichen (mittelverwaltende Stellen der EU, für Betrugsfälle zuständige Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden usw.) ausgearbeitet werden;
- konkrete Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung von Betrug, zur Ermittlung und Strafverfolgung in Betrugsfällen sowie zur Wiedereinziehung von Mitteln und Verhängung von Sanktionen vorsehen;
- spezifische Regelungen zur Überwachung der Umsetzung von Betrugsbekämpfungsmaßnahmen und zur Messung von Ergebnissen enthalten;
- Zuständigkeiten im Hinblick auf die Umsetzung, Überwachung, Koordinierung und vergleichende Bewertung von Betrugsbekämpfungsmaßnahmen ausdrücklich zuweisen.
- Sofern auf nationaler Ebene keine ausreichend detaillierte Strategie vorliegt, sollte die Kommission von den Verwaltungsbehörden verlangen, formelle Leitsätze oder Erklärungen zur Betrugsbekämpfung zu verabschieden, die sich auf die in ihre Zuständigkeit fallenden OP beziehen. Diese Leitsätze sollten als zentrales Referenzdokument dienen, in dem Folgendes dargelegt wird: die Strategien zur Schaffung einer Kultur der Nichtduldung von Betrug, die Festlegung der Zuständigkeiten bei der Betrugsbekämpfung, die Meldeverfahren für Fälle von Betrugsverdacht sowie die erforderliche Zusammenarbeit verschiedener Akteure gemäß Kernanforderung 7 und den Leitlinien der Kommission.
Zeitrahmen: bis Ende 2019.
81Im Einklang mit der Nulltoleranzpolitik gegenüber Betrug könnten die gesetzgebenden Organe während der Verhandlungen und des Annahmeprozesses für die Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für den Zeitraum 2021-2027 erwägen, die Annahme von nationalen Strategien oder Leitsätzen zur Betrugsbekämpfung verbindlich vorzuschreiben.
Betrugsrisiken werden von den Verwaltungsbehörden systematisch bewertet, dieser Prozess könnte jedoch weiter verbessert werden
82Gemäß den Bestimmungen des Kontrollrahmens für den Zeitraum 2014-2020 werden Betrugsrisiken von den Verwaltungsbehörden nun systematisch bewertet (größtenteils anhand des von der Kommission bereitgestellten Leitfadens), was im Hinblick auf die Betrugsbekämpfung eine Verbesserung darstellt (siehe Ziffern 22-23). Allerdings gehen einige der vom Hof besuchten Verwaltungsbehörden immer noch viel zu mechanisch vor und beziehen zusätzliche Informationen anderer kompetenter Akteure wie AFCOS oder Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden nicht mit ein.
83Die Verwaltungsbehörden kommen im Allgemeinen zu dem Schluss, dass ihre bestehenden Betrugsbekämpfungsmaßnahmen zur Abdeckung der Betrugsrisiken ausreichen. Nach Ansicht des Hofes ist diese Schlussfolgerung möglicherweise zu optimistisch (siehe Ziffern 24-28).
Empfehlung 2 – Robustere Bewertung des Betrugsrisikos durch Einbeziehung einschlägiger externer Akteure in den BewertungsprozessDie Verwaltungsbehörden – insbesondere diejenigen, die für Programme mit besonders hohem Risiko und hohem Finanzvolumen zuständig sind – sollten sich darum bemühen, einschlägige externe Akteure mit nachweislicher Erfahrung im Bereich der Betrugsbekämpfung (z. B. Vertreter von Strafverfolgungsbehörden) in die Bewertung der Risiken und der Eignung bestehender Betrugsbekämpfungsmaßnahmen einzubeziehen.
Zeitrahmen: bis Ende 2019.
Die Verwaltungsbehörden haben ihre Maßnahmen zur Betrugsprävention verbessert, aber keine bedeutenden Fortschritte in Richtung einer proaktiven Betrugsaufdeckung erzielt
84Bei den für den Zeitraum 2014-2020 ausgearbeiteten zusätzlichen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen handelt es sich in erster Linie um Präventionsmaßnahmen, die umfassender sind als die für den Zeitraum 2007-2013 festgelegten Maßnahmen (siehe Ziffern 29-32).
85Die Maßnahmen zur Betrugsaufdeckung im Zeitraum 2014-2020 entsprechen jedoch weitgehend den Maßnahmen des Zeitraums 2007-2013, die innerhalb eines schwächeren Kontrollrahmens konzipiert wurden (siehe Ziffern 33-35). Die Verwaltungsbehörden machen zur Betrugsaufdeckung nicht ausreichend von der Datenanalyse Gebrauch, und die meisten der vom Hof besuchten Mitgliedstaaten schöpften das Potenzial des Instruments Arachne nicht vollständig aus (siehe Ziffern 36-38).
86Die Verwaltungsbehörden erzielten keine bedeutenden Fortschritte in Richtung einer „proaktiven“ Betrugsaufdeckung, beispielsweise indem sie eigens Kontrollen zu Absprachen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornahmen (siehe Ziffer 33). Obwohl die Verwaltungsbehörden Betrugs-Hotlines und Mechanismen für Hinweisgeber als Methoden zur Betrugsaufdeckung für sehr wirksam erachten, setzt nicht einmal die Hälfte der an der Umfrage des Hofes beteiligten Verwaltungsbehörden diese Methoden auch tatsächlich ein (siehe Ziffern 34-35).
87Zudem ist es nicht möglich, die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Betrugsprävention oder -aufdeckung zu beurteilen, da es den Verwaltungsbehörden an Verfahren zur Überwachung der Umsetzung dieser Maßnahmen und zur Bewertung ihrer Wirksamkeit fehlt (siehe Ziffern 40-41).
Empfehlung 3 – Verbesserung der Betrugsaufdeckungsmaßnahmen durch eine generelle Verwendung von Instrumenten zur Datenanalyse und die Förderung des Einsatzes sonstiger „proaktiver“ Betrugsaufdeckungsmethoden- Verwaltungsbehörden, die zurzeit keine Instrumente zur Analyse von Daten im Hinblick auf Betrug (insbesondere Arachne) verwenden, sollten solche Instrumente nutzen, da sie das Potenzial bieten, Betrugsrisiken auf systematische und kosteneffiziente Art und Weise zu ermitteln.
- Die Kommission sollte in ihrer Aufsichtsfunktion im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung aktiv den Einsatz „proaktiver“ und anderer neuer Betrugsaufdeckungsmethoden fördern, indem sie regelmäßig bestimmte Beispiele für bewährte Verfahren verbreitet.
- Zusammenarbeit mit den AFCOS sollte die Kommission Mindestregelungen für die Überwachung und Bewertung der Umsetzung und Wirksamkeit von Maßnahmen zur Betrugsprävention und -aufdeckung ausarbeiten.
Zeitrahmen: bis Ende 2021.
88Während der Verhandlungen und des Annahmeprozesses für die Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für den Zeitraum 2021-2027 könnten die gesetzgebenden Organe erwägen, die Verwendung geeigneter Instrumente zur Datenanalyse (z. B. Arachne) für den Zeitraum 2021-2027 verbindlich vorzuschreiben, um die Wirksamkeit der Betrugsaufdeckung zu relativ geringen Kosten zu verbessern.
Die Verwaltungsbehörden melden nicht alle Betrugsfälle zum Zwecke der Veröffentlichung in den PIF-Berichten und leiten sie nicht an die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden weiter
89Was die Reaktion auf Betrugsfälle betrifft, stellte der Hof fest, dass die Verwaltungsbehörden nicht alle Betrugsfälle melden und sich dies auf die Zuverlässigkeit der in den PIF-Berichten veröffentlichten Betrugsaufdeckungsquoten auswirkt (siehe Ziffern 48-57). Zudem informieren mehrere Verwaltungsbehörden die Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden nicht systematisch über Betrugsverdachtsfälle (siehe Ziffern 58-60). Der Hof stellte fest, dass die Verwaltungsbehörden ihr Hauptaugenmerk auf die Herausnahme von EU-Mitteln legen und die Schadensbeträge nicht immer von den Betrügern wiedereinziehen oder abschreckende Strafen oder Sanktionen verhängen (siehe Ziffern 61-62). Auch werden die möglichen horizontalen Auswirkungen von Betrugsverdachtsfällen von den Verwaltungsbehörden nicht zufriedenstellend bewertet (siehe Ziffern 63-64 und Kasten 4). Durch all diese Aspekte wird die abschreckende Wirkung von Betrugsermittlungen erheblich gemindert.
Empfehlung 4 – Überwachung der Mechanismen zur Reaktion auf Betrugsfälle, um sicherzustellen, dass sie einheitlich angewandt werden- Die Kommission sollte für die Stellen der Mitgliedstaaten im Allgemeinen und die Verwaltungsbehörden im Besonderen klare Anforderungen zur Berichterstattung über Betrug festlegen. Diese sollten sich auf die übliche Auslegung von Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU gemäß der neuen PIF-Richtlinie stützen.
- Die Kommission sollte die Verwaltungsbehörden verpflichten, die horizontalen Auswirkungen von mutmaßlichem Betrug auf ihre Verwaltungs- und Kontrollsysteme systematisch zu bewerten.
- Die Kommission sollte die Verwaltungsbehörden dazu anhalten, die Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden über alle Betrugsverdachtsfälle zu informieren.
- Um eine wirksame Abschreckung zu gewährleisten, sollten die Verwaltungsbehörden angemessene Maßnahmen ergreifen, um öffentliche Mittel bei den Betrügern wiedereinzuziehen und nicht nur die betroffenen Beträge aus den für eine EU-Förderung geltend gemachten Ausgaben herauszunehmen.
Zeitrahmen: bis Ende 2019.
90Während der Verhandlungen über die Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für den Programmplanungszeitraum 2021-2027 könnten die gesetzgebenden Organe erwägen, bestimmte Sanktionen und Strafen für Personen einzuführen, die Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU zu verantworten haben. Insbesondere könnten diese Maßnahmen wie in anderen Politikbereichen eine spezifische Geldstrafe umfassen, deren Höhe von den finanziellen Auswirkungen der Unregelmäßigkeit abhängt, oder einen Mechanismus vorsehen, wonach der Verantwortliche für eine bestimmte Anzahl von Jahren von EU-Förderung ausgeschlossen wird.
Die Betrugsbekämpfung wird durch die unzureichende Festlegung der Aufgaben der AFCOS in der Verordnung und das geringe Maß an Koordinierung zwischen den Stellen der Mitgliedstaaten erschwert
91Was die Koordinierung der Tätigkeiten im Bereich der Betrugsbekämpfung betrifft, so stellte der Hof fest, dass sich die AFCOS im Hinblick auf ihre Organisation und ihre Ressourcen deutlich voneinander unterscheiden (siehe Ziffern 66-70). In diesem Zusammenhang werden die Mindestaufgaben einer AFCOS im Vorschlag der Kommission zur Änderung der OLAF-Verordnung nicht ausreichend präzisiert. Die Berichterstattung und die Weiterverfolgung in Bezug auf den Stand der Betrugsfälle sind unzureichend (siehe Ziffern 71-73), da die AFCOS nicht immer Zugang zu Informationen über den Stand der Fälle haben, die Gegenstand von Ermittlungen sind. Die Tatsache, dass es häufig an Koordinierung fehlt, beeinträchtigt die Wirksamkeit der Betrugsbekämpfung (siehe Ziffern 74-78).
Empfehlung 5 – Förderung einer Erweiterung der Aufgaben der AFCOS, um die Koordinierung zu verbessernDie Kommission sollte die Mitgliedstaaten auffordern, die Koordinierungsfunktion der AFCOS dahin gehend zu erweitern, dass sich diese nicht nur auf die Verwaltungsbehörden, sondern auch auf sämtliche nationalen Stellen, die mit der Ermittlung und Strafverfolgung bei Betrugsverdacht betraut sind, bezieht.
Zeitrahmen: bis Ende 2019.
92Die gesetzgebenden Organe der EU sollten zwar gemäß dem Subsidiaritätsprinzip das Recht der Mitgliedstaaten auf eine flexible Festlegung und Organisation ihrer Betrugsbekämpfungstätigkeiten wahren, könnten jedoch in Erwägung ziehen, Mindestaufgaben für die AFCOS festzulegen. Dies könnte beispielsweise im Zusammenhang mit dem laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Änderung der OLAF-Verordnung geschehen, um eine wirksame Koordinierungsfunktion der AFCOS zu gewährleisten. Als Aufgaben der AFCOS könnte zumindest Folgendes festgelegt werden:
- Funktion als Bindeglied zwischen den Verwaltungsbehörden (und sonstigen Programmbehörden) und den übrigen an der Betrugsbekämpfung beteiligten Stellen der Mitgliedstaaten, insbesondere Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden;
- Überwachung des Standes der einzelnen Fälle und Berichterstattung an die Kommission über die Weiterverfolgung durch die zuständigen Verwaltungsbehörden, wobei der Vertraulichkeit der laufenden Ermittlungen gebührend Rechnung zu tragen ist;
- mit Blick auf die Erstellung der PIF-Berichte durch die Kommission: jährliche Bescheinigung darüber, dass die im IMS erfassten Informationen vollständig, zuverlässig, genau und aktuell sind.
Dieser Bericht wurde von Kammer II unter Vorsitz von Frau Iliana IVANOVA, Mitglied des Rechnungshofs, in ihrer Sitzung vom 27. März 2019 in Luxemburg angenommen.
Für den Rechnungshof

Klaus-Heiner LEHNE
Präsident
Akronyme und Abkürzungen
AFCOS: Anti-fraud coordination service (Koordinierungsstelle für die Betrugsbekämpfung)
EFRE: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung
ESF: Europäischer Sozialfonds
IMS: Irregularity management system (Berichterstattungssystem für Unregelmäßigkeiten)
OLAF: Office européen de lutte anti-fraude (Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung)
OP: Operationelles Programm
Endnoten
1 Die Stellen, die sich auf die EU-Einnahmen beziehen, wurden vom Hof aus diesen Begriffsbestimmungen herausgenommen.
2 Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften („PIF-Verordnung“) (ABl. L 312 vom 23.12.1995, S. 1).
3 Artikel 1 Buchstabe a des Anhangs des Rechtsakts des Rates vom 26. Juli 1995 über die Ausarbeitung des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften („PIF-Übereinkommen“).
4 Zu den ESI-Fonds zählen des Weiteren der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und der Europäische Meeres- und Fischereifonds (EMFF).
5 Artikel 58 Buchstabe h, Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 98 Absatz 1 der konsolidierten Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 (ABl. L 210 vom 31.7.2006, S. 25) sowie Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe a, Artikel 28 Absatz 1 Buchstaben e und n, Artikel 28 Absatz 2, Artikel 30 und Artikel 33 Absatz 2 der konsolidierten Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1828/2006 der Kommission vom 8. Dezember 2006 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 371 vom 27.12.2006, S. 1).
6 Artikel 72 und Artikel 125 Absatz 4 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320), im Folgenden als „Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen“ bezeichnet. Im vorliegenden Bericht wird der Ausdruck „Prozess der Betrugsbekämpfung“/„Betrugsbekämpfungsprozess“ verwendet, der dem von der Kommission in ihren Leitlinien verwendeten Ausdruck „Zyklus der Betrugsbekämpfung“/„Betrugsbekämpfungszyklus“ entspricht.
7 Leitfaden der Kommission für die Mitgliedstaaten und die für die Programmdurchführung zuständigen Behörden zur Bewertung des Betrugsrisikos und zu wirksamen und angemessenen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen (EGESIF 14-0021), S. 11.
8 Abschnitt 2.2.1 der gemeinsamen Betrugsbekämpfungsstrategie 2015-2020 für den EFRE, KF, ESF, EHAP, EGF, EUSF und EMFF (Ares (2015) 6023058) vom 23. Dezember 2015 (in englischer Sprache abrufbar unter http://ec.europa.eu/sfc/sites/sfc2014/files/sfc-files/JOINT%20ANTI-FRAUD-STRATEGY2015-2020.pdf).
9 Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. L 248 vom 18.9.2013, S. 1), in der durch die Verordnung (EU, Euratom) 2016/2030 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 (ABl. L 317 vom 23.11.2016, S. 1) geänderten Fassung.
10 „Guidance note on main tasks and responsibilities of an Anti-Fraud Co-ordination Service (AFCOS)“, 13. November 2013, Ares (2013) 3403880.
11 Das Akronym „PIF“ steht für den französischen Ausdruck „protection des intérêts financiers“ und bezeichnet im Allgemeinen den Schutz der finanziellen Interessen der EU.
12 Artikel 17 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2017/1371.
13 COM(2018) 553 final vom 3. September 2018.
14 Begleitendes Arbeitsdokument „Statistical evaluation of irregularities reported for 2017“ des PIF-Berichts 2017, S. 93. Die Betrugsaufdeckungsquote entspricht dem Verhältnis zwischen den Beträgen, die im Rahmen der als Betrug gemeldeten Fälle ausgezahlt wurden, und den im Programmplanungszeitraum 2007-2013 geleisteten Zahlungen (S. 91). Nicht aufgedeckte oder nicht gemeldete Betrugsfälle finden keinen Niederschlag in dem Indikator.
15 Leitfaden der Kommission für die Mitgliedstaaten und die für die Programmdurchführung zuständigen Behörden zur Bewertung des Betrugsrisikos und zu wirksamen und angemessenen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen, S. 11 (EGESIF 14-0021 vom 16. Juni 2014).
16 Leitfaden der Kommission für die Mitgliedstaaten und die für die Programmdurchführung zuständigen Behörden zur Bewertung des Betrugsrisikos und zu wirksamen und angemessenen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen (EGESIF 14-0021 vom 16. Juni 2014), Handbuch des OLAF „Die Rolle der Prüfer der Mitgliedstaaten bei der Prävention und Aufdeckung von Betrug“ (Oktober 2014) sowie „Leitlinien für die Kommission und die Mitgliedstaaten für eine gemeinsame Methodik zur Bewertung von Verwaltungs- und Kontrollsystemen in den Mitgliedstaaten“ (EGESIF 14-0010-final vom 18. Dezember 2014).
17 Artikel 30 und Anhang IV der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 480/2014 der Kommission vom 3. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 138 vom 13.5.2014, S. 5). Darin sind Kernanforderungen an Verwaltungs- und Kontrollsysteme und deren Klassifizierung im Hinblick auf ihr wirksames Funktionieren – insbesondere die Kernanforderung 7 (wirksame Umsetzung angemessener Vorbeugungsmaßnahmen gegen Betrug) – festgelegt.
18 In diesem Sinne entspricht das Konzept formeller Leitsätze zur Betrugsbekämpfung dem Programm für Betrugsrisikomanagement, das die Association of Certified Fraud Examiners (ACFE) in ihrem „Fraud Examiners Manual“ oder im zusammen mit dem Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission (COSO) verfassten „Fraud Risk Management Guide“ festgelegt hat, sowie den vom Chartered Institute of Public Finance and Accountancy (CIPFA) in seinem „Code of practice on managing the risk of fraud and corruption“ definierten formellen Strategien zur Betrugs- und Korruptionsbekämpfung.
19 In 10 der 28 Mitgliedstaaten liegen nationale Betrugsbekämpfungsstrategien vor: Bulgarien, Tschechien, Griechenland, Frankreich, Kroatien, Italien, Lettland, Ungarn, Malta und Slowakei. Auch Rumänien verfügt über eine Strategie, die jedoch mittlerweile nicht mehr aktuell ist (Quelle: PIF-Bericht 2017, S. 15). In den folgenden Mitgliedstaaten wurde keine nationale Strategie angenommen: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Irland, Spanien, Zypern, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, Finnland, Schweden und Vereinigtes Königreich.
20 Artikel 30 und Anhang IV.
21 Artikel 11 und Anhang III des Vorschlags der Kommission für eine Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für den Zeitraum 2021-2027, COM(2018) 375 vom 29. Mai 2018.
22 Der Leitfaden enthält ein von der Kommission ausgearbeitetes Modell zur Bewertung des Betrugsrisikos, das auf 31 inhärenten Standardrisiken beruht, die wiederum in 40 Risiken unterteilt sind und denen 128 empfohlene Kontrollen zur Risikominderung zugeordnet sind, welche sich auf vier allgemeine Verwaltungsprozesse beziehen (Auswahl der Antragsteller, Durchführung und Überprüfung der Vorhaben, Bescheinigung und Zahlung sowie direkte Vergabe von Aufträgen durch die Verwaltungsbehörden). Allerdings werden Finanzinstrumente oder Risiken in Verbindung mit staatlichen Beihilfen in dem Dokument nicht behandelt.
23 „DG REGIO – Preventing fraud and corruption in the European Structural and Investment Funds – taking stock of practices in the EU Member States“, Oktober 2018, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/regional_policy/en/information/publications/studies/2018/study-on-the-implementation-of-article-125-4-c-of-the-regulation-eu-no-1303-2013-laying-down-the-common-provisions-on-the-european-structural-and-investment-fund-in-member-states.
24 Nähere Informationen zu den Integritätspakten finden sich auf der Website der Kommission unter http://ec.europa.eu/regional_policy/en/policy/how/improving-investment/integrity-pacts/.
25 Auf der Grundlage der Indikatoren, die die Kommission in ihrem „Informationsvermerk zu Betrugsindikatoren für den EFRE, den ESF und den Kohäsionsfonds“ vom 18. Februar 2009 veröffentlichte.
26 Es liegt in der Natur der Sache, dass Täter – wenn es um Betrug zulasten von Mitteln der EU-Kohäsionspolitik geht – erkennen, worin die Einschränkungen der bestehenden Kontrollen liegen, und versuchen, diese auszunutzen, um unrechtmäßig direkte oder indirekte Vorteile zu erlangen.
27 Insbesondere die von der Association of Certified Fraud Examiners (ACFE) veröffentlichte Studie „Report to the Nations – 2018 Global Study on occupational fraud and abuse“. Dieser Studie zufolge wird Betrug hauptsächlich aufgrund von Hinweisen aufgedeckt, die von Mitarbeitern, Kunden, Wettbewerbern oder aus anonymen Quellen stammen.
28 Die Webseite „Meldung von Betrugsfällen“ ist abrufbar unter https://ec.europa.eu/anti-fraud/olaf-and-you/report-fraud_de.
29 Ziffern 3, 12, 21, 23 und 32 der Stellungnahme des Hofes Nr. 4/2018 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden.
30 Siehe Pressemitteilung der Kommission IP/19/1604 „Europäische Kommission begrüßt vorläufige Einigung für besseren Schutz von Hinweisgebern in der EU“ (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-19-1604_de.htm).
31 Leitfaden der Kommission für die Mitgliedstaaten und die für die Programmdurchführung zuständigen Behörden zur Bewertung des Betrugsrisikos und zu wirksamen und angemessenen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen (EGESIF 14-0021).
32 S. 51 der Studie „DG REGIO – Preventing fraud and corruption in the European Structural and Investment Funds – taking stock of practices in the EU Member States“.
33 Die beiden Unregelmäßigkeiten mit einem Schadensvolumen von nahezu 0,6 Milliarden Euro wurden von der Slowakei gemeldet. Definitionsgemäß befinden sich diese Fälle in einer frühen Phase des Betrugsbekämpfungsprozesses, sodass sich noch erhebliche Änderungen ergeben können.
34 Artikel 122 Absatz 2 der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen; Artikel 3 und 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/1970 der Kommission vom 8. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates um besondere Bestimmungen über die Meldung von Unregelmäßigkeiten (ABl. L 293 vom 10.11.2015, S. 1); Artikel 28 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1828/2006 der Kommission (Durchführungsvorschriften).
35 Sonderbericht Nr. 01/2019 des Hofes: „Bekämpfung von Betrug bei den EU-Ausgaben: Es muss gehandelt werden“, Ziffern 21-32.
36 Sonderbericht Nr. 01/2019: „Bekämpfung von Betrug bei den EU-Ausgaben: Es muss gehandelt werden“, Ziffer 29.
37 Anhang IV der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 480/2014 der Kommission vom 3. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013.
38 Der wiedereinzuziehende Betrag belief sich für diese 84 Betrugsfälle auf 7 Millionen Euro.
39 Sonderbericht Nr. 01/2019: „Bekämpfung von Betrug bei den EU-Ausgaben: Es muss gehandelt werden“, Ziffern 112-115.
40 Berechnet auf der Grundlage der im IMS erfassten Angaben. Wie bereits zuvor erläutert, sind diese Angaben nicht immer genau.
41 Bei der ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung handelt es sich um eine erste schriftliche Bewertung einer zuständigen Behörde, in der diese unbeschadet einer weiteren Prüfung des Falles zu dem Schluss kommt, dass eine Unregelmäßigkeit möglicherweise betrügerisch ist. Es gibt verschiedene Formen erster amtlicher oder gerichtlicher Feststellungen, beispielsweise von einer Verwaltungsbehörde oder einer zwischengeschalteten Stelle erstellte Verwaltungsprüfberichte, Prüfungsberichte der Prüfbehörde, der Kommission oder des Hofes oder Anklagebeschlüsse eines Staatsanwalts oder Richters, die zu offiziellen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren führen.
42 Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. L 248 vom 18.9.2013, S. 1), in der durch die Verordnung (EU, Euratom) 2016/2030 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 (ABl. L 317 vom 23.11.2016, S. 1) geänderten Fassung.
43 „Guidance note on main tasks and responsibilities of an Anti-Fraud Co-ordination Service (AFCOS)“, 13. November 2013, Ares (2013) 3403880.
44 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Europäischen Staatsanwaltschaft und die Wirksamkeit der Untersuchungen des OLAF (COM(2018) 338 final; 2018/0170 (COD)).
45 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Evaluierung der Anwendung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 (SWD(2017) 332 final).
46 Stellungnahme Nr. 8/2018 zu dem Vorschlag der Kommission vom 23. Mai 2018 zur Änderung der OLAF-Verordnung Nr. 883/2013 im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Europäischen Staatsanwaltschaft und die Wirksamkeit der Untersuchungen des OLAF – siehe insbesondere die Ziffern 16, 38 und 39.
47 Der Königliche Erlass zur Regelung des Aufbaus und der Funktionsweise dieser Einrichtung wurde letztendlich am 1. März 2019 angenommen und am 19. März 2019 veröffentlicht.
48 Link zur Studie: https://ec.europa.eu/regional_policy/en/information/publications/studies/2018/study-on-the-implementation-of-article-125-4-c-of-the-regulation-eu-no-1303-2013-laying-down-the-common-provisions-on-the-european-structural-and-investment-fund-in-member-states
49 Im Leitfaden der Kommission wird erklärt: „Je nach den Ergebnissen dieser Prüfungen und den ermittelten Betrugsrisiken können Folgeprüfungen in der erforderlichen Häufigkeit durchgeführt werden.“ Ein gezieltes und angemessenes Vorgehen wird empfohlen.
50 Siehe SWD(2018) 386 final, Teil 2/2, Nummer 4.3, S. 86-88.
51 Siehe COM(2015) 386 final, Nummer 4.2.2, S. 25.
52 ABl. L 283 vom 31.10.2017, S. 1.
53 Siehe den PIF-Bericht 2014 - COM(2015) 386 final vom 31.7.2015, Empfehlung 1, S. 34.
54 Ares(2016)6943965 vom 13.12.2016, erarbeitet im Rahmen der COCOLAF-Gruppe „Betrugsbekämpfung“ in Zusammenarbeit mit nationalen Experten.
55 Siehe SWD(2016) 237 final, Punkt 2.4.
56 ARES(2017)5692256 vom 21.11.2017.
57 Siehe SWD(2015) 154 final, Nummer 3.2, S. 57-61.
58 Siehe SWD(2015) 154 final, Nummer 3.2, S. 57-61.
Verfahrensschritt | Datum |
---|---|
Annahme des Prüfungsplans/Prüfungsbeginn | 10.1.2018 |
Offizielle Übermittlung des Berichtsentwurfs an die Kommission (oder eine andere geprüfte Stelle) | 23.1.2019 |
Annahme des endgültigen Berichts nach Abschluss des kontradiktorischen Verfahrens | 27.3.2019 |
Eingang der offiziellen Antworten der Kommission (oder einer anderen geprüften Stelle) in allen Sprachen | 6.5.2019 |
Prüfungsteam
Die Sonderberichte des Hofes enthalten die Ergebnisse seiner Prüfungen zu Politiken und Programmen der Europäischen Union oder zu Fragen des Finanzmanagements in spezifischen Haushaltsbereichen. Bei der Auswahl und Gestaltung dieser Prüfungsaufgaben ist der Hof darauf bedacht, maximale Wirkung dadurch zu erzielen, dass er die Risiken für die Wirtschaftlichkeit oder Compliance, die Höhe der betreffenden Einnahmen oder Ausgaben, künftige Entwicklungen sowie das politische und öffentliche Interesse abwägt.
Diese Wirtschaftlichkeitsprüfung wurde von Prüfungskammer II – Ausgabenbereich „Investitionen für Kohäsion, Wachstum und Integration“ – unter Vorsitz von Iliana Ivanova, Mitglied des Hofes, durchgeführt. Die Prüfung stand unter der Leitung von Henri Grethen, Mitglied des Hofes. Herr Grethen wurde unterstützt von der Kabinettattachée Ildikó Preiss, dem Leitenden Manager Juan Ignacio González Bastero, dem Aufgabenleiter Jorge Guevara López (Certified Fraud Examiner) sowie den Prüferinnen und Prüfern Dana Christina Ionita, Sandra Dreimane (Certified Fraud Examiner), Florence Fornaroli, Efstratios Varetidis, Márton Baranyi, Zhivka Kalaydzhieva und Janka Nagy-Babos. Thomas Everett leistete sprachliche Unterstützung.

Von links nach rechts: Márton Baranyi, Thomas Everett, Efstratios Varetidis, Henri Grethen, Ildikó Preiss, Dana Christina Ionita, Juan Ignacio González Bastero, Janka Nagy-Babos, Jorge Guevara López, Florence Fornaroli, Sandra Dreimane.
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