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Prüfung des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (MIP)
Über den Bericht Der Hof untersuchte die Umsetzung des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht durch die Kommission. Mit dem Verfahren wird auf die Feststellung, Vermeidung und Bewältigung makroökonomischer Ungleichgewichte abgezielt, die die wirtschaftliche Stabilität in einem bestimmten Mitgliedstaat der EU, im Euro-Währungsgebiet oder in der EU als Ganzes beeinträchtigen könnten. Der Hof stellte fest, dass die Kommission trotz der allgemein guten Ausgestaltung des MIP das Verfahren nicht so umsetzt, dass eine wirksame Vermeidung und Korrektur von Ungleichgewichten sichergestellt ist. Der Einstufung der Mitgliedstaaten mit Ungleichgewichten mangelt es an Transparenz, die eingehende Überprüfung der Kommission erfolgt zwar auf hohem Niveau, doch hat ihre Sichtbarkeit abgenommen, und das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich des Verfahrens und seiner Auswirkungen ist nicht ausgeprägt genug. Daher unterbreitet der Hof der Kommission eine Reihe von Empfehlungen, damit diese bestimmte Aspekte ihrer Verwaltung wesentlich verbessert und dem MIP einen höheren Stellenwert verleiht.
Zusammenfassung
Über das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (MIP)
IDas Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (MIP) wurde zur Bewältigung makroökonomischer Ungleichgewichte in der EU konzipiert. Damit sollte auf das Fehlen politischer Instrumente, die die Entstehung solcher Ungleichgewichte vor der Krise 2008 hätten verhindern können, reagiert werden.
IIDas MIP basiert auf einem jährlichen Zyklus. Am Anfang des Verfahrens erfolgt die Veröffentlichung einer wirtschaftlichen und finanziellen Bewertung durch die Kommission, die als Warnmechanismus-Bericht bezeichnet wird. Darin werden die Mitgliedstaaten mit potenziellen Ungleichgewichten ermittelt, die eine weitere Analyse im Rahmen einer eingehenden Überprüfung erfordern. Zweck der eingehenden Überprüfung ist es festzustellen, ob in ausgewählten Mitgliedstaaten Ungleichgewichte vorliegen und ob diese als übermäßig einzustufen sind. Abschließend sollte die Kommission auf der Grundlage der eingehenden Überprüfung länderspezifische Empfehlungen vorlegen, die am Ende durch den Rat verabschiedet und den Mitgliedstaaten übermittelt werden, damit diese ihre Ungleichgewichte angehen.
IIIWerden die Ungleichgewichte als "übermäßig" eingestuft, sieht die MIP-Verordnung vor, dass die Kommission die Einleitung eines "Verfahrens bei einem übermäßigen Ungleichgewicht" (Excessive Imbalance Procedure, EIP) durch den Rat vorschlägt. Dabei handelt es sich um einen Mechanismus für eine verstärkte Überwachung, der u. a. das Verhängen von Sanktionen gegen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets ermöglicht.
Gegenstand der Prüfung
IVDie Hauptprüfungsfrage lautete: "Beruht das MIP auf einer soliden Grundlage und wird es auf angemessene Weise umgesetzt?". Der Hof bewertete die Wirksamkeit der Umsetzung des MIP durch die Kommission im Zeitraum 2012-2017.
Feststellungen des Hofes
VZwar ist das MIP im Allgemeinen gut ausgestaltet, doch setzt die Kommission das Verfahren nicht so um, dass eine wirksame Vermeidung und Korrektur von Ungleichgewichten sichergestellt ist.
VIUm makroökonomische Ungleichgewichte zu bewältigen, setzt die Kommission als ein zentrales Instrument MIP-relevante länderspezifische Empfehlungen ein. Die Empfehlungen werden jedoch nur in geringem Maße umgesetzt. Zwar obliegt die Umsetzung den Mitgliedstaaten, doch weist auch die Ausgestaltung durch die Kommission mehrere Schwachstellen auf. Es besteht kein systematischer Zusammenhang zwischen den spezifischen, in der eingehenden Überprüfung festgestellten Ungleichgewichten und den vorgeschlagenen Empfehlungen. In einigen Fällen werden die länderspezifischen Empfehlungen als MIP-relevant bezeichnet, obwohl sie - wenn überhaupt - nur in einem entfernten Zusammenhang mit makroökonomischen Ungleichgewichten stehen. Dies erschwert es den Mitgliedstaaten, geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Ferner wird die Haushaltspolitik in den MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen nicht ausreichend berücksichtigt - selbst dann nicht, wenn sie für nicht haushaltspolitische Ungleichgewichte relevant ist. Es besteht eine gewisse Inkohärenz zwischen den länderspezifischen Empfehlungen für einzelne Mitgliedstaaten und den Empfehlungen, die das gesamte Euro-Währungsgebiet betreffen. Schließlich legt die Kommission in manchen Fällen einen sehr knapp bemessenen Zeitrahmen für die Umsetzung von Empfehlungen fest.
VIIDer Hof pflichtet den von ihm befragten Akteuren bei, die der Ansicht waren, die Analysen im Rahmen der eingehenden Überprüfungen seien von guter Qualität und Ungleichgewichte seien korrekt ermittelt worden. Allerdings haben die eingehenden Überprüfungen in den Berichten der Kommission in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung verloren. MIP-relevante Analysen und politische Empfehlungen haben einen geringeren Stellenwert, seit sie in die Länderberichte integriert wurden, die in erster Linie die umfassende wirtschaftliche Koordinierung der Strukturpolitik behandeln. Durch den Entscheidungsfindungsprozess der Kommission zur Einstufung von Ungleichgewichten nach Schweregrad wurde das MIP weiter geschwächt. Obwohl Ungleichgewichte auf der Ebene der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen auf der Grundlage klarer fachlicher Kriterien ermittelt werden, umfassen die eingehenden Überprüfungen keine klare Bewertung ihres Schweregrads. Den Kriterien, die den endgültigen Entscheidungen des Kollegiums der Kommissionsmitglieder zugrunde liegen, mangelt es an Transparenz.
VIIIEs ist erwähnenswert, dass die Kommission nie die Einleitung eines Verfahrens bei einem übermäßigen Ungleichgewicht empfohlen hat, obwohl seit dem Anlaufen des MIP im Jahr 2012 bei mehreren Mitgliedstaaten über längere Zeiträume hinweg übermäßige Ungleichgewichte festgestellt wurden.
IXDas erste Dokument im Verfahren, der Warnmechanismus-Bericht, trägt nicht in angemessener Form zur Erleichterung der frühzeitigen Feststellung von Ungleichgewichten bei, da darin Indikatoren herangezogen werden, die auf veralteten Daten und gleitenden Durchschnittswerten basieren, und somit jüngste Ereignisse nicht berücksichtigt werden. Ferner ist der Warnmechanismus-Bericht nicht analytischer, sondern eher beschreibender Natur. Spill-over-Effekte auf andere Mitgliedstaaten sowie die Dimension des Euro-Währungsgebiets werden nicht besonders eingehend behandelt, jedoch wurden in dieser Hinsicht einige Verbesserungen erreicht.
Empfehlungen des Hofes
- Die Kommission sollte systematisch einen Zusammenhang zwischen den MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen und den makroökonomischen Ungleichgewichten herstellen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollten ausreichend detailliert sein, und ihr Fokus sollte auf politischen Maßnahmen zur kurz- bis mittelfristigen Verringerung von Ungleichgewichten liegen. Wo immer möglich, sollte die Kommission Ex-ante- und Ex-post-Bewertungen der Auswirkungen von politischen Maßnahmen auf Ungleichgewichte durchführen.
- Die eingehenden Überprüfungen sollten eine klare Beschreibung des Schweregrads der Ungleichgewichte, mit denen ein Mitgliedstaat konfrontiert ist, enthalten. Die Kommission sollte durch die Annahme, Veröffentlichung und Anwendung klarer Kriterien zur Einstufung von Ungleichgewichten die Transparenz verbessern. Wenn in einem Mitgliedstaat Hinweise auf übermäßige Ungleichgewichte vorliegen, sollte sie - sofern nicht spezifische Umstände dagegen sprechen - die Einleitung eines EIP empfehlen. Wenn die Kommission unter spezifischen Umständen ihre Ermessensbefugnisse nutzt und vom Einleiten dieser Maßnahme absieht, sollte sie ihre Beweggründe klar und öffentlich darlegen.
- Die Kommission sollte gesondert eine umfassende eingehende Überprüfung vorlegen, deren Umfang und Detaillierungsgrad der Schwere der Situation und den politischen Herausforderungen entspricht. Anstatt des Scoreboards sollten in der eingehenden Überprüfung die länderspezifischen Variablen zugänglich gemacht werden, die in der Analyse tatsächlich verwendet wurden.
- Die Kommission sollte die Auswirkungen haushaltspolitischer Maßnahmen auf externe Ungleichgewichte und Wettbewerbsfähigkeit systematisch analysieren und das MIP nutzen, um den Mitgliedstaaten Empfehlungen vorzulegen, wenn sich haushaltspolitische Fragen unmittelbar auf externe Ungleichgewichte auswirken.
- Im Rahmen des MIP-Prozesses sollten Strategien mit länderübergreifenden Auswirkungen, die zur symmetrischen Wiederherstellung des Gleichgewichts innerhalb des Euro-Währungsgebiets beitragen können, systematisch berücksichtigt werden. Außerdem sollten die MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen mit den Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet im Einklang stehen, die für Ungleichgewichte relevant sind - sofern angemessen auch im Hinblick auf den allgemeinen fiskalischen Kurs.
- Die Kommission sollte dem MIP in ihrem Dialog mit der Öffentlichkeit einen höheren Stellenwert verleihen. Wenn die Kommission Ungleichgewichte als übermäßig eingestuft hat, sollten - im Hinblick auf eine wirksame Kommunikation - die zuständigen Kommissionsmitglieder den Parlamenten der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, um die Beweggründe für ihre Entscheidungen und die entsprechenden politischen Empfehlungen darzulegen.
Einleitung
Wirtschaftliche Begründung und rechtlicher Rahmen
01Vor der Krise der Jahre 2008-2009 lag der Fokus des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung der EU (Regelwerk für die Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten) auf der Tragfähigkeit haushaltspolitischer Strategien. Dieser Rahmen war im Wesentlichen darauf beschränkt, das öffentliche Defizit und den öffentlichen Schuldenstand unter Kontrolle zu halten. Die Steuerung durch die EU in nicht haushaltspolitischen Bereichen war auf die Bestimmungen des Vertrags zur "weichen" Koordinierung der Wirtschaftspolitiken beschränkt1.
02Die Krise und ihre Folgen zeigten, dass durch diesen Rahmen das Entstehen makroökonomischer Ungleichgewichte nicht aufgedeckt oder verhindert werden konnte. In mehreren Mitgliedstaaten hatten große Kapitalzuströme und ein unhaltbares Kreditwachstum im Privatsektor zu einer Verschlechterung der Außenbeiträge und der Wettbewerbsfähigkeit, zu Überinvestitionen in bestimmten Wirtschaftsbereichen sowie zu einer übermäßigen Anhäufung von Schulden im Privatsektor geführt. Zudem verursachte eine nicht tragfähige Hochkonjunktur im Vorfeld der Krise eine verzerrte Einschätzung der zugrunde liegenden haushaltspolitischen Situation, weshalb diese besser erschien als sie de facto war. Als die Ungleichgewichte schließlich eine schmerzhafte Anpassung auslösten, waren plötzlich auch andere Mitgliedstaaten betroffen, was die finanzielle Stabilität und Wirtschaftsleistung der gesamten EU in Gefahr brachte.
03Mit dem Ziel, ähnlichen Entwicklungen in Zukunft vorzubeugen und politische Maßnahmen zur Verringerung von Ungleichgewichten, die auf den Boom vor der Krise zurückgehen, zu fördern, wurde 2011 als Bestandteil des legislativen "Sixpack"2 ein neuer Mechanismus eingeführt: das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (MIP).
04Die wichtigste rechtliche Grundlage des MIP ist die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (nachstehend "MIP-Verordnung")3.
05Das MIP wird auf alle Mitgliedstaaten der EU angewandt (mit Ausnahme derer, die von der EU finanzielle Unterstützung im Rahmen makroökonomischer Anpassungsprogramme erhalten) und seit 2012 als Teil des jährlichen Zyklus zur Koordinierung und Überwachung der Wirtschaftspolitiken eingesetzt.
06Insbesondere ist das MIP auf die Erkennung, Vermeidung und Korrektur von "Ungleichgewichten" und "übermäßigen Ungleichgewichten" ausgerichtet. Diese Begriffe sind in Artikel 2 der MIP-Verordnung folgendermaßen definiert:
- "'Ungleichgewichte'": "alle Trends, die zu makroökonomischen Entwicklungen führen, die sich nachteilig auf das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschaft eines Mitgliedstaats oder der Wirtschafts- und Währungsunion oder der Union insgesamt auswirken oder potenziell auswirken könnten";
- "'übermäßige Ungleichgewichte'": "schwere Ungleichgewichte, einschließlich Ungleichgewichte oder Risiken, die das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion gefährden".
In Artikel 4 Absatz 3 der MIP-Verordnung ist die Art von Ungleichgewichten definiert:
- zu den internen Ungleichgewichten gehören diejenigen, "die sich aus der öffentlichen und privaten Verschuldung ergeben können; […] Entwicklungen auf den Finanz- und Anlagemärkten, einschließlich des Wohnungswesens; […] Entwicklungen der Kreditströme des privaten Sektors; und [die] Entwicklung der Arbeitslosigkeit";
- zu den externen Ungleichgewichten gehören diejenigen, "die sich aus der Entwicklung der Leistungsbilanz- und Nettoinvestitionspositionen der Mitgliedstaaten ergeben können; [die] realen effektiven Wechselkurse; [die] Anteile an den Exportmärkten; [die] Veränderungen bei der Preis- und Kostenentwicklung; sowie [die] nichtpreisgebundene […] Wettbewerbsfähigkeit unter Berücksichtigung der verschiedenen Komponenten der Produktivität."
Ziel der MIP-Verordnung ist es somit einerseits, wirtschaftliche Ungleichgewichte einzelner Mitgliedstaaten auszugleichen, und andererseits, die Spill-over-Effekte4 auf andere Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets und der EU anzugehen.
09Das MIP ist Bestandteil des Europäischen Semesters, eines Rahmenwerks, das 2010 zur umfassenden Koordinierung wirtschaftspolitischer Strategien in der EU eingeführt wurde. Zusätzlich zum MIP umfasst das Europäische Semester Maßnahmen zur Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) und strukturpolitische Strategien zur Ankurbelung des langfristigen Wachstums im Zusammenhang mit der Strategie Europa 2020 durch die Erreichung von Zielen, umfassende wirtschaftspolitische Leitlinien sowie Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen. Das jährliche Verfahren im Rahmen des Europäischen Semesters mündet in Vorschläge der Kommission für länderspezifische Empfehlungen in all diesen Bereichen an den Rat. Nach Billigung durch den Rat wird von den Mitgliedstaaten erwartet, dass sie die Empfehlungen umsetzen.
10Allgemein formuliert ist der Unterschied zwischen MIP und SWP folgender: Das MIP betrifft makroökonomische Ungleichgewichte im Allgemeinen, während der SWP auf die haushaltspolitische Tragfähigkeit beschränkt ist. Außerdem wird, sobald ein Mitgliedstaat die Anforderungen hinsichtlich Verschuldung und Defizit erfüllt, die Bereitstellung von haushaltspolitischen Orientierungshilfen im Rahmen des SWP eingestellt. In der MIP-Verordnung hingegen ist vorgesehen, dass politische Antworten auf im Rahmen des MIP festgestellte Ungleichgewichte auch Maßnahmen im Bereich der Haushalts- und Lohnpolitik umfassen können5. Die beiden politischen Instrumente haben gemeinsam, dass sie der Kommission eine Durchsetzungsfunktion verleihen, und weisen daher sowohl eine präventive als auch eine korrektive Komponente auf. Bei der Umsetzung der Strategie 2020 hat die Kommission hingegen keine vergleichbare Durchsetzungsfunktion.
11Der jährliche MIP-Prozess zur Erkennung von Ungleichgewichten, zur Bewertung ihres Schweregrads und zur Einleitung von Korrekturen umfasst mehrere Phasen. Der in der MIP-Verordnung beschriebene Prozess ist in Abbildung 1 zusammengefasst (weitere Einzelheiten sind Anhang I zu entnehmen); die entsprechenden Dokumente sind in Anhang II aufgelistet.
Erste Phase: Der Warnmechanismus-Bericht
12Die erste Phase des Prozesses ist die Veröffentlichung eines Warnmechanismus-Berichts. Das wesentliche Ziel besteht in diesem Zusammenhang darin, die Mitgliedstaaten zu ermitteln, die nach Ansicht der Kommission von Ungleichgewichten bedroht sind, die weitere Analysen in Form einer eingehenden Überprüfung (siehe zweite Phase) erforderlich machen. Im Warnmechanismus-Bericht wird ein Scoreboard mit Indikatoren verwendet, die ausgewählt wurden, um interne und externe Ungleichgewichte aufzuzeigen (siehe Anhang III)6. Aus Artikel 3 Absatz 2 der MIP-Verordnung geht allerdings klar hervor, dass die Entscheidung, eine eingehende Überprüfung einzuleiten, nicht "durch eine mechanistische Auslegung der Indikatoren des Scoreboards" getroffen werden sollte.
Abbildung 1
Einfaches Flussdiagramm des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Zweite Phase: Eingehende Überprüfungen
13Die eingehenden Überprüfungen umfassen eine detaillierte Analyse länderspezifischer wirtschaftlicher Bedingungen unter Verwendung eines breiten Spektrums analytischer Instrumente (z. B. Messungen von Handelsbeziehungen und -intensität zwischen Mitgliedstaaten), länderspezifische qualitative Informationen (z. B. Produktspezialisierung und Lohnverhandlungsmechanismen) sowie in vielen Fällen Variablen, die sich von denjenigen im Scoreboard des Warnmechanismus-Berichts unterscheiden.
14Die Kommission sammelt im Zuge von Besuchen in den Mitgliedstaaten Informationen. Sie ist zudem verpflichtet, etwaige weitere Informationen, die die Mitgliedstaaten für relevant halten und mitgeteilt haben, zu berücksichtigen. Schließlich muss die Kommission die politischen Absichten der Mitgliedstaaten sowie frühere Empfehlungen des Rates oder des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken mit einbeziehen.
15Die MIP-Verordnung sieht insbesondere vor, dass im Rahmen einer eingehenden Überprüfung bewertet wird, ob im betreffenden Mitgliedstaat Ungleichgewichte bestehen, und falls ja, ob diese übermäßig sind. Ferner sind die Spill-over-Effekte der nationalen Wirtschaftspolitiken zu berücksichtigen. Stellt die Kommission kein Ungleichgewicht fest, so endet für den Mitgliedstaat der MIP-Prozess für das betreffende Jahr. Werden hingegen Ungleichgewichte festgestellt, wendet die Kommission auf den Mitgliedstaat je nach Schweregrad entweder die präventive oder die korrektive Komponente des MIP an.
16Seit 2015 sind die eingehenden Überprüfungen Bestandteil der Länderberichte der Kommission, die im Rahmen des jährlichen Europäischen Semesters erstellt werden. Diese Länderberichte enthalten umfassende analytische Bewertungen der wesentlichen strukturellen Schwachstellen, die in einem Mitgliedstaat in Bereichen wie Steuerwesen und Ausgaben, Beschäftigung, öffentliche Verwaltung und unternehmerische Rahmenbedingungen bestehen, sowie des Fortschritts des betreffenden Mitgliedstaats bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen und seines Fortschritts mit Blick auf die Ziele der Strategie Europa 2020.
Dritte Phase: Prävention und Korrektur
Präventionsmaßnahmen
17Ist die Kommission der Ansicht, dass ein Mitgliedstaat von makroökonomischen Ungleichgewichten betroffen ist, so muss sie den Rat und das Europäische Parlament darüber in Kenntnis setzen. Auf Vorschlag der Kommission kann der Rat dann länderspezifische Empfehlungen an die Mitgliedstaaten richten, damit diese ihre Ungleichgewichte korrigieren und verhindern, dass sie "übermäßig" werden (im vorliegenden Bericht werden diese Empfehlungen als "MIP-relevante länderspezifische Empfehlungen" bezeichnet). Die länderspezifischen Empfehlungen werden im Juli verabschiedet und sind jährlich zu überprüfen bzw. erforderlichenfalls anzupassen. Zu diesem Zweck wird eine systematisch und öffentlich zugängliche Bewertung der bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen erzielten Fortschritte vorgenommen, die im Februar in einem Anhang des jeweiligen Länderberichts veröffentlicht wird. Zur Überwachung der Umsetzung von MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen ist die Kommission gehalten, einen ständigen Dialog mit den Behörden der Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern zu pflegen und - üblicherweise einmal im Jahr - Informationsbesuche durchzuführen.
Korrekturmaßnahmen: Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht
18Ist die Kommission der Ansicht, dass die Ungleichgewichte übermäßig sind, ist sie gemäß Artikel 7 der MIP-Verordnung auch in diesem Fall verpflichtet, das Europäische Parlament und den Rat darüber zu unterrichten. Auf Vorschlag der Kommission kann der Rat beschließen, ein "Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht" (EIP) einzuleiten. Dies hat zur Folge, dass der betreffende Mitgliedstaat strengeren Anforderungen und einer stärkeren Überwachung unterliegt, und kann im Fall von Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sogar zu finanziellen Sanktionen führen7.
Prüfungsumfang, Prüfungsziele und Prüfungsansatz
Prüfungsumfang und Prüfungsziele
19Die Hauptprüfungsfrage lautete: "Verfügt das MIP über eine solide Grundlage und wird es auf angemessene Weise umgesetzt?". Der Hof bewertete in der vorliegenden Prüfung die Wirksamkeit der Umsetzung des MIP durch die Kommission im Zeitraum 2012-20178 und, sofern relevant, bestimmte Aspekte der Konzipierung des Verfahrens. Der Hof untersuchte das MIP anhand einer Stichprobe von vier Mitgliedstaaten (Bulgarien, Spanien, Frankreich und Slowenien) im Detail und befasste sich, soweit dies angemessen war, in geringerem Ausmaß mit weiteren Mitgliedstaaten9.
20Konkret untersuchte der Hof
- die Wirksamkeit der Umsetzung des Verfahrens auf der Grundlage der Entwicklung der Einstufung der Mitgliedstaaten bezüglich ihrer Ungleichgewichte und die Gründe für die geringe Umsetzung von MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen;
- den Prozess der Einstufung makroökonomischer Ungleichgewichte in den Mitgliedstaaten;
- den Einsatz von Analyseinstrumenten und wirtschaftlichen Analysen zur Erkennung und Bewertung von Ungleichgewichten durch die Kommission und die sich wandelnde Präsentation der Ergebnisse;
- die Angemessenheit des Scoreboards und des gesamten Warnmechanismus-Berichts im Rahmen des MIP.
Die Angemessenheit der Schwellenwerte für Scoreboard-Indikatoren oder die Qualität der zugrunde liegenden statistischen Daten bewertete der Hof nicht. Ebenso wenig untersuchte der Hof das Verfahren zur Beurteilung von Fortschritten bei der Umsetzung von MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen10.
22Die Prüfungskriterien des Hofes fußten auf
- verordnungsrechtlichen Anforderungen (insbesondere der MIP-Verordnung);
- internen Vorschriften und Verfahren der Kommission (z. B. Anweisungen und Leitlinien);
- Dokumenten, die von einer Reihe von EU-Organen und weiteren internationalen Organisationen (insbesondere dem IWF und der OECD) veröffentlicht wurden oder auf Recherchen über vorbildliche Verfahren zurückgingen.
Der vorliegende Prüfungsbericht ist der zweite in einer Reihe, mit der gewährleistet werden soll, dass sich die Berichte des Hofes umfassend mit dem Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung der EU befassen. Der erste Bericht in dieser Reihe - zum Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (VÜD)11 - wurde 2016 veröffentlicht.
Prüfungsansatz
24Im März 2016 übermittelte der Hof den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaftspolitik derjenigen Mitgliedstaaten, auf die ein MIP angewandt worden war, eine Online-Umfrage. Die Umfrage betraf den Zeitraum zwischen dem Warnmechanismus-Bericht 2012 und den eingehenden Überprüfungen 2016. Sie beinhaltete 46 sowohl qualitative als auch quantitative Fragen zur Meinung der Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über das MIP. Die Umfrage wurde im Dezember 2016 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt hatten 19 von 20 Mitgliedern des Ausschusses daran teilgenommen. Die Umfrageergebnisse dienten bei der Prüfungsarbeit des Hofes als Orientierungshilfe, und in bestimmten Bemerkungen wird darauf Bezug genommen. Die Antworten auf die quantitativen Fragen sind in Anhang VI zusammengestellt.
25Der Hof befragte Mitarbeiter von drei Dienststellen der Kommission (Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration und Generalsekretariat) sowie aus dem Kabinett des Kommissionsmitglieds für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll bzw. des Vizepräsidenten für den Euro und den sozialen Dialog. Geprüft wurde eine Vielfalt von Unterlagen der Kommission, von öffentlich zugänglichen Dokumenten bis hin zu internen Aufzeichnungen. Ferner traf der Hof mit Vertretern von Institutionen zusammen, die in ausgewählten Mitgliedstaaten an der Umsetzung und Überwachung des MIP beteiligt sind (siehe Auflistung der Institutionen in Anhang VII).
26Die Prüfer diskutierten das MIP mit Vertretern verschiedener Organisationen, deren Ansichten für die Prüfung relevant waren (darunter die Europäische Zentralbank (EZB), der IWF, die OECD, die Weltbank, das Europäische Parlament sowie in Deutschland das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie das Bundesministerium der Finanzen). Ferner richtete der Hof ein Beratungsgremium ein und ließ sich von unabhängigen Sachverständigen beraten.
Bemerkungen
In Mitgliedstaaten werden über mehrere Jahre hinweg Ungleichgewichte festgestellt, und Korrekturmaßnahmen werden nicht ausreichend umgesetzt
27Dieser Abschnitt befasst sich mit der Entwicklung der Anzahl der Mitgliedstaaten, in denen seit Einführung des MIP Ungleichgewichte festgestellt wurden. Es folgt ein Überblick über den Grad der Umsetzung von MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen laut den Bewertungen der Kommission und eine Untersuchung der zugrunde liegenden Ursachen.
Ungleichgewichte in Mitgliedstaaten bleiben im Allgemeinen über mehrere Jahre bestehen
28Die Anzahl der Mitgliedstaaten, in denen im Rahmen des MIP makroökonomische Ungleichgewichte festgestellt wurden, ist zwischen 2012 und 2015 stetig gestiegen (von 12 auf 16). Der Hof räumt jedoch ein, dass diese Anzahl auch zunahm, weil mehrere Länder aus makroökonomischen Anpassungsprogrammen ausgeschieden sind und Kroatien der EU beigetreten ist. In der jüngeren Vergangenheit hat eine allgemeine Trendumkehr stattgefunden, was möglicherweise ein Anzeichen der zyklischen Erholung der Volkswirtschaften der EU ist. Die Anzahl der Mitgliedstaaten mit übermäßigen Ungleichgewichten ist jedoch nicht zurückgegangen (siehe Abbildung 2 und Anhang VIII).
Abbildung 2
Anzahl der Mitgliedstaaten mit Ungleichgewichten
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Abbildung 3 zeigt, dass die Einstufung der einzelnen Mitgliedstaaten im Allgemeinen über die Jahre unverändert blieb. Verbesserungen wurden relativ selten erzielt. Während der ersten fünf Jahre des MIP (2012-2016) wurden in zusammengenommen 67 Mitgliedstaaten Ungleichgewichte (51) oder übermäßige Ungleichwichte (16) festgestellt. In 39 der 51 Fälle, in denen Ungleichgewichte festgestellt worden waren, trat im Folgejahr keine Veränderung ein, während fünf Mitgliedstaaten auf "übermäßige Ungleichgewichte" heraufgestuft wurden und es sieben Mitgliedstaaten gelang, ihre Ungleichgewichte zu korrigieren. Von den 16 Mitgliedstaaten mit übermäßigen Ungleichgewichten konnten nur zwei im darauffolgenden Jahr diese Kategorie verlassen.
Abbildung 3
Kaum Veränderungen bei der Einstufung, 2012-2017
Anmerkung: Die Pfeile zeigen an, wie sich die Einstufung der Ungleichgewichte von Mitgliedstaaten in diesem Zeitraum von Jahr zu Jahr änderte: Es fand entweder eine Verbesserung, eine Verschlechterung oder gar keine Veränderung statt. Die Summe dieser Veränderungen beläuft sich auf 67.
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Dieser mangelnde Fortschritt lässt sich anhand der 12 Mitgliedstaaten veranschaulichen, bei denen im Jahr 2012 - dem ersten Jahr des MIP - Ungleichgewichte festgestellt wurden. Sechs der 12 Mitgliedstaaten glitten seither zu einem gewissen Zeitpunkt in "übermäßige Ungleichgewichte" ab (Bulgarien, Frankreich, Italien, Slowenien, Spanien und Zypern). Davon gelang es nur zwei Mitgliedstaaten, zu einem "normalen" Ungleichgewicht zurückzufinden (Slowenien und Spanien), während die anderen vier weiter in der Kategorie "übermäßig" verblieben (Italien vier Jahre in Folge, Frankreich und Bulgarien drei Jahre in Folge, Zypern zwei Jahre in Folge12). Von den Mitgliedstaaten mit "übermäßigen" Ungleichgewichten war keiner jemals in der Lage, die Kategorie "keine Ungleichgewichte" zu erreichen. In Anhang VIII wird die Einstufung der einzelnen Mitgliedstaaten bis 2012 zurückverfolgt.
Die MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen wurden von den Mitgliedstaaten trotz häufiger und intensiver Überwachung nur in geringem Maße umgesetzt
Ein guter Standard bei der Überwachung durch die Kommission
31Gemäß der MIP-Verordnung13 ist die Kommission verpflichtet, die Umsetzung der länderspezifischen Berichte des MIP zu überwachen, u. a. durch das Sammeln von Informationen in den Mitgliedstaaten und einen ständigen Dialog mit den Behörden und Sozialpartnern. Der Hof stellte fest, dass die Kommission im Rahmen häufiger Informationsbesuche in den Mitgliedstaaten mit einer ausreichend großen Anzahl von Akteuren auf einzelstaatlicher Ebene einen umfassenden und aufrichtigen Dialog pflegte.
322013 führte die Kommission für Mitgliedstaaten mit übermäßigen Ungleichgewichten ein "spezifisches Monitoring" ein. Dieses wurde 2014 auf ausgewählte Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, in denen Ungleichgewichte mit systemischer Bedeutung bestehen, und 2016 auf alle Mitgliedstaaten mit Ungleichgewichten ausgeweitet. Das spezifische Monitoring umfasst derzeit einen jährlichen Informationsbesuch in jedem Mitgliedstaat und die anschließende Veröffentlichung eines Fortschrittsberichts.
Die MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen wurden von den Mitgliedstaaten jedoch nur in geringem Maße umgesetzt
33Die Kommission bewertet den Grad der Umsetzung länderspezifischer Empfehlungen mithilfe eines qualitativen Rankings (siehe Anhang V). 2017 zog das Europäische Parlament diese Bewertungen heran, um die Gesamtumsetzung der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen für den Zeitraum 2012-2016 zu beurteilen14. Diese Bewertung ist in Abbildung 4 zusammengefasst. Der Hof gelangt zu dem Schluss, dass die Umsetzung der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen seit 2012 anhaltend unzulänglich war, da der Anteil der vollständig oder im Wesentlichen umgesetzten MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen extrem gering ist15.
Abbildung 4
Umsetzung der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen aus dem Zeitraum 2012-2016
![](../img/De_fig4.jpg)
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage von Bewertungen des Europäischen Parlaments (Referat Unterstützung des wirtschaftspolitischen Handelns (EGOV)) und der Kommission.
Die Umsetzung der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen weist mehrere Schwachstellen auf
34Folgende Schwachstellen bei der Verwaltung des MIP-Prozesses haben sich nachteilig auf die Umsetzung von MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen ausgewirkt: i) kein systematischer Zusammenhang zwischen MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen und Ungleichgewichten; ii) keine systematische Schätzung der Auswirkungen von MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen auf Ungleichgewichte; iii) Inkohärenz zwischen den Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet als Ganzes und den MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen, iv) ein sehr knapp bemessener Zeitrahmen für die Umsetzung der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen.
Kein systematischer Zusammenhang zwischen MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen und Ungleichgewichten
35Zur Förderung der nationalen Eigenverantwortung und folglich zur Ermutigung der Mitgliedstaaten, die MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen gewissenhafter umzusetzen, ist es von entscheidender Bedeutung klarzustellen, inwiefern die spezifischen politischen Empfehlungen auf eine Wirtschaftsanalyse und eine Bewertung von Ungleichgewichten zurückgehen. Selbst in der Orientierungshilfe der Kommission ist festgelegt, dass die eingehenden Überprüfungen die analytische Grundlage für die Erarbeitung von Empfehlungen bilden sollen16, doch in der Praxis ist dieser Zusammenhang meist nicht klar erkennbar17. Die Umfrage des Hofes unter den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaftspolitik hat diesen Eindruck bestätigt. Bei der Frage "Ist eindeutig nachvollziehbar, welche länderspezifischen Empfehlungen sich auf das MIP beziehen?" antwortete nur ein Viertel der Befragten "Immer eindeutig" (siehe Abbildung g in Anhang VI). Der Zusammenhang wurde in den vergangenen Jahren durch die "Straffung" sowohl der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen (siehe Ziffern 40-42) als auch der eingehenden Überprüfungen (siehe Ziffern 67-73) noch unklarer.
36Erstens ist der Zusammenhang oft nicht deutlich, oder er ist sehr schwach. Dies liegt daran, dass die Kommission ihre Vorschläge für länderspezifische Empfehlungen nicht im Hinblick auf die Beseitigung spezifischer Ungleichgewichte formuliert, wie in Artikel 6 Absatz 1 der MIP-Verordnung vorgesehen. Stattdessen werden Strukturreformen mit einem Mitgliedstaat im Zusammenhang mit Europa 2020 erörtert, bevor sie in die Vorschläge der Kommission einbezogen werden, und sie können als MIP-relevant bezeichnet werden, auch wenn sie nur in einem entfernten Zusammenhang mit makroökonomischen Ungleichgewichten stehen.
37Außerdem stellte der Hof bei der Analyse der vier ausgewählten Mitgliedstaaten fest, dass viele länderspezifische Empfehlungen zu Unrecht als MIP-relevant bezeichnet wurden, da keine der empfohlenen Maßnahmen die in der eingehenden Überprüfung festgestellten Ungleichgewichte betraf. Beispiele sind Kasten 1 zu entnehmen.
Kasten 1
Beispiele für den fehlenden Zusammenhang zwischen MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen und eingehenden Überprüfungen
- Die länderspezifische Empfehlung Nr. 3/2016 an Frankreich betraf Fragen (Reformen in den Bereichen Lehrlingswesen, Berufsausbildung und Arbeitslosengeld), die nicht MIP-relevant waren: Diese Fragen wurden weder im Abschnitt über die eingehende Überprüfung des Länderberichts behandelt noch in der MIP-Bewertungsmatrix erwähnt (siehe Ziffer 68) noch in der Zusammenfassung des Länderberichts als politische Herausforderung im Zusammenhang mit der eingehenden Überprüfung aufgezeigt. Ebenso wenig wurden die in den länderspezifischen Empfehlungen Nr. 5/2015 und Nr. 5/2016 behandelten Themen (Reform des französischen Steuerwesens) im Abschnitt über die eingehende Überprüfung des Länderberichts erwähnt.
- Die länderspezifische Empfehlung Nr. 2/2013 an Slowenien betraf Themen (langfristige Tragfähigkeit des Pensionssystems, Gesundheitswesen), auf die in der eingehenden Überprüfung nicht eingegangen wurde.
- Die länderspezifische Empfehlung Nr. 1/2016 an Bulgarien befasste sich mit Fragen (SWP-Ziele, Maßnahmen zur Verbesserung der Steuererhebung und Verringerung der informellen Wirtschaft), die weder im Abschnitt über die eingehende Überprüfung des Länderberichts behandelt noch in die MIP-Bewertungsmatrix einbezogen noch in der Zusammenfassung hervorgehoben wurden. Die Themen, die in der länderspezifischen Empfehlung Nr. 1/2015 (SWP-Ziele, Steuererhebung, Schattenwirtschaft, Kosteneffizienz des Gesundheitswesens) behandelt wurden, wurden im Abschnitt "Andere strukturelle Probleme" des Länderberichts erörtert und standen somit in keinem Zusammenhang mit der eingehenden Überprüfung.
- Die länderspezifische Empfehlung Nr. 9/2013 an Spanien enthielt Themen (Reform der öffentlichen Verwaltung, Effizienz der Justiz), die in der eingehenden Überprüfung nicht behandelt wurden. Die länderspezifische Empfehlung Nr. 2/2015 betraf Sparkassenreformen, eine Frage, auf die im Länderbericht in keiner Weise Bezug genommen wurde.
Tabelle 1 veranschaulicht, inwieweit länderspezifische Empfehlungen als MIP-relevant bezeichnet werden. Im Jahr 2016 wurden über 80 % der an die Mitgliedstaaten mit Ungleichgewichten gerichteten länderspezifischen Empfehlungen und alle an die Mitgliedstaaten mit übermäßigen Ungleichgewichten gerichteten länderspezifischen Empfehlungen als MIP-relevant bezeichnet. Dass die länderspezifischen Empfehlungen allzu häufig als MIP-relevant bezeichnet wurden, hat die Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit des MIP untergraben. Dies wurde von vielen Akteuren, mit denen der Hof bei Informationsbesuchen zusammentraf, bestätigt.
Ungleichgewichte | Übermäßige Ungleichgewichte | Insgesamt | |
---|---|---|---|
2012 | 52,0 % | 52,0 % | |
2013 | 63,3 % | 94,4 % | 70,5 % |
2014 | 67,2 % | 100,0 % | 76,1 % |
2015 | 87,2 % | 92,9 % | 89,6 % |
2016 | 81,0 % | 100,0 % | 92,0 % |
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
39Zweitens wurde der Zusammenhang zwischen den MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen und den ermittelten Ungleichgewichten durch die "Straffung" der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen und der eingehenden Überprüfungen zunehmend unklar.
40Die "Straffung" des mit den länderspezifischen Empfehlungen verbundenen Prozesses geht auf 2015 zurück, nachdem einige Mitgliedstaaten erklärt hatten, dass die übermäßige Anzahl und Länge der länderspezifischen Empfehlungen ihrer Eigenverantwortung und der Wirksamkeit der Umsetzung abträglich seien. Seitdem hat die Kommission die jährliche Anzahl der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen reduziert, und die Empfehlungen sind durchschnittlich nur noch etwa halb so lang (siehe Abbildung 5).
41Die "Straffung" wurde von den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (siehe Abbildung k in Anhang VI) und vielen der Akteure, mit denen der Hof anlässlich von Informationsbesuchen zusammentraf, im Allgemeinen positiv aufgenommen. Allerdings erfolgt in den MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen nun, da sie kürzer und allgemeiner formuliert sind, keine spezifische Auseinandersetzung mit den in der eingehenden Überprüfung festgestellten Ungleichgewichten. Ihre allgemein gehaltene Natur erschwert zudem die Bewertung, wie gut sie umgesetzt wurden und inwieweit sie möglicherweise zur Beseitigung von Ungleichgewichten beigetragen haben. In Kasten 2 sind die Auswirkungen der "Straffung" auf ausgewählte MIP-relevante länderspezifische Empfehlungen für Frankreich und Spanien veranschaulicht.
Abbildung 5
Anzahl der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen und Wortzahl pro MIP-relevanter länderspezifischer Empfehlung, 2012-2016
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Kasten 2
Die Auswirkungen der "Straffung" auf MIP-relevante länderspezifische Empfehlungen für Frankreich und Spanien
Die "Straffung" hat zu einer Verringerung der Anzahl und Länge der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen geführt.
2014 | 2016 | |||
---|---|---|---|---|
Frankreich | Spanien | Frankreich | Spanien | |
Zahl der länderspezifischen Empfehlungen | ||||
Gesamtzahl der länderspezifischen Empfehlungen | 7 | 8 | 5 | 4 |
Gesamtzahl der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen | 6 | 7 | 5 | 4 |
Wortzahl in den MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen | ||||
Insgesamt | 803 | 978 | 280 | 227 |
Durchschnitt | 134 | 140 | 56 | 57 |
Da sie nun kürzer sind, bieten die MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen auch weniger detaillierte politische Orientierung.
2014 | 2016 |
---|---|
Frankreich | |
3.Vereinfachung der Verwaltungs-, Steuer- und Rechnungslegungsbestimmungen für Unternehmen und Ergreifung konkreter Maßnahmen zur Umsetzung des "Vereinfachungsplans" der Regierung bis Dezember 2014. Abschaffung von Rechtsvorschriften, die das Wachstum der Unternehmen behindern, insbesondere durch Überprüfung von größenbezogenen Kriterien in Rechtsvorschriften, um Schwelleneffekte zu vermeiden. Schritte zur Vereinfachung und Verbesserung der Effizienz der Innovationspolitik, insbesondere durch eine Bewertung und erforderlichenfalls Anpassung des "Crédit d’impôt recherche". Sicherstellen, dass die Mittel gezielt für die wirksamsten Wettbewerbszentren eingesetzt werden, und weitere Förderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der in den Wettbewerbszentren erzielten Innovation. 4.Beseitigung ungerechtfertigter Beschränkungen für den Zugang zu reglementierten Berufen und ihrer Ausübung, Verringerung der Markteintrittskosten und Förderung des Wettbewerbs im Dienstleistungssektor. Weitere Maßnahmen zur Verringerung des Verwaltungsaufwands, der das Funktionieren des Einzelhandels beeinträchtigt, insbesondere indem die Genehmigung zur Eröffnung von Einzelhandelsgeschäften vereinfacht und das Verbot des Verlustverkaufs aufgehoben wird. Sorge dafür tragen, dass die regulierten Gas- und Strompreise für nicht-gewerbliche Kunden in einer angemessenen Höhe festgesetzt werden, die kein Wettbewerbshindernis darstellt, und dabei Gewährleistung von weiterhin erschwinglichen Konditionen für benachteiligte Gruppen. Ausbau der Kapazitäten für die Strom- und Gasverbundnetze mit Spanien; insbesondere Vergrößerung der Kapazität für Gasverbundnetze, um den spanischen Gasmarkt uneingeschränkt in den europäischen Markt zu integrieren. In Bezug auf den Eisenbahnsektor Sicherstellung der Unabhängigkeit des neuen einheitlichen Infrastrukturbetreibers von dem etablierten Betreiber und Einleitung von Schritten, um bis 2019 die inländischen Personenverkehrsdienste für den Wettbewerb zu öffnen. |
4.Beseitigung von Hindernissen für eine Tätigkeit im Dienstleistungssektor, insbesondere im Bereich der Unternehmensdienstleistungen und der reglementierten Berufe. Maßnahmen zur Vereinfachung und Verbesserung der Effizienz der Innovationspolitik. Bis Ende 2016 weiteres Voranbringen der Reform der größenspezifischen Kriterien in Rechtsvorschriften, die das Unternehmenswachstum behindern, und Fortsetzung der Vereinfachung der Verwaltungs-, Steuer- und Rechnungslegungsbestimmungen für Unternehmen durch Fortführung des Vereinfachungsprogramms. |
Spanien | |
6.Sicherstellung der ambitionierten und raschen Umsetzung des Gesetzes Nr. 20/1013 über die Einheit des Marktes auf allen Verwaltungsebenen. Bis Ende 2014 Beschluss einer ehrgeizigen Reform der freiberuflichen Dienstleistungen und freiberuflichen Vereinigungen; Festlegung der Berufe, für die eine Mitgliedschaft in einem Berufsverband erforderlich ist; Regelung der Frage der Transparenz und Rechenschaftspflicht der Fachorganisationen; Öffnung des Zugangs zu ungerechtfertigterweise vorbehaltenen Tätigkeiten und Gewährleistung der Einheit des Marktes hinsichtlich der Aufnahme und Ausübung freiberuflicher Dienstleistungstätigkeiten in Spanien. Weitere Verringerung der Zeit, Kosten und Zahl der Verfahren, die zur Gründung eines Geschäfts erforderlich sind. Beseitigung ungerechtfertigter Einschränkungen für die Errichtung großer Einzelhandelsgeschäfte, insbesondere durch Überarbeitung der im Bereich der Regionalplanung bestehenden Bestimmungen. Ermittlung von Finanzierungsquellen für die neue nationale Strategie für Wissenschaft, Technologie und Innovation und Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der neuen staatlichen Forschungsagentur. |
4.Beschleunigung der Umsetzung des Gesetzes über die Einheit des Marktes auf regionaler Ebene. Gewährleistung der Umsetzung der für den Einzelhandel beschlossenen Reformmaßnahmen durch die autonomen Regionen. Verabschiedung der geplanten Reform der freiberuflichen Dienstleistungen und Berufsverbände. |
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Ein weiterer Punkt ist, dass die Erörterung von politischen Optionen zur Bewältigung von Ungleichgewichten (der Abschnitt "Politische Herausforderungen") schrittweise aus der eingehenden Überprüfung verschwunden ist, seit dieses Dokument mit dem Länderbericht zusammengeführt wurde. Dies macht es, in Kombination mit der "Straffung" der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen, für den Leser sehr schwer, die Gründe für die Empfehlungen nachzuvollziehen. In Tabelle 2 wird der Zusammenhang zwischen der eingehenden Überprüfung und der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlung Nr. 3 für Bulgarien in Bezug auf die Jahre 2014 bzw. 2015, d. h. vor bzw. nach der "Straffung", verglichen.
MIP-relevante länderspezifische Empfehlung Nr. 3 für Bulgarien 2014 und 2015 | ||
---|---|---|
Politische Empfehlungen der eingehenden Überprüfung | Vorschläge der Kommission für länderspezifische Empfehlungen | |
2014 | "Politische Herausforderungen"
•Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen •Bewertung der Auswirkung bestehender arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen sowie Einführung neuer Maßnahmen •Verknüpfung der Ergebnisse der Bewertung mit zukünftiger Politik •Ausrichten der Maßnahmen auf die Personen mit dem größten Aktivierungsbedarf und der stärksten Beschäftigungsfähigkeit - in diesem Zusammenhang nicht erwerbstätige Jugendliche und von Langzeitarbeitslosigkeit betroffene, geringqualifizierte Personen mit Arbeitserfahrung sowie weitere ermittelte schutzbedürftige soziale Gruppen. |
Verbesserung der Effizienz der Arbeitsagentur durch Entwicklung eines Leistungsüberwachungssystems und eine bessere Ausrichtung auf die besonders schutzbedürftigen Gruppen wie geringqualifizierte und ältere Arbeitnehmer, Langzeitarbeitslose und Roma. |
•Verbesserung von Ausbildung und Berufsbildung ist von Bedeutung für den Arbeitsmarkt. Es könnten Strategien zur Erreichung einer ausreichenden Beteiligung im Sinne eines höheren Bildungsniveaus untersucht werden. Verbesserung von Berufsbildung und der Praxis für lebenslanges Lernen mit Ausrichtung auf spezifische Fähigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind oder sein könnten •Spezifische Maßnahmen für Jugendliche könnten Programme zur Erhöhung des Bildungsniveaus und zur Verbesserung ihrer Qualifikationen durch gezielte Berufsbildung umfassen. Wiedereingliederungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose mit Arbeitserfahrung können die wirksame Knüpfung von Sozialleistungen an die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen und subventionierte Arbeitsplätze umfassen. Es könnten außerdem Programme untersucht werden, die mit der sozialen Verantwortung von Unternehmen zusammenhängen. |
Erweiterung des Umfangs bzw. Steigerung der Wirksamkeit der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, damit diese den Profilen der Arbeitssuchenden entsprechen, und im Einklang mit den Zielen einer Jugendgarantie Aufbau von Kontakt mit nicht bei der Arbeitsagentur gemeldeten Jugendlichen, die weder erwerbstätig sind noch Bildungs- oder Berufsbildungsangebote in Anspruch nehmen. |
|
•Herstellung des richtigen Gleichgewichts zwischen aktiven und passiven Maßnahmen. •Erhöhung der Wirksamkeit von sozialen Transferleistungen, um einen angemessenen Lebensstandard der Empfänger sicherzustellen. |
Um die Armut zu verringern, weitere Verbesserung des Zugangs und der Wirksamkeit von Sozialdiensten und -leistungen für Kinder und ältere Menschen. |
|
2015 | "Zusammenfassung"
•Unzulängliche Arbeitsmarktpolitik kann nach wie vor bewirken, dass Arbeitnehmer aus dem Arbeitsmarkt verdrängt werden. •Der Mangel an einer gezielten Bildungs- und Berufsbildungspraxis und einer aktiven Arbeitsmarktpolitik kann die Beteiligung am Arbeitsmarkt und die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitskräften behindern. |
Entwicklung eines ganzheitlichen Ansatzes für Gruppen am Rande des Arbeitsmarkts, insbesondere ältere Arbeitnehmer und Jugendliche, die weder erwerbstätig sind noch Bildungs- oder Berufsbildungsangebote in Anspruch nehmen. |
"Eingehende Überprüfung" Die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit von Jugendlichen, die weder einen Arbeitsplatz haben noch eine schulische oder berufliche Ausbildung absolvieren (NEET), ist nach wie vor eine große Herausforderung. |
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
43Schließlich ist festzuhalten, dass der seit 2016 bestehende Mangel an Zusammenhängen oder Begründungen in Bezug auf eingehende Überprüfungen und MIP-relevante länderspezifische Empfehlungen nicht mit der Erklärung der Kommission in ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat und die Europäische Zentralbank von Oktober 2015 im Einklang steht. Darin erklärte die Kommission, sie werde zur Verbesserung der Transparenz und der Folgemaßnahmen im Rahmen des MIP "explizite Begründungen für ihre Beschlüsse vorlegen, auch im Hinblick auf länderspezifische Empfehlungen im Zusammenhang mit dem Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten" und "den Zusammenhang zwischen der Art der Ungleichgewichte und dem in den länderspezifischen Empfehlungen festgelegten Umgang mit ihnen näher erläutern"18.
Keine systematische Schätzung der Auswirkungen von MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen auf Ungleichgewichte
44Die Kommission legt im Allgemeinen keine Ex-ante- oder Ex-post-Schätzungen der wirtschaftlichen Auswirkungen MIP-relevanter länderspezifischer Empfehlungen auf Ungleichgewichte vor. Nachvollziehbar ist dies nur in Fällen, in denen inhärente Schwierigkeiten bei der überzeugenden Quantifizierung bestimmter Auswirkungen bestehen, etwa aufgrund der Art der empfohlenen politischen Maßnahmen (z. B. Überprüfung der Aktiva-Qualität oder Stresstests für den Bankensektor, verbesserte Koordinierung und Effizienz öffentlicher Behörden) oder aufgrund der Tatsache, dass etwaige Auswirkungen langfristiger Natur sind (Bildungs- und Arbeitsmarktreformen).
45Die wenigen Ausnahmen sind Verweise auf externe Studien zur Bewertung der Effekte von Strukturreformen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP)19 20 und ein einmaliger Vorgang in Arbeitsunterlagen der Kommissionsdienststellen über die nationalen Reformprogramme (NRP) der Mitgliedstaaten 201421. Mithilfe einer Schätzung der wirtschaftlichen Auswirkungen auf Ungleichgewichte ließe sich besser erkennen, welche Empfehlungen am relevantesten sind und wahrscheinlich wirksam sein werden.
46Ferner können bestimmte Empfehlungen die Auswirkungen anderer Empfehlungen aufheben, und in diesem Punkt wäre es durchaus möglich, eine angemessene Schätzung vorzulegen. Dies trifft auf haushaltspolitische Empfehlungen und sonstige länderspezifische Empfehlungen mit haushaltspolitischen Auswirkungen zu. Zum Beispiel ging es in der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlung Nr. 1/2013 an Spanien, einem im VÜD befindlichen Mitgliedstaat, um die Fortführung der Haushaltsanpassung, die der Rat empfohlen hatte, um eine Korrektur des übermäßigen Defizits des Landes sicherzustellen. Gleichzeitig wurde in der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlung Nr. 4/2013 auf die Notwendigkeit hingewiesen, die öffentlichen Arbeitsvermittlungsstellen zu stärken und zu modernisieren, um eine wirksame, auf den Einzelfall zugeschnittene Unterstützung von Arbeitslosen sicherzustellen. Die Kommission legte keine Schätzung dazu vor, ob die Kosten für die Einstellung von zusätzlichem Personal zur individuellen Unterstützung von mehr als sechs Millionen Arbeitssuchenden mit den haushaltspolitischen Einschränkungen, die sie in ihrer ersten Empfehlung forderte, vereinbar waren.
Inkohärenz mit den Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet
47Seit 2012 schlägt die Kommission auch Empfehlungen für das gesamte Euro-Währungsgebiet vor. Nach Annahme durch den Rat werden die Empfehlungen an die Euro-Gruppe der Finanzminister gerichtet - demnach ist keine EU-Institution offiziell für ihre Umsetzung zuständig.
48Innerhalb der Kommission existiert kein System, um die Kohärenz der Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet und der länderspezifischen Empfehlungen für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sicherzustellen.
49Ein Beispiel für diese Problematik betrifft die Empfehlungen der Kommission zum fiskalischen Kurs des Euro-Währungsgebiets22. Wenn eine Senkung der Zinssätze mithilfe der Geldpolitik schwer durchzusetzen ist, ist die Steuerung des fiskalischen Kurses von Bedeutung, um ein nachhaltiges Wachstum der Gesamtnachfrage sicherzustellen. Es liegt jedoch außerhalb der Tragweite des SWP, den fiskalischen Kurs eines Mitgliedstaats zu beeinflussen, sobald er die Stabilitätskriterien erfüllt hat. Das MIP bietet daher einen Rahmen für haushaltspolitische Empfehlungen, die für das gesamte Euro-Währungsgebiet relevant sind.
50Im November 2016 empfahl die Kommission einen positiven fiskalischen Kurs zur Unterstützung der Währungspolitik der EZB, um den Aufschwung zu beschleunigen23. Diese Empfehlung stand im Widerspruch zu den fiskalischen Anforderungen, die etwa sechs Monate zuvor in den länderspezifischen Empfehlungen für die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets festgelegt worden waren, die für 2017 und 2018 einen moderat restriktiven fiskalischen Kurs für das gesamte Euro-Währungsgebiet implizierten. Da sich die Prognosen für das Wachstum des BIP in diesen sechs Monaten nicht verschlechtert hatten, bestand kein Grund für diese Inkohärenz. Es existiert kein wirksamer Mechanismus zur Abschwächung möglicher Divergenzen zwischen für das Euro-Währungsgebiet finanzpolitisch wünschenswerten Entwicklungen und der Summe der finanzpolitischen länderspezifischen Empfehlungen für die Mitgliedstaaten.
Sehr knapp bemessener Zeitrahmen für die Umsetzung der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen
51Ihren Angaben zufolge erwartet die Kommission, dass MIP-relevante länderspezifische Empfehlungen binnen 12 bis 18 Monaten umgesetzt werden. Da diese Prognose häufig zu optimistisch ist, werden die Statistiken über die Umsetzung verzerrt. Viele MIP-relevante länderspezifische Empfehlungen sind komplex und erfordern Reaktionen einer großen Anzahl von Akteuren. Zahlreiche MIP-relevante länderspezifische Empfehlungen werden Jahr für Jahr wiederholt und daher als nicht umgesetzt erfasst. Die Praxis der Kommission steht im Gegensatz zu jener des IWF und der OECD, die beide ihre politischen Empfehlungen verstärkt thematisch ausrichten. In diesem Zusammenhang siehe Ziffer 78.
52Diese Problematik wurde in gewissem Maße bei der Umfrage unter den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaftspolitik durch die Antworten auf die Frage "Sind die länderspezifischen Empfehlungen für Ihren Mitgliedstaat realistisch?" bestätigt. Rund 53 % der Befragten hielten die länderspezifischen Empfehlungen für "realistisch", 26 % für "eher unrealistisch" und 11 % für "gar nicht realistisch" (siehe Abbildung j in Anhang VI). Als Hauptgrund dafür, dass die länderspezifischen Empfehlungen als unrealistisch eingeschätzt wurden, wurde der sehr knapp bemessene Umsetzungszeitrahmen angegeben.
Der Einstufung von Ungleichgewichten mangelt es an Transparenz, und es wurde noch nie ein EIP eingeleitet
53Dieser Abschnitt befasst sich mit der Logik und dem Prozess, die der Bewertung des Schweregrads von Ungleichgewichten durch die Kommission zugrunde liegen.
Das Kategoriensystem war zumeist komplex und wurde verändert
54In der MIP-Verordnung war vorgesehen, dass im Rahmen der Bewertung festgestellt werden sollte, ob in den jeweiligen Mitgliedstaaten keine Ungleichgewichte, Ungleichgewichte oder übermäßige Ungleichgewichte bestehen.
552012 legte die Kommission jedoch fünf Kategorien fest. Diese wurden 2013 auf sechs erweitert. 2014 wurde ein anderer Satz von sechs Kategorien angewandt. Die Kategorien unterschieden sich je nach Schweregrad des jeweiligen Ungleichgewichts und Umfang der erforderlichen Überwachung. 2016 schließlich wurden die Kategorien auf nur vier beschränkt (siehe Tabelle 3). Die meisten der vom Hof befragten Akteure begrüßten die Verringerung insofern, als dadurch das Verfahren vereinfacht wurde.
2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 |
---|---|---|---|---|---|
Keine Ungleichgewichte | Keine Ungleichgewichte | Keine Ungleichgewichte | Keine Ungleichgewichte | ||
DK, LU, MT | AT, BE, EE, HU, RO, UK | FI | |||
Ungleichgewichte, die nicht übermäßig sind, aber angegangen werden müssen | Ungleichgewichte, die einer Überwachung und politischer Maßnahmen bedürfen | Ungleichgewichte, die politische Maßnahmen und ein Monitoring erfordern | Ungleichgewichte | ||
BE, BG, DK, FI, SE, UK | BE, BG, DK, FI, MT, NL, SE, UK | BE, BG, DE, FI, NL, SE, UK | BE, FI, NL, RO, SE, UK | ||
Schwerwiegende Ungleichgewichte, die nicht übermäßig sind, aber angegangen werden müssen | Ungleichgewichte, die entschlossene politische Maßnahmen und ein Monitoring erfordern | Ungleichgewichte, die entschlossene politische Maßnahmen und ein Monitoring erfordern | |||
FR, HU, IT, SI | FR, HU, IT | HU | DE, HU | ||
Sehr schwerwiegende Ungleichgewichte, die nicht übermäßig sind, aber dringend angegangen werden müssen | Ungleichgewichte, die entschlossene politische Maßnahmen und ein spezifisches Monitoring erfordern | ||||
CY, ES | ES, FR, IE | ES, IE, SI | DE, ES, FI, IE, NL, SE, SI | DE, ES, IE, NL, SE, SI | |
Übermäßige Ungleichgewichte, die kontinuierliche, starke politische Maßnahmen (spezifisches Monitoring) erfordern | Übermäßige Ungleichgewichte, die entschlossene politische Maßnahmen und ein spezifisches Monitoring erfordern | Übermäßige Ungleichgewichte | |||
ES | |||||
Übermäßige Ungleichgewichte, die dringende politische Maßnahmen (spezifisches Monitoring) erfordern | |||||
SI | HR, IT, SI | BG, FR, HR, IT, PT | BG, CY, FR, HR, IT, PT | BG, CY, FR, HR, IT, PT | |
Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht | Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht | Übermäßige Ungleichgewichte, die entschlossene politische Maßnahmen und die Einleitung des Verfahrens bei einem übermäßigen Ungleichgewicht erfordern | Übermäßige Ungleichgewichte mit Korrekturmaßnahmenplan (Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht) |
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
56In allen Systemen zur Einstufung seit 2013 gibt es eine Kategorie zur Feststellung übermäßiger Ungleichgewichte, doch hat die Kommission in den betreffenden Fällen nie eine Einleitung des EIP vorgeschlagen. Diese Möglichkeit ist in der MIP-Verordnung nicht ausdrücklich vorgesehen (siehe Kasten 3). Aus den Unterlagen der Kommission geht nicht klar hervor, woher die Praxis stammt, übermäßige Ungleichgewichte festzustellen, aber keine Einleitung eines EIP zu empfehlen. Die entsprechende Entscheidung dürfte auf politischer Ebene gefallen sein. Bislang hat die Kommission ohne klare Begründung stets vermieden, die Einleitung eines EIP zu empfehlen (siehe Ziffer 63).
Kasten 3
Wann sollte das EIP eingeleitet werden?
In Artikel 2 der MIP-Verordnung werden nur "Ungleichgewichte" und "übermäßige Ungleichgewichte" definiert.
In Artikel 7 Absatz 1 über die Einleitung eines EIP heißt es: "Gelangt die Kommission auf der Grundlage der eingehenden Überprüfung nach Artikel 5 zu der Auffassung, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat übermäßige Ungleichgewichte bestehen, unterrichtet sie das Europäische Parlament, den Rat und die Eurogruppe darüber." Gemäß Artikel 7 Absatz 2 "kann" der Rat das Verfahren einleiten, wonach diese Entscheidung dem Ermessen des Rates unterliegt.
Die Kommission geht jedoch davon aus, dass sie über Ermessensbefugnisse bezüglich der Empfehlung eines EIP verfügt, selbst wenn sie zu der Auffassung gelangt, dass in einem Mitgliedstaat übermäßige Ungleichgewichte bestehen. Ihren Angaben zufolge stützt sie diese Auslegung auf Artikel 121 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union:
"Wird im Rahmen des Verfahrens nach Ziffer 3 festgestellt, dass die Wirtschaftspolitik eines Mitgliedstaats nicht mit den in Ziffer 2 genannten Grundzügen vereinbar ist oder das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion zu gefährden droht, so kann die Kommission eine Verwarnung an den betreffenden Mitgliedstaat richten."
Der Zusammenhang zwischen der Analyse und der Kategorie der Ungleichgewichte ist nicht immer klar
57Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der MIP-Verordnung sollte eine eingehende Überprüfung durch die Kommission "eine Prüfung der Frage [umfassen], ob der […] Mitgliedstaat von Ungleichgewichten betroffen ist und ob diese Ungleichgewichte übermäßige Ungleichgewichte darstellen". Dies bedeutet, dass die Kommission einen klaren Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsanalyse und der gewählten Kategorie von Ungleichgewichten herstellen muss.
58In der Praxis enthalten die eingehenden Überprüfungen keine Schlussfolgerungen über die Einstufung der in den Mitgliedstaaten bestehenden Ungleichgewichte. Diese Schlussfolgerungen sind vielmehr Bestandteil der begleitenden Mitteilung der Kommission. Darüber hinaus stellte der Hof fest, dass die empfohlenen Schlussfolgerungen über Ungleichgewichte nicht immer eindeutig auf die Analysen zurückzuführen sind, die in der entsprechenden eingehenden Überprüfung vorgenommen wurden. Beispiele:
- Im Jahr 2015 wurde Bulgarien auf Empfehlung der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen drei Kategorien höher eingestuft, nämlich von "Ungleichgewichte, die politische Maßnahmen und ein Monitoring erfordern" auf "übermäßige Ungleichgewichte, die entschlossene politische Maßnahmen und ein spezifisches Monitoring erfordern". Der entsprechende Beschluss beruhte größtenteils auf dem Zusammenbruch einer Bank im Jahr 2014 und der dadurch ausgelösten Sorge der Kommission um die finanzielle Stabilität. Die Einstufung wurde 2016 beibehalten, obwohl die eingehende Überprüfung in dem Jahr ergab, dass keine der finanziellen Risiken, die 2015 festgestellt worden waren, tatsächlich eingetreten waren.
- Frankreich wurde 2015 im Anschluss an eine Empfehlung der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, das Verfahren zu verschärfen, um eine Stufe - auf "übermäßige Ungleichgewichte, die entschlossene politische Maßnahmen und ein spezifisches Monitoring erfordern" - heraufgesetzt. Nach Ansicht des Hofes wurden in der eingehenden Überprüfung bezüglich der Faktoren, die der Bewertung zugrunde lagen, keine erheblichen Veränderungen von einem Jahr zum nächsten festgestellt. Gleichzeitig wurde, wenngleich Frankreich auch im VÜD (der korrektiven Komponente des SWP) befindlich war, das Verfahren nicht verschärft, obwohl der Begriff "übermäßig" in der eingehenden Überprüfung lediglich im Zusammenhang mit dem Haushaltsdefizit verwendet wurde.
- In der eingehenden Überprüfung 2016 für das Vereinigte Königreich (das sich seit 2008 im VÜD befindet) wurde der Schluss gezogen, dass keine Ungleichgewichte vorlagen, und infolge des Warnmechanismus-Berichts 2017 für das Vereinigte Königreich war nicht einmal eine eingehende Überprüfung erforderlich. Dies war der Fall, obwohl in der eingehenden Überprüfung 2016 auf ein anhaltend großes Leistungsbilanzdefizit (in dem Jahr das EU-weit größte) und einen kontinuierlichen Anstieg der - bereits überhöhten - Wohnimmobilienpreise seit 2013 hingewiesen wurde.
Die Situation wurde 2017 weiter verschlimmert, als die vollumfänglichen eingehenden Überprüfungen durch "Zusammenfassungen" in den Länderberichten ersetzt wurden (siehe Ziffer 69).
60Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung legt nahe, dass die Analysearbeit und die Einstufung funktional getrennt erfolgen. In den Jahren 2012, 2014 und 2017 wurden die eingehenden Überprüfungen und die Mitteilung über die Einstufung am selben Tag veröffentlicht, während 2013 und 2016 zuerst die eingehenden Überprüfungen und zwei Wochen später die Einstufung von Ungleichgewichten veröffentlicht wurden. Im Jahr 2015 wurde die Einstufung der Ungleichgewichte einen Tag vor den eingehenden Überprüfungen veröffentlicht.
In den späten Phasen ist der Prozess in erster Linie politisch, nicht fachlich
61Das derzeitige Verfahren der Kommission zur Einstufung von Ungleichgewichten umfasst mehrere Schritte. Zunächst übermitteln Bedienstete der Kommission dem Kommissionsmitglied für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten schriftliche Vorschläge bezüglich der Einstufung jedes Mitgliedstaats, für den eine eingehende Überprüfung durchgeführt wurde. Der Hof stellte fest, dass diese Vorschläge klare fachliche Ratschläge enthalten und sowohl für die verschiedenen Länder als auch über die Jahre kohärent sind.
62Nach Erwägung dieser Vorschläge durch das Kabinett des Kommissionsmitglieds und zusätzlich seit 2014 durch das Kabinett des Vizepräsidenten für den Euro und den sozialen Dialog (der für das MIP mitverantwortlich ist) wird der Entwurf einer Mitteilung den Kabinetten sämtlicher Kommissionsmitglieder zur Begutachtung und schließlich dem Kollegium der Kommissionsmitglieder selbst zur Annahme übermittelt.
63Im Zeitraum 2012-2016 wurden in bestimmten Mitgliedstaaten in 16 Fällen übermäßige Ungleichwichte festgestellt, doch das Kollegium hat dem Rat nie einen Vorschlag zur Einleitung eines EIP vorgelegt. Im Zuge der Prüfung durch den Hof legte die Kommission nur wenige Nachweise vor, die erklären könnten, warum das Kollegium nie ein EIP vorschlug.
64Die systematisch unterbliebene Einleitung des EIP hat die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit des MIP verringert. Dieser Ansicht waren auch einige Akteure, die angaben, dass das Verfahren durch die unterbliebene Einleitung untergraben werde, sowohl in Bezug auf die durch das Verfahren ermöglichte Bewältigung von Ungleichgewichten als auch hinsichtlich seiner abschreckenden Wirkung. Im Bericht der fünf Präsidenten24 wird ebenfalls empfohlen, das MIP vollumfänglich einzusetzen, einschließlich der Einleitung des EIP. Auch die EZB äußerte sich wie folgt: "Zur Steigerung der Reformdynamik ist es erforderlich, dass alle im Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht verfügbaren Instrumente - einschließlich der korrektiven Komponente - wirksam eingesetzt werden." Sie hat diese Aussage mehrfach wiederholt25.
65Andere Akteure legen nahe, dass ein Einsatz des EIP unter nicht eindeutigen Bedingungen ebenfalls seine Glaubwürdigkeit beeinträchtigen würde und dass es nur angewandt werden sollte, wenn die Umstände sehr klar dafür sprechen.
66Die MIP-Verordnung überträgt der Kommission die alleinige Zuständigkeit, was die Einstufung von Ungleichgewichten betrifft. Allerdings stellte der Hof mehrere Unzulänglichkeiten bezüglich der Art und Weise der Umsetzung fest:
- Erstens wurden dem Hof keine Nachweise dafür vorgelegt, dass das Kollegium und die Kabinette über ein offizielles Verfahren verfügen, in dem die Vorschläge der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen berücksichtigt und ihr Austausch dokumentiert wird.
- Zweitens wurde bis 2017 der Entwurf für eine Mitteilung über Ungleichgewichte erst sehr spät an das Kollegium weitergereicht. Dies stellte einen Verstoß gegen die internen Vorschriften der Kommission dar, die sicherstellen sollen, dass das Kollegium seine Entscheidungen sorgfältig abgewogen hat.
- Drittens liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine klare schriftliche Orientierungshilfe dazu vor, unter welchen Umständen die Kommission eine Einleitung des EIP vorschlagen könnte.
Der Stellenwert der eingehenden Überprüfungen ist im Laufe der Zeit erheblich gesunken. Die Qualität der Analysen ist nach wie vor gut, doch sind in Bezug auf zentrale Aspekte der eingehenden Überprüfungen Verbesserungen erforderlich
67Dieser Abschnitt befasst sich mit der sich wandelnden Form, in der die eingehenden Überprüfungen vorgelegt werden, und mit der Qualität der Analyseinstrumente und Wirtschaftsanalysen, mit denen die Kommission Ungleichgewichte feststellt und bewertet.
Der Stellenwert der eingehenden Überprüfungen ist im Laufe der Zeit erheblich gesunken
68Die Grenzen zwischen den eingehenden Überprüfungen und den jährlichen Länderberichten verschwimmen zunehmend. Die Kommission hat sich bemüht, ihre Analyse und die politischen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten im breit gefassten Rahmen des Europäischen Semesters und der damit einhergehenden politischen Koordinierung zu "straffen". Durch die Zusammenführung der eingehenden Überprüfungen mit den Länderberichten rückte das MIP mit seinen konkreten Zielsetzungen - der Feststellung und Vermeidung von Ungleichgewichten - aus dem Fokus.
69In den ersten drei Jahren waren die eingehenden Überprüfungen eigenständige Dokumente, die hauptsächlich von der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, mit Beiträgen der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration und anderen Generaldirektionen, erarbeitet wurden. Seit 2015 gehören die eingehenden Überprüfungen zu Abschnitt 2 der Länderberichte. Dieser Abschnitt 2 enthält außerdem das Ergebnis einer Analyse, die zuvor Teil einer (mittlerweile abgeschafften) Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zur Bewertung der NRP der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem Europäischen Semester waren. Mit der Zusammenführung entfiel der Abschnitt "Politische Herausforderungen" der eingehenden Überprüfungen (eine Zusammenfassung wichtiger makroökonomischer Herausforderungen und möglicher Antworten). Außerdem sind die in den Länderberichten verwendeten Überschriften jetzt standardisiert und tragen somit dem Schweregrad der Ungleichgewichte in den Mitgliedstaaten keineswegs Rechnung.
70Im Jahr 2016 wurde die Einbuße des Abschnitts "Politische Herausforderungen" teilweise durch die Einführung einer "MIP-Bewertungsmatrix" ausgeglichen, einer nützlichen Tabelle, die die wichtigsten Ergebnisse der eingehenden Überprüfung zusammenfasst. Diese Tabelle enthält allerdings keine Hinweise auf mögliche Maßnahmen zur Bewältigung der in der eingehenden Überprüfung ermittelten Herausforderungen.
71Das Format der Länderberichte wurde 2017 weiter verändert: Zusätzlich zu einer allgemeinen Kürzung reduzierte die Kommission die eingehende Überprüfung auf die MIP-Bewertungsmatrix und eine knappe Wiedergabe der wichtigsten Feststellungen (Abschnitt 3). Einzelheiten der wichtigsten die Mitgliedstaaten betreffenden Fragen, einschließlich makroökonomischer Ungleichgewichte, sind in Abschnitt 4 mit dem Titel "Reformprioritäten" nach Thema geordnet dargelegt. Die Überschrift von Themen mit Relevanz für das MIP, die in der Zusammenfassung in Abschnitt 3 erwähnt werden, ist mit einem Sternchen gekennzeichnet.
72Diese Formatänderungen wurden durch das Generalsekretariat der Kommission vorangetrieben, dessen Bedeutung im Prozess im Laufe der Zeit zugenommen hat. Das Generalsekretariat leitet nun auch die Erarbeitung von Länderberichten durch Länderteams, die sich aus Vertretern sämtlicher Dienststellen der Kommission zusammensetzen. Die Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration stellt nun einen größeren Anteil der analytischen Informationen zur Verfügung26, insbesondere in Bezug auf Beschäftigung und soziale Entwicklungen, und die eingehenden Untersuchungen/Länderberichte sind nun weniger ein reines Produkt der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen. Die befragten Akteure gaben an, dass das MIP durch diese Entwicklungen an Sichtbarkeit eingebüßt habe.
73Seit der Zusammenführung wurde die Mitteilung über die eingehenden Überprüfungen durch eine viel breiter gefasste Mitteilung über die Länderberichte ersetzt. Um dieser Problematik zu begegnen, veröffentlichte die Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen im Juni 2015 einen Überblick über die Erkenntnisse der eingehenden Untersuchungen desselben Jahres27. Darin wurden Entwicklungen hervorgehoben, die länderübergreifend verzeichnet worden waren und im Zusammenhang mit der sich wandelnden Wirtschaftslandschaft standen. Ein solcher Überblick wurde weder 2016 noch 2017 (bis dato) veröffentlicht.
74Die Analyse der makroökonomischen Ungleichgewichte ist nun Teil der Gesamtanalyse der Strukturprobleme in einem Mitgliedstaat. Der Frage der Ungleichgewichte wird ein geringerer Stellenwert beigemessen als zu der Zeit, als die eingehende Überprüfung noch ein eigenständiges Dokument war. Dies erschwert es, kurzfristige (Ungleichgewichte) von langfristigen (Wachstums-)Problemen zu unterscheiden.
75Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Bemühungen zur "Straffung" des Europäischen Semesters die Sichtbarkeit des MIP verringert haben. Eine wirksame Kommunikation ist jedoch von zentraler Bedeutung, um der Öffentlichkeit das Verfahren und die Herausforderung, die makroökonomische Ungleichgewichte für Mitgliedstaaten darstellen, zu vermitteln. Eine verbesserte Kommunikation ist darüber hinaus erforderlich, um die nationale Eigenverantwortung im Zusammenhang mit dem MIP zu stärken. Dieser Standpunkt wurde bei den Informationsbesuchen des Hofes von den Akteuren wiederholt nachdrücklich vertreten.
Trotz eines guten Analyseniveaus müssen einige Aspekte der eingehenden Überprüfungen verbessert werden
76Im November 2016, fünf Jahre nach Einführung des MIP, veröffentlichte die Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen das Dokument "The Macroeconomic Imbalance Procedure - Rationale, Process, Application: A Compendium". Das Kompendium greift weitgehend auf Analysematerial zurück, das Ausschüssen des Rates vorgelegt oder zuvor in verschiedenen Formaten veröffentlicht wurde. Die Konsolidierung des gesamten Rahmenwerks in dieser Veröffentlichung ist, obgleich sie zu einem späten Zeitpunkt erfolgte, zu begrüßen, da sie Mitgliedstaaten und weiteren Akteuren ein besseres Verständnis des MIP und insbesondere der Gründe für bestimmte Entscheidungen ermöglicht hat.
77Im Kompendium sind einige Analyseinstrumente beschrieben, die die Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen bei der Bewertung makroökonomischer Ungleichgewichte einsetzt. Das Dokument ließe sich jedoch weiter verbessern, insbesondere durch Informationen zu den Instrumenten, die die Kommission in anderen wiederkehrenden Analysen - beispielsweise zur Stabilität des Bankensystems, zu MIP-relevanten Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und zur Qualität der Arbeitsmarktpolitik - einsetzt.
78Den vom Hof befragten Akteuren und Experten zufolge war das Analyseniveau in den eingehenden Überprüfungen im Allgemeinen gut. Die Kommission berücksichtigt alle länderspezifischen Umstände und sonstigen relevanten Informationen, die von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden. Einige Mitgliedstaaten waren der Ansicht, dass es notwendig sei, den Informationsaustausch zu verbessern, und die Kommission hat in der jüngsten Vergangenheit Anstrengungen in diesem Sinne unternommen.
79Dies wurde im Rahmen der Umfrage des Hofes unter den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaftspolitik bestätigt. Der Großteil der Befragten (89 %) bezeichnete die Qualität der eingehenden Überprüfungen für den eigenen Mitgliedstaat als "gut", 11 % bezeichneten sie als "durchschnittlich". Keiner von ihnen hielt die Qualität für "sehr gut", "schlecht" oder "sehr schlecht" (siehe Abbildung d in Anhang VI). 68 % der Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaftspolitik stellten "keinen Unterschied" zwischen den eingehenden Überprüfungen und ähnlichen Berichten vergleichbarer Einrichtungen fest, während 26 % der Ansicht waren, sie seien besser, und 5 % der Ansicht, sie seien schlechter (siehe Abbildung u in Anhang VI). Alle Befragten waren sich darin einig, dass die eingehenden Überprüfungen einschlägige länderspezifische Informationen berücksichtigten (53 %: "in hohem Maße" und 47 %: "in gewissem Maße", siehe Abbildung e in Anhang VI).
80Anders als die Berichte anderer internationaler Organisationen (IWF, OECD), die einen "thematischen" Ansatz verfolgen, behandeln die eingehenden Überprüfungen oft Jahr für Jahr dieselben Fragen. Selbst in Anbetracht der Tatsache, dass einige Ungleichgewichte andauern und nicht ignoriert werden können, führt dies häufig zur Wiederholung von Analysen mit geringem Mehrwert und zu einer Botschaft, die im Wesentlichen jedes Jahr gleich bleibt.
81In der MIP-Verordnung ist vorgesehen, dass die Kommission die "tiefen Handels- und Finanzverflechtungen zwischen den Mitgliedstaaten und [die] Ansteckungseffekte der nationalen Wirtschaftspolitiken" berücksichtigt28. Die Kommission hat eine Reihe von wirtschaftspolitischen Instrumenten entwickelt29, um diese Aspekte einzubeziehen.
82Allerdings ist die Analyse der Spill-over-Effekte30 häufig unzulänglich. In den vier ausgewählten Mitgliedstaaten wurde sie relativ uneinheitlich angewandt. Zum Beispiel wurde bis 2014 der Ansteckung über Staatsschulden31 Sloweniens (Spill-over-Effekte von außen) nur begrenzt Beachtung geschenkt. In Bezug auf Bulgarien wurden die allgemeinen Marktbedingungen für diesen kleinen Mitgliedstaat außerhalb des Euro-Währungsgebiets außer Acht gelassen. Das Ignorieren von Spill-over-Effekten führt dazu, dass die Kommission sich zu sehr auf die den einzelnen Mitgliedstaaten inhärenten Entwicklungen konzentriert.
83Seit 2015 werden äußere Spill-over-Effekte in den eingehenden Überprüfungen der fünf größten Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets aufgeführt. Dies ist eine begrüßenswerte Entwicklung.
84Innere Spill-over-Effekte wurden in der Stichprobe eingehender Überprüfungen in Bezug auf jedes Jahr erwähnt, wobei jedoch Abdeckungsbereich und Tiefe der Ausführungen variierten. Zum Beispiel wurde die Ansteckung über Staatsschulden anderer Mitgliedstaaten selbst in den Jahren 2012 und 2013, als die Renditedifferenzen von Staatsanleihen32 besonders hoch waren, nicht ausführlich berücksichtigt.
85Im Zusammenhang mit Spill-over-Effekten ist abschließend darauf hinzuweisen, dass die verwendeten Analyseinstrumente nicht durchgehend Teil der Länderanalyse sind. Verbesserungen waren festzustellen, allerdings insbesondere dank der Veröffentlichung der MIP-Bewertungsmatrix ab 2016.
86Im Allgemeinen wird in den eingehenden Überprüfungen nicht bewertet, wie sich die Finanzpolitik auf externe Ungleichgewichte auswirkt. Der einzige Mitgliedstaat, der bis dato einer umfassenden Bewertung unterzogen wurde, ist Deutschland; hier wird ein großer Leistungsbilanzüberschuss verzeichnet. Hingegen wurde für Länder mit einem strukturellen Leistungsbilanzdefizit, einem stark negativen Nettoauslandsvermögensstatus oder einer schwachen Wettbewerbsfähigkeit keine vergleichbare Analyse vorgenommen (siehe Kasten 4). Was die finanzpolitische Situation betrifft, sind die eingehenden Überprüfungen im Wesentlichen auf eine knappe Erörterung der Entwicklungen des öffentlichen Schuldenstands beschränkt.
Kasten 4
Externe Ungleichgewichte und Haushaltspolitik
Die Kommission führte im Rahmen ihrer eingehenden Überprüfungen 2015 und 2016 eine umfassende Analyse der Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands durch und gelangte zu dem Schluss, dass das Land seinen haushaltspolitischen Spielraum (die Möglichkeit, höhere Ausgaben zu tätigen, ohne die Kriterien des SWP zu verletzen) nutzen sollte, um die Binnennachfrage anzukurbeln und die öffentlichen Investitionen zu steigern. 2016 schwächte der Rat den Vorschlag der Kommission ab, indem er den Teil der Empfehlung, der sich auf den haushaltspolitischen Spielraum bezog, streichen ließ.
2017 enthielt der Abschnitt über die eingehende Überprüfung des Länderberichts Deutschland außerdem eine Analyse33 der positiven Spill-over-Effekte, die eine expansive Haushaltspolitik auf das Euro-Währungsgebiet hätten. Die Kommission rief Deutschland erneut zum Einsatz von haushaltspolitischen Instrumenten auf, sowohl um seine eigene derzeitige Leistungsbilanz auszugleichen als auch um andere Länder dabei zu unterstützen, ihr Zahlungsbilanzdefizit zu bewältigen. Die Erwähnung der Auswirkungen der Haushaltspolitik auf externe Ungleichgewichte und Wettbewerbsfähigkeit war ein wichtiger Fortschritt.
Dessen ungeachtet hat die Kommission weder die Verbindung zwischen der Haushaltspolitik und schwachen Außenbeiträgen in anderen systemrelevanten Mitgliedstaaten (insbesondere Spanien und Frankreich) analysiert, noch hat sie eine Straffung der Haushaltspolitik dieser Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Abbau der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte empfohlen.
In der eingehenden Überprüfung 2015 für Spanien wurde die Verbesserung der Gesamtleistungsbilanz als permanent bewertet. Dabei wurden wichtige zyklische Aspekte außer Acht gelassen, wie etwa die Abwertung des Euro, Maßnahmen der EZB, die dazu beigetragen hatten, die Zinssätze auf Auslandsschulden zu reduzieren, und verringerte Importpreise aufgrund eines stark gesunkenen Erdölpreises. In ihrer eingehenden Überprüfung 2016 machte sich die Kommission die Verbesserung der Gesamtaußenbeiträge zunutze, um einer Erörterung der Entwicklung der strukturellen Leistungsbilanz aus dem Weg zu gehen. Der stark negative Nettoauslandsvermögensstatus wurde wiederholt als Schwachstelle erwähnt; dabei wurde jedoch kein Zusammenhang zur Haushaltspolitik Spaniens hergestellt, die ungeachtet des unlängst wiederbelebten Wachstums, das schneller voranschritt als die potenzielle Wirtschaftswachstumsrate, bereits expansiv war.
In ihrer eingehenden Überprüfung 2017 für Frankreich stellte die Kommission eine schwache Wettbewerbsfähigkeit und einen Marktanteilverlust der Ausfuhren an die wichtigsten Handelspartner fest, untersuchte aber nicht den möglichen Einsatz haushaltspolitischer Maßnahmen zum Abbau der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte und zur Verlagerung von Ressourcen auf den Sektor der handelbaren Güter.
Im Fall von Slowenien und Bulgarien stellte der Hof Unzulänglichkeiten bezüglich der Analyse von Ungleichgewichten und bezüglich der daraus hervorgehenden politischen Empfehlungen fest (siehe Kasten 5).
Kasten 5
Beispiele für Schwachstellen bei der Analyse von Ungleichgewichten
➢ Im Zusammenhang mit der Frage der Arbeitsmarktreform enthielt die eingehende Überprüfung für Slowenien 2013 die Warnung, dass die Erhöhung des Mindestlohns erhebliche negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben werde, darunter möglicherweise eine Verzögerung des Beschäftigungsaufschwungs, einen nach Wiedereinsetzen des Wirtschaftswachstums erhöhten Druck auf die Löhne sowie in der Folge das Risiko eines weiteren Rückgangs der Wettbewerbsfähigkeit. In der Mitteilung über die Einstufung des Jahres 2013 wurde die Erhöhung des Mindestlohns als einer der Gründe für die strengere Einstufung Sloweniens im Rahmen des MIP auf "übermäßige Ungleichgewichte" angegeben.
Eine Reihe von Fakten deutet darauf hin, dass die Kommission bei ihrer Bewertung größere Sorgfalt walten lassen sollte:
- Die Angaben zum Ausmaß der Auswirkungen beruhten auf einem Dokument34, in dem Daten aus dem Jahr 2008 lediglich zur Schätzung der konstanten Elastizität der Nachfrage nach Arbeitskräften herangezogen worden waren. Weitere Informationsquellen35, die zur gleichen Zeit verfügbar waren, deuteten darauf hin, dass die Auswirkungen der Anhebung des Mindestlohns weitaus geringer ausfallen würden.
- Die Kommission berücksichtigte nicht die sektorenbezogene Aufschlüsselung der Angestellten, die den Mindestlohn erhalten, um ein Verständnis der Auswirkungen auf die Beschäftigung und die Wettbewerbsfähigkeit insgesamt zu erlangen.
- Die Folgenabschätzung für Slowenien unterschied sich stark von jener für vergleichbare Mitgliedstaaten, in denen der Mindestlohn stärker angehoben wurde, mehr Beschäftigte betroffen waren und Mindestlohn und Durchschnittslohn in einem ähnlichen Verhältnis zueinander standen (z. B. Bulgarien).
Die düsteren Beschäftigungsprognosen für Slowenien bewahrheiteten sich schließlich nicht, was die OECD zu der Schlussfolgerung bewog, die Ergebnisse entsprächen den Prognosen, die eine (mäßig) nachteilige Wirkung voraussagten36.
➢ In der eingehenden Überprüfung 2013 für Slowenien wurde behauptet, die staatseigenen Banken litten unter einer oftmals suboptimalen Unternehmensführung, und geschlussfolgert, dass eine Privatisierung dazu beitragen würde, offensichtliche Schwachstellen bei der Unternehmensführung zu beseitigen. Konkrete Beispiele für diese Probleme der Unternehmensführung wurden jedoch nicht genannt.
➢ In ihrer eingehenden Überprüfung 2015 für Bulgarien wies die Kommission darauf hin, dass Banken im inländischen Besitz bei von ihnen gewährten Unternehmenskrediten im Durchschnitt höhere Zinsen ansetzten, und argumentierte, dass dieses Profil auf Unterschiede zum übrigen Bankensystem hindeute, und zwar nicht nur hinsichtlich der durchschnittlichen Bonität von Kreditnehmern, sondern auch in Bezug auf Verwaltungsstandards, Kreditvergabepraktiken, Art der Sicherheit und das zugrunde liegende Portfoliorisiko. Auch in diesem Fall wurden keine weiteren Analysen oder Belege zur Stützung dieser Schlussfolgerungen vorgelegt.
Die Kommission fuhr mit der Feststellung fort, dass im inländischen Besitz stehende Banken in ihren Berichten eine bessere Aktiva-Qualität vermeldet hätten als vergleichbare Banken im ausländischen Besitz, und äußerte Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Bankenaufsicht. Diese Tatsache mag unzulängliche Berichterstattungspraktiken und das Risiko versteckter Verluste widerspiegeln, doch lässt sich die Schlussfolgerung in Bezug auf Verwaltungsstandards, Vergabe und Sicherheit damit nicht stützen.
Der Warnmechanismus-Bericht und das Scoreboard spielen im Rahmen des MIP nur eine begrenzte Rolle
88Dieser Abschnitt befasst sich mit dem Mehrwert des Warnmechanismus-Berichts im Rahmen des MIP und den Eigenschaften des Scoreboards zur Erleichterung einer frühzeitigen Feststellung von Ungleichgewichten.
89Die Länge des Warnmechanismus-Berichts hat sich seit Einführung des MIP mehr als verdoppelt (siehe Abbildung 6).
Abbildung 6
Länge des Warnmechanismus-Berichts, 2012-2017
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Eine Verbesserung der Qualität der Bewertung ist damit allerdings nicht einhergegangen, da das Dokument nach wie vor in hohem Maß beschreibender Natur ist37:
- Im ersten Teil des Warnmechanismus-Berichts werden hauptsächlich allgemeine Trends in den Volkswirtschaften sowie die Entwicklungen in Bezug auf die verschiedenen Indikatoren des Scoreboards dargelegt. Dies geschieht ohne tiefergehende Auseinandersetzung mit den Implikationen dieser Entwicklungen (Spill-over-Effekte oder kausale Faktoren) und ohne das Bestreben, die treibenden Kräfte hinter etwaigen Trends zu ermitteln.
- Der zweite Teil des Warnmechanismus-Berichts besteht aus einer Beschreibung des Scoreboards sowie einer kurzen länderspezifischen Bewertung der Risiken in Bezug auf Ungleichgewichte sowie der diesbezüglichen Anpassungen.
Der unmittelbare Nutzen der Warnmechanismus-Berichte bei der Ermittlung der Mitgliedstaaten, die von eingehende Überprüfungen erfordernden Ungleichgewichten bedroht sind, entfällt aufgrund der Praxis der Kommission, eingehende Überprüfungen für Mitgliedstaaten verpflichtend vorzuschreiben, bei denen im Vorjahr Ungleichgewichte festgestellt wurden (siehe Anhang IX). Die Trägheit, die den Prozess dadurch erfasst hat, ist in Abbildung 7 veranschaulicht.
Abbildung 7
In einem MIP befindliche Mitgliedstaaten (2012-2017)
Anmerkung: Mitgliedstaaten, in denen im Jahr der eingehenden Überprüfung der Bewertung zufolge "keine Ungleichgewichte" bestanden, sind mit einem Sternchen gekennzeichnet.
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Die Ausgestaltung des Scoreboards im Warnmechanismus-Bericht ist für die Erleichterung der frühzeitigen Feststellung von (sich verschlimmernden) makroökonomischen Ungleichgewichten ungeeignet:
- Sie ist rückwärtsgewandt, da sie auf zwei Jahre alten Daten beruht.
- Zahlreiche Indikatoren sind entweder gleitende Durchschnittswerte oder Bestandsvariablen (siehe Tabelle 4), weshalb eine Anpassung oder Berücksichtigung aktueller Entwicklungen nur langsam erfolgt.
Eigenschaft | Indikator |
---|---|
Gleitender 3-Jahres-Durchschnitt | Leistungsbilanzsalden in % des BIP Realer effektiver Wechselkurs - 42 Handelspartner, HVPI-Deflator Index nominaler Lohnstückkosten (2010=100) Arbeitslosenquote Erwerbsquote in % der Gesamtbevölkerung von 15-64, Prozentpunkte Langzeitarbeitslosigkeit in % der Erwerbspersonen von 15-74, Prozentpunkte) Jugendarbeitslosigkeit in % der Erwerbspersonen von 15-24, Prozentpunkte |
Gleitender 5-Jahres-Durchschnitt | Exportmarktanteile - % der Weltausfuhren |
Bestandsvariablen | Nettoauslandsvermögensstatus (in % des BIP) Privatsektorverschuldung, konsolidiert (in % des BIP) Gesamtstaatlicher Schuldenstand (in % des BIP) |
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
93Einige wichtige Indikatoren, die für die Feststellung von Ungleichgewichten von Bedeutung sind, sind im Scoreboard nicht ausdrücklich angeführt. Dazu zählen beispielsweise Inflation, Unternehmensrentabilität und notleidende Kredite.
94Das Scoreboard wurde mehrmals überarbeitet, wobei sich Anzahl, Art und Präsentation der Indikatoren änderten. Die letzte Überarbeitung erfolgte 2016, als drei soziale Indikatoren38 von den "Zusatzindikatoren" zu den Leitindikatoren des Scoreboards verschoben wurden. Diese drei Indikatoren sind jedoch eng miteinander verknüpft, und ihr Nutzen für die frühzeitige Feststellung von Ungleichgewichten ist begrenzt, zumal sie den Folgen von Störungen des Wirtschaftsgeschehens Rechnung tragen. Sowohl die Befragten der Umfrage unter den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (siehe Abbildung c in Anhang VI) als auch eine große Mehrheit von Akteuren waren der Ansicht, dass dies nicht zu einer Verbesserung des Scoreboard beigetragen hat.
95In der Phase des Warnmechanismus-Berichts hat das Scoreboard begrenzten Nutzen, danach keinen. Erwartungsgemäß ermittelte der Hof einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Anzahl der Indikatoren, die den Schwellenwert überschreiten, und sowohl der Entscheidung, eine eingehende Überprüfung einzuleiten, als auch der Einstufung von Ungleichgewichten. Allerdings fällt der statistische Zusammenhang in beiden Fällen sehr gering aus (siehe Abbildung 8), was bestätigt, dass die Entscheidung, eine eingehende Überprüfung einzuleiten, sich nicht mechanistisch aus dem Scoreboard ableitet. Darüber hinaus setzt die Kommission für ihre Analysen im Rahmen der eingehenden Überprüfungen nicht die Scoreboard-Indikatoren ein, sondern nutzt eine größere Zahl von Analyseinstrumenten sowie aktuellere Daten39.
Abbildung 8
Zusammenhang zwischen der Anzahl der Indikatoren, die den Schwellenwert überschreiten, und a) der Einleitung von eingehenden Überprüfungen bzw. b) der Einstufung von Ungleichgewichten, 2012-2017
Anmerkung: Die schwarzen Punkte stellen den Mittelwert dar. Die Kategorie "Übermäßige Ungleichgewichte mit EIP" ist nicht abgebildet, da bislang noch kein Mitgliedstaat in diese Kategorie eingestuft wurde.
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Zwar hat das Scoreboard für die Entscheidungsfindung nur begrenzte Bedeutung, doch ergab sich aus den Gesprächen mit den Akteuren, dass es ein hohes Maß an öffentlicher Beachtung genießt, da die Reihe der Indikatoren, die den Schwellenwert überschreiten, leicht zu vermitteln ist. Laien gewinnen jedoch möglicherweise keinen vollständigen Überblick über die Art und die Einzelheiten der Ungleichgewichte in einem Mitgliedstaat, wenn sie sich auf die Anzahl der Indikatoren, die den Schwellenwert überschreiten, verlassen, anstatt die gesamte eingehende Überprüfung zu lesen. Die Hinzufügung des Scoreboards als Anhang des Länderberichts seit 2016 könnte den falschen Eindruck verstärken, es sei für die Bewertung des Schweregrads von Ungleichgewichten von zentraler Bedeutung.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
97Die Gesamtschlussfolgerung des Hofes lautet, dass die Kommission trotz der allgemein guten Ausgestaltung des MIP das Verfahren nicht so umsetzt, dass eine wirksame Vermeidung und Korrektur von Ungleichgewichten sichergestellt ist. Es ist daher erforderlich, dass die Kommission bestimmte Aspekte ihrer Verwaltung des MIP wesentlich verbessert. Ein kürzlich erzielter Fortschritt ist es, dass die Spill-over-Effekte der restriktiven Haushaltspolitik in einigen Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt einer niedrigen Produktionsleistung im Euro-Währungsgebiet in Angriff genommen wurden.
Umsetzung der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen
98Die MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen wurden von den Mitgliedstaaten nur in geringem Maße umgesetzt (siehe Ziffer 33).
99Erst nachdem sie länderspezifische Empfehlungen erstellt hat, entscheidet die Kommission, welche davon MIP-relevant sind. Selbst dann ist diese Bezeichnung in einigen Fällen nicht angemessen, da der Zusammenhang mit der Analyse der eingehenden Überprüfung bestenfalls in Teilen oder entfernt besteht. Als MIP-relevant bezeichnete Empfehlungen sind oft eine Mischung aus Maßnahmen, die strukturelle Fragen im Zusammenhang mit potenziellem Wachstum betreffen, und solchen, die kurz- oder mittelfristige makroökonomische Ungleichgewichte betreffen. In einigen Fällen haben die MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen mit makroökonomischen Ungleichgewichten gar nichts zu tun (siehe Ziffern 35-38 und 43).
100Seit der "Straffung" 2015 sind die MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen kürzer und allgemeiner formuliert als früher. Dies hat die Bewertung ihrer Umsetzung und ihres Beitrags zur Beseitigung von Ungleichgewichten erschwert. Der Zeitrahmen für die Umsetzung ist sehr knapp bemessen (siehe Ziffern 39-42 und 51-52).
101Abschließend ist festzuhalten, dass keine systematische Ex-ante- oder Ex-post-Bewertung der wirtschaftlichen Auswirkungen von MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen erfolgt (siehe Ziffern 44-46).
Empfehlung 1
- Die Kommission sollte systematisch einen Zusammenhang zwischen MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen und den makroökonomischen Ungleichgewichten, die in der eingehenden Überprüfung festgestellt werden, herstellen. Die in die MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen aufgenommenen Maßnahmen sollten ausreichend detailliert sein, damit ihre Umsetzung eine wesentliche und merkliche Verringerung von Ungleichgewichten ermöglicht.
- Ferner sollte die Kommission eine klare Unterscheidung zwischen politischen Maßnahmen im Rahmen des MIP, die für einen kurz- bis mittelfristigen Abbau von Ungleichgewichten zur Verhinderung von Krisen konzipiert sind, und Reformen vornehmen, mit denen die Akkumulation von Ungleichgewichten vermieden werden soll, indem das potenzielle Wachstum auf lange Sicht angekurbelt wird.
- Wo immer möglich, sollte die Kommission Ex-ante- und Ex-post-Bewertungen der Auswirkungen der in den MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen vorgesehenen politischen Maßnahmen auf Ungleichgewichte durchführen.
- Die Kommission sollte einen realistischen Zeitrahmen festlegen, um die Umsetzung der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen zu erleichtern.
Diese Maßnahmen sollten bis zum MIP-Zyklus 2019 (der im Herbst 2018 beginnt) eingeführt worden sein.
Einstufung von Ungleichgewichten
102Die eingehenden Überprüfungen selbst beinhalten keine Schlussfolgerungen hinsichtlich der Einstufung von Ungleichgewichten für Mitgliedstaaten. Ferner ist der Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsanalyse in der eingehenden Überprüfung und der Einstufung von Ungleichgewichten nicht immer klar. Das Problem hat sich verschärft, seit die vollumfänglichen eingehenden Überprüfungen durch "Zusammenfassungen" in den Länderberichten ersetzt wurden (siehe Ziffern 57-60).
103Die Dienststellen der Kommission wenden, was ihre Vorschläge über die Einstufung von Ungleichgewichten an das Kollegium betrifft, einen klaren Kriterienkatalog an. Die Prüfungsnachweise deuten allerdings darauf hin, dass es an einem formellen Prozess zur Entscheidungsfindung auf politischer Ebene mangelt und dass die Kommission bisweilen gegen ihre eigenen internen Vorschriften verstößt (siehe Ziffern 61-62 und 66).
104Die Kommission hat noch nie eine Einleitung des EIP vorgeschlagen, obwohl sie dies mehrmals in Betracht gezogen hat. Die Kommission legt die MIP-Verordnung so aus, dass eine Feststellung übermäßiger Ungleichgewichte nicht notwendigerweise einen Vorschlag zur Einführung des EIP erfordert (siehe Ziffern 63-65).
Empfehlung 2
- Wie in der MIP-Verordnung vorgesehen, sollte die Kommission in den eingehenden Überprüfungen eine klare Beschreibung des Schweregrads der Ungleichgewichte vorlegen, mit denen ein Mitgliedstaat konfrontiert ist.
- Die Kommission sollte klare Kriterien und Prozesse zur Einstufung von Ungleichgewichten annehmen, veröffentlichen und anwenden.
- Wenn in einem Mitgliedstaat Hinweise auf übermäßige Ungleichgewichte vorliegen, sollte die Kommission - sofern nicht spezifische Umstände dagegen sprechen - die Einleitung eines EIP empfehlen, insbesondere dann, wenn ein hohes Risiko in puncto Instabilität besteht, die Ungleichgewichte andauern oder Spill-over-Effekte hatten oder wenn Abhilfemaßnahmen sich als unbefriedigend erwiesen haben. Wenn die Kommission unter spezifischen Umständen ihre Ermessensbefugnisse nutzt und vom Einleiten dieser Maßnahme absieht, sollte sie ihre Beweggründe klar und öffentlich darlegen.
Diese Maßnahmen sollten bis zum MIP-Zyklus 2019 (der im Herbst 2018 beginnt) eingeführt worden sein.
- Im Zusammenhang mit der Überprüfung des MIP 2019 sollte die Kommission Änderungen der MIP-Verordnung vorschlagen, um die Umstände zu kodifizieren, unter denen die Kommission eine Einleitung des EIP nicht empfehlen würde, selbst wenn sie zu dem Schluss gelangt ist, dass ein Mitgliedstaat mit übermäßigen Ungleichgewichten konfrontiert ist.
Merkmale der eingehenden Überprüfungen
105Seit 2015 wurden die eingehenden Überprüfungen schrittweise in die Länderberichte verlagert, die in erster Linie die umfassende wirtschaftliche Koordinierung der Strukturpolitik behandeln, und die Grenzen zwischen diesen beiden Dokumenten verschwimmen zunehmend. 2017 wurden detaillierte Analysen sämtlicher Hauptfragen in Bezug auf einen Mitgliedstaat in einem einzigen Abschnitt des Länderberichts zusammengefasst. Sie sind darin thematisch geordnet, wobei MIP-relevante Themen entsprechend gekennzeichnet sind (siehe Ziffern 68-72).
106Diese Entwicklungen haben die Sichtbarkeit des MIP eingeschränkt und die Ermittlung MIP-relevanter Herausforderungen zunehmend erschwert. Durch die Verkürzung der eingehenden Überprüfungen wurde der Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsanalyse und sowohl der Einstufung von Ungleichgewichten als auch den damit verbundenen MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen zusätzlich geschwächt (siehe Ziffern 59 und 73-75).
107Darüber hinaus ist das Scoreboard für die eingehenden Überprüfungen nicht von zentraler Bedeutung, doch wird dieser Eindruck suggeriert, da es 2016 dem Länderbericht als Anhang hinzugefügt wurde (siehe Ziffern 95-96).
Empfehlung 3
- Um eine klare Bewertung des Schweregrads der makroökonomischen Ungleichgewichte in einem Land vorzunehmen und die Ermittlung der am besten geeigneten Maßnahmen zu erleichtern, sollte die Kommission gesondert eine umfassende eingehende Überprüfung vorlegen, deren Umfang und Detaillierungsgrad der Schwere der Situation und den politischen Herausforderungen entspricht.
- Anstatt das Scoreboard mit der eingehenden Überprüfung zu veröffentlichen, sollte die Kommission die Datenbank der länderspezifischen Variablen zugänglich machen, die in ihrer Analyse tatsächlich verwendet wurden.
Diese Maßnahmen sollten bis zum MIP-Zyklus 2019 (der im Herbst 2018 beginnt) eingeführt worden sein.
Anerkennung der Auswirkungen von Haushaltspolitik auf externe Ungleichgewichte und Wettbewerbsfähigkeit
108Trotz eines gewissen Grads an Wiederholungen im Laufe der Jahre weisen die eingehenden Überprüfungen im Allgemeinen ein gutes Analyseniveau auf. Allerdings werden die Auswirkungen der Haushaltspolitik auf externe Ungleichgewichte nicht immer in die Analyse einbezogen oder bei der Formulierung der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt, selbst wenn in einer eingehenden Überprüfung Ungleichgewichte in Bezug auf Auslandspositionen festgestellt werden, die eng mit der Haushaltspolitik verknüpft sind. Der Kommission sind diese Zusammenhänge bekannt, doch ist sie im Allgemeinen der Auffassung, dass fiskalische Fragen im Rahmen des SWP behandelt werden. Der SWP ist allerdings auf haushaltspolitische Nachhaltigkeit beschränkt, berücksichtigt nicht die Effekte der Haushaltspolitik auf externe Ungleichgewichte und befasst sich zudem nicht mit der Haushaltspolitik von Mitgliedstaaten, die ihre Nachhaltigkeitskriterien erfüllen (siehe Ziffern 78-80 und 86-87).
Empfehlung 4
Sofern angemessen, sollte die Kommission in den eingehenden Überprüfungen die Auswirkungen haushaltspolitischer Maßnahmen auf externe Ungleichgewichte und Wettbewerbsfähigkeit systematisch analysieren und das MIP nutzen, um den Mitgliedstaaten Empfehlungen vorzulegen, wenn sich haushaltspolitische Fragen unmittelbar auf externe Ungleichgewichte auswirken. Dies sollte sowohl auf Mitgliedstaaten angewandt werden, die große Leistungsbilanzüberschüsse verzeichnen, als auch auf solche mit großem Defizit.
Diese Maßnahme sollte bis zum MIP-Zyklus 2019 (der im Herbst 2018 beginnt) eingeführt worden sein.
Dimension des Euro-Währungsgebiets
109Der Fokus des MIP liegt zu sehr auf einzelnen Volkswirtschaften und nicht in ausreichendem Maße auf Spill-over-Effekten. Folglich werden politische Maßnahmen mit einer günstigen Auswirkung auf andere Mitgliedstaaten oder symmetrische Ausgleichsmaßnahmen innerhalb des Euro-Währungsgebiets im Rahmen der MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen nicht ausreichend gefördert (siehe Ziffern 81-85).
110Die MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen sind nicht immer kohärent mit den Empfehlungen der Kommission für das gesamte Euro-Währungsgebiet (siehe Ziffern 47-50).
Empfehlung 5
- Die Kommission sollte im Rahmen des MIP-Prozesses Strategien mit länderübergreifenden Auswirkungen, die zur symmetrischen Wiederherstellung des Gleichgewichts innerhalb des Euro-Währungsgebiets beitragen können, systematisch berücksichtigen.
- Die Kommission sollte die MIP-relevanten länderspezifischen Empfehlungen mit den Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet in Einklang bringen, die für Ungleichgewichte relevant sind - sofern angemessen auch im Hinblick auf den allgemeinen fiskalischen Kurs.
Diese Maßnahmen sollten bis zum MIP-Zyklus 2019 (der im Herbst 2018 beginnt) eingeführt worden sein.
Sichtbarkeit und Vermittlung des MIP
111Eine wirksame Kommunikation ist entscheidend, um ein verstärktes öffentliches Bewusstsein für das MIP und seine konkreten Ziele bezüglich der Feststellung, Minderung und Vermeidung von makroökonomischen Ungleichgewichten sowie für die Herausforderungen, die Ungleichgewichte für Mitgliedstaaten darstellen, zu schaffen. Eine verbesserte Kommunikation ist darüber hinaus erforderlich, um die nationale Eigenverantwortung im Zusammenhang mit dem MIP zu stärken (siehe Ziffern 1-6, 54-56, 68-72, 88-91 und 94-96).
Empfehlung 6
Die Kommission sollte dem MIP dadurch einen höheren Stellenwert verleihen, dass
- sie in ihrer Kommunikation mit den Mitgliedstaaten in höherem Maß darauf Bezug nimmt;
- die zuständigen Kommissionsmitglieder den Parlamenten der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, wenn die Kommission Ungleichgewichte als übermäßig eingestuft hat, um die Beweggründe für ihre Entscheidungen und die entsprechenden politischen Empfehlungen darzulegen.
Diese Maßnahmen sollten bis zum MIP-Zyklus 2019 (der im Herbst 2018 beginnt) eingeführt worden sein.
Dieser Bericht wurde von Kammer IV unter Vorsitz von Herrn Baudilio TOMÉ MUGURUZA, Mitglied des Rechnungshofs, in ihrer Sitzung vom 28. November 2017 in Luxemburg angenommen.
Für den Rechnungshof
![](../img/EN-CH01-PH33.jpg)
Klaus-Heiner LEHNE
Präsident
Anhang
Anhang I
Detailliertes Flussdiagramm des Verfahrens bei einem Makroökonomischen Ungleichgewicht
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Anhang II
Liste veröffentlichter Dokumente, die für das MIP relevant sind
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Anhang III
Aktueller Satz von Leitindikatoren
Indikatoren | Indikative Schwellenwerte |
---|---|
Leistungsbilanzsalden in % des BIP (3-Jahres-Durchschnitt) |
-4/6 % |
Nettoauslandsvermögensstatus (in % des BIP) | -35 % |
Realer effektiver Wechselkurs - 42 Handelspartner, HVPI-Deflator Prozentuale Veränderung (3 Jahre) |
±5 % (Euro-Währungsgebiet) ±11 % (Nicht-Euro-Währungsgebiet) |
Exportmarktanteile - % der Weltausfuhren Prozentuale Veränderung (5 Jahre) |
-6 % |
Index nominaler Lohnstückkosten (2010=100) Prozentuale Veränderung (3 Jahre) |
9 % (Euro-Währungsgebiet) 12 % (Nicht-Euro-Währungsgebiet) |
Wohnimmobilienpreisindex (2010 = 100), deflationiert Prozentuale Veränderung (1 Jahr) |
6 % |
Kreditstrom des Privatsektors, konsolidiert (in % des BIP) |
14 % |
Privatsektorverschuldung, konsolidiert (in % des BIP) |
133 % |
Gesamtstaatlicher Schuldenstand (in % des BIP) |
60 % |
Arbeitslosenquote (3-Jahres-Durchschnitt) | 10 % |
Gesamtverbindlichkeiten des Finanzsektors, nicht konsolidiert Prozentuale Veränderung (1 Jahr) |
16,5 % |
Erwerbsquote in % der Gesamtbevölkerung von 15-64 Veränderung in Prozentpunkten (3 Jahre) |
-0,2 pp |
Langzeitarbeitslosenquote in % der Erwerbspersonen von 15-74 Veränderung in Prozentpunkten (3 Jahre) |
0,5 pp |
Jugendarbeitslosigkeit in % der Erwerbspersonen von 15-24 Veränderung in Prozentpunkten (3 Jahre) |
2 pp |
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Anhang IV
Auswahl der Mitgliedstaaten für die Stichprobenerhebung
Die Stichprobe beruhte auf den ersten vier Jahren des MIP und einer Auswahlliste von Mitgliedstaaten, von der folgende Mitgliedstaaten ausgeschlossen waren:
- Mitgliedstaaten, für die in den ersten vier Jahren keine eingehende Überprüfung eingeleitet worden war:
- Mitgliedstaaten, die sich in einem makroökonomischen Anpassungsprogramm befanden und während des Programmzeitraums nicht für das MIP berücksichtigt wurden: Irland, Griechenland, Zypern, Portugal, Rumänien;
- Mitgliedstaaten, für die der Warnmechanismus-Bericht in mindestens einem Jahr ergeben hatte, dass sie nicht von Ungleichgewichten betroffen waren bzw. kein entsprechendes Risiko bestand: Tschechische Republik, Dänemark, Deutschland, Estland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Slowakei;
- Mitgliedstaaten, für die die Bewertung sich nicht veränderte: Belgien, Ungarn, Finnland, Schweden, Vereinigtes Königreich;
- Kroatien, das erst kürzlich der Europäischen Union beigetreten ist.
Übrig blieben Bulgarien, Spanien, Frankreich, Italien und Slowenien.
Da Frankreich und Italien für die Prüfung des VÜD ausgewählt wurden und einige Eigenschaften gemeinsam haben (größerer Gründungsmitgliedstaat im Euro-Währungsgebiet), beschloss der Hof, einen der beiden Mitgliedstaaten aus der Stichprobe auszuschließen. Frankreich wurde für die Prüfung ausgewählt, da die Bewertung seiner Ungleichgewichte einen stärkeren Variationsgrad aufwies.
Die endgültige Liste war eine repräsentative Stichprobe großer und kleiner Mitgliedstaaten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Euro-Währungsgebiets.
Trotz ihres geringen Umfangs entsprach die Stichprobe von vier Mitgliedstaaten ungefähr einem Viertel der Bevölkerung und des BIP der EU.
Anhang V
Qualitatives Ranking zur Bewertung der Umsetzung länderspezifischer Empfehlungen
Die Kommission wendet die folgenden Kategorien an, um die Umsetzung länderspezifischer Empfehlungen zu bewerten:
- Vollständig umgesetzt: Der Mitgliedstaat hat Maßnahmen beschlossen und umgesetzt, mit denen angemessen auf die länderspezifische Empfehlung reagiert wird.
- Substanzielle Fortschritte: Der Mitgliedstaat hat Maßnahmen beschlossen, von denen die meisten umgesetzt wurden.
- Einige Fortschritte: Der Mitgliedstaat hat Maßnahmen zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlung angekündigt oder angenommen. Diese Maßnahmen sind vielversprechend, doch es wurden noch nicht alle Maßnahmen umgesetzt und die Umsetzung ist nicht in allen Fällen gesichert.
- Beschränkte Fortschritte: Der Mitgliedstaat hat einige Maßnahmen zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlung angekündigt; diese erscheinen jedoch unzureichend und/oder ihre Annahme/Umsetzung ist gefährdet.
- Keine Fortschritte: Der Mitgliedstaat hat keine Maßnahmen zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlung angekündigt oder angenommen.
Anhang VI
Umfrage unter den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaftspolitik
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Anhang VII
Prüfbesuche bei Behörden und sonstigen Einrichtungen der Mitgliedstaaten
Oberste Rechnungs-kontrollbehörde |
Vertretung der Europäischen Union | Ministerium für Finanzen | Rat für Finanzpolitik | Zentral-bank | Ministerium für Arbeit | Industrie- und Handelskammer | Sonstige | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Bulgarien | √ | √ | √ | √ | √ | √ | √ | Ministerium für Bildung und Wissenschaft, IME, ABB |
Frankreich | √ | √ | √ | √ | √ | √ | Generalsekretariat für europäische Angelegenheiten, MEDEF, CFDT, France Stratégie, Conseil d’Analyse Economique, OFCE, Coe-Rexecode | |
Slowenien | √ | √ | √ | √ | √ | √ | IMAD, Slovenian Sovereign Holdings | |
Spanien | √ | √ | √ | √ | √ | Wirtschaftskabinett der Präsidentschaft, Ministerium für Wirtschaft, CEOE, Cepyme, FEDEA, FROB |
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Anhang VIII
Entwicklung der Einstufung von Mitgliedstaaten, 2012-2017
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Anhang IX
Anzahl und Art der eingehenden Überprüfungen
2012-2017 | % | |
---|---|---|
Eingehende Überprüfungen, in denen Ungleichgewichte festgestellt werden | 80 | 88,9 |
Eingehende Überprüfungen, in denen keine Ungleichgewichte festgestellt werden | 10 | 11,1 |
Insgesamt | 90 | 100 |
2. Jahr | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
2013-2017 | Eingehende Überprüfung | Keine eingehende Überprüfung | |||||
Ungleich-gewichte | Übermäßige Ungleichgewichte | Keine Ungleich-gewichte | Keine eingehende Überprüfung | Makroökonomisches Anpassungsprogramm | |||
1. Jahr | Eingehende Überprüfung | Ungleichgewichte | 39 | 5 | 7 | 0 | 1 |
Übermäßige Ungleichgewichte | 2 | 14 | 0 | 0 | 0 | ||
Keine Ungleichgewichte | 0 | 0 | 0 | 9 | 0 | ||
Keine eingehende Überprüfung | Keine eingehende Überprüfung | 3 | 0 | 3 | 39 | 0 | |
Makroökonomisches Anpassungsprogramm | 2 | 2 | 0 | 0 | 12 | ||
Neuer Mitgliedstaat der EU | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | ||
Insgesamt | 46 | 22 | 10 | 48 | 13 |
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
Abkürzungen und Akronyme
EIP: Excessive Imbalance Procedure (Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht)
EZB: Europäische Zentralbank
GD ECFIN: Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen
GD EMPL: Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration
IWF: Internationaler Währungsfonds
MIP: Macroeconomic Imbalance Procedure (Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht)
NRP: Nationales Reformprogramm
OECD: Organisation for Economic Cooperation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)
SWP: Stabilitäts- und Wachstumspakt
VÜD: Verfahren bei einem übermäßigen Defizit
Glossar
Ausschuss für Wirtschaftspolitik: Berät die Kommission und den Rat, wurde durch den Beschluss 74/122/EWG des Rates vom 18. Februar 1974 eingesetzt. Der Ausschuss unterstützt den Rat bei der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten und der EU. Er setzt sich aus jeweils zwei Vertretern jedes Mitgliedstaats, der Kommission und der EZB zusammen.
Europäisches Semester: Jährlicher Zyklus zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik der EU. Das Semester umfasst haushaltspolitische Maßnahmen gemäß dem Stabilitäts- und Wachstumspakt, die Vermeidung übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte (im Rahmen des MIP) sowie Strukturreformen im Zusammenhang mit der Strategie Europa 2020. Ergebnis des Europäischen Semesters sind länderspezifische Empfehlungen für die Mitgliedstaaten.
Nationales Reformprogramm (NRP): Ein jährlich erarbeitetes Dokument, in dem die Strategien und Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung sowie zur Umsetzung der Ziele der Strategie Europa 2020 dargestellt sind.
Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP): Eine für alle Mitgliedstaaten der EU verbindliche Vereinbarung aus dem Jahr 1997, die 2005 und 2011 novelliert wurde, über die Umsetzung der Bestimmungen des Vertrags von Maastricht zur Tragfähigkeit der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten in erster Linie dadurch, dass öffentliches Defizit und öffentlicher Schuldenstand in einem akzeptablen Rahmen gehalten werden.
Strategie Europa 2020: EU-Agenda für Wachstum und Beschäftigung für das laufende Jahrzehnt. Im Rahmen der Strategie wurden fünf Kernziele festgelegt, die in Form von sieben Leitinitiativen Ausdruck finden. Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten haben nationale Ziele festgelegt, die zur Erreichung der EU-Gesamtziele beitragen sollen, und erstatten in ihren nationalen Reformprogrammen (NRP) darüber Bericht.
Endnoten
1 Artikel 121 und 148 AEUV.
2 Ein Paket von fünf EU-Verordnungen und einer Richtlinie, die am 13. Dezember 2011 in Kraft traten. Drei Verordnungen betreffen die verbesserte haushalts- und finanzpolitische Überwachung, während mit der Richtlinie die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten harmonisiert werden sollen. Die verbleibenden zwei Verordnungen betreffen die Verfahren für das MIP und die Durchsetzung von Korrekturmaßnahmen.
3 Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).
4 Spill-over-Effekte bzw. Ansteckungseffekte sind in Fußnote 30 definiert.
5 Erwägungsgrund 20 der MIP-Verordnung.
6 Darüber hinaus zieht die Kommission 28 Hilfsindikatoren als zusätzliche Informationsquelle heran (http://ec.europa.eu/eurostat/cache/Imbalance_Scoreboard/MIPs_AUX_DE_banner.html).
7 Siehe Verordnung (EU) Nr. 1174/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 8).
8 Der Hof schloss seine Analyse zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der eingehenden Überprüfungen im Februar 2017 ab; die Analyse umfasste daher nicht die länderspezifischen Empfehlungen 2017.
9 In Anhang IV ist die Stichprobenmethodik des Hofes dargelegt.
10 Das Ranking für die Bewertung der Umsetzung länderspezifischer Empfehlungen ist Anhang V zu entnehmen. Die Umfrage des Hofes unter den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (siehe Ziffer 24) ergab, dass die Bewertungen der Kommission ihrer Ansicht nach im Allgemeinen zutreffend waren (siehe Abbildung o in Anhang VI).
11 Sonderbericht Nr. 10/2016 "Weitere Verbesserungen sind erforderlich, um die wirksame Anwendung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit zu gewährleisten" (http://eca.europa.eu).
12 Von Mai 2013 bis März 2016 befand sich Zypern in einem makroökonomischen Anpassungsprogramm.
13 Artikel 13 Absätze 1 und 2.
14 Eingehende Überprüfung "Implementation of the Macroeconomic Imbalance Procedure - state-of-play" (Juni 2017) - PE 497.739.
15 Der Definition der Kommission im Ranking für die Bewertung der Umsetzung länderspezifischer Empfehlungen zufolge bedeutet die Kategorie "einige Fortschritte", dass der Mitgliedstaat "Maßnahmen zur Umsetzung der […] länderspezifischen Empfehlung angekündigt oder angenommen [hat]. Diese Maßnahmen sind vielversprechend, doch es wurden noch nicht alle Maßnahmen umgesetzt und die Umsetzung ist nicht in allen Fällen gesichert." Bei diesem Umsetzungsstand kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass die Ungleichgewichte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verringert werden.
16 "Institutional Paper 039" der Europäischen Kommission, November 2016, "The Macroeconomic Imbalance Procedure - Rationale, Process, Application: A Compendium", S. 50.
17 Nach Ansicht des Hofes würde der logische Prozess von der Feststellung von Ungleichgewichten über die Erwägung politischer Optionen (einschließlich Schätzungen der Auswirkungen) bis zur Ausarbeitung länderspezifischer Empfehlungen führen.
18 COM(2015) 600 final vom 21. Oktober 2015 "Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat und die Europäische Zentralbank über Schritte zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion", S. 9.
19 Dem Länderbericht Spanien 2015 (S. 59) zufolge ist angesichts eines relativ starken Vorwärtsverknüpfungseffekts davon auszugehen, dass die durch eine wettbewerbsfördernde Reform der freiberuflichen Dienstleistungen erzielte Senkung der Gewinnspannen eine preisstabilisierende Wirkung habe, die voraussichtlich auch der übrigen Wirtschaft zugutekommen werde. Ferner wird auf eine Studie der Kommission ("The Economic Impact of Professional Services Liberalisation", European Economy Economic Papers 533, September 2014) über die Auswirkungen von regulatorischen Schranken in vier Berufsgruppen in der EU zwischen 2008 und 2011 Bezug genommen.
20 In ihrem ersten "Review of progress on policy measures relevant for the correction of macroeconomic imbalances" 2014 für Frankreich gibt die Kommission die Feststellungen einer OECD-Studie von 2014 über die Effekte von Reformen wieder, die von der französischen Regierung seit 2012 durchgeführt bzw. angekündigt wurden.
21 Die Kommission wandte ein makroökonomisches Modell (QUEST) an, um abzuschätzen, wie Strukturreformen sich in einem gegebenen Mitgliedstaat auf das Wachstum auswirken würden, wenn es dem Mitgliedstaat gelänge, in Bezug auf die wichtigsten Wirtschaftsindikatoren den Rückstand gegenüber dem Durchschnitt der drei leistungsstärksten EU-Mitgliedstaaten aufzuholen.
22 Der fiskalische Kurs ist eine Schätzung der mithilfe der Haushaltpolitik absichtlich erzeugten Impulse.
23 COM(2016) 727 vom 6. November 2016.
24 "Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden", ein Bericht von Jean-Claude Juncker in enger Zusammenarbeit mit Donald Tusk, Jeroen Dijsselbloem, Mario Draghi und Martin Schulz, Juni 2015, S. 9: "[Die] korrektive Komponente [des MIP] sollte mit Nachdruck eingesetzt werden. [Das Verfahren] sollte eingeleitet werden, sobald übermäßige Ungleichgewichte festgestellt werden, und ebenfalls genutzt werden, um die Umsetzung von Reformen zu überwachen."
25 EZB, Wirtschaftsbericht, Ausgabe 2, Kasten 7, März 2017, S. 78. Weitere Äußerungen können dem Wirtschaftsbericht, Ausgabe 2, März 2015, Kasten 5, S. 53 und Ausgabe 2, März 2016, Kasten 8, S. 64 entnommen werden.
26 "The Macroeconomic Imbalance Procedure - Rationale, Process, Application: A Compendium", Kasten 3.1, S. 34.
27 "Occasional Paper 228, Macroeconomic Imbalances - Main findings of the in-depth reviews 2015".
28 Artikel 5 Absatz 2 der MIP-Verordnung.
29 Die Kommission hat eine Reihe von einschlägigen Wirtschaftsbewertungstechniken entwickelt. Diese umfassen z. B. Bewertungen von länderübergreifenden Lohnentwicklungen und Finanzströmen.
30 Der Begriff "Ansteckungs-" oder "Spill-Over-Effekt" bezeichnet eine Entwicklung in einem Mitgliedstaat, die sich auf die Wirtschaft eines anderen oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten auswirkt. "Innere Spill-over-Effekte" bezeichnen Auswirkungen auf einen bestimmten Mitgliedstaat ausgehend von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten. "Äußere Spill-over-Effekte" bezeichnen Auswirkungen ausgehend von einem Mitgliedstaat auf einen oder mehrere andere Mitgliedstaaten.
31 Eine Ansteckung über Staatsschulden liegt vor, wenn nachteilige Entwicklungen der Fremdkapitalkosten eines Landes mit denen eines anderen Landes korrelieren.
32 Eine Renditedifferenz von Staatsanleihen ist der in Prozentpunkten ausgedrückte Unterschied zwischen den Fremdkapitalkosten eines Landes im Vergleich zu einem Referenzwert. Im Euro-Währungsgebiet ist dieser Referenzwert üblicherweise der deutsche Zinssatz für die staatliche Kreditaufnahme.
33 SWD(2017) 71 final, Länderbericht Deutschland 2017 mit eingehender Überprüfung der Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte, Kasten 3.1, S. 21.
34 IMAD Working Paper Nr. 3/2010 "Estimation of the Impact of the Minimum Wage Rise in Slovenia".
35 Bank of Slovenia, "Price Stability Report", April 2010, Kasten 2.2.
36 OECD, "Connecting people with jobs: The labour market, activation policies and disadvantaged workers in Slovenia", 2016, S. 52.
37 Der Hof begrüßt jedoch die Einführung eines Kastens mit dem Titel "Makroökonomische Ungleichgewichte und die Dimension des Euro-Währungsgebiets" in den Warnmechanismus-Berichten 2016 und 2017.
38 Erwerbsquote, Langzeitarbeitslosenquote und Jugendarbeitslosenquote.
39 Im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit beziehen sich die eingehenden Überprüfungen auf die Tabellen "Wirtschaftliche, finanzielle und soziale Schlüsselindikatoren" (seit 2014 Bestandteil der eingehenden Überprüfungen) und "Arbeitsmarkt- und Sozialindikatoren" (seit 2015), wohingegen die Leistungsbilanz anhand spezifischer Details für das Vorjahr untersucht wird. Die Analyse des Finanzsektors im Rahmen der eingehenden Überprüfungen beruht auf einer großen Vielfalt weiterer Variablen (z. B. Habenzinssätze, Trend bzw. Unterschiede bei Kreditbedingungen, Nettozinsspannen, Bankenrentabilität).
1 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und die Europäische Zentralbank „Schritte zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion“ (COM(2015) 600 final vom 21. Oktober 2015).
2 „The Macroeconomic Imbalance Procedure – Rationale, Process, Application: A Compendium“ (Europäische Kommission, 2016).
3 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und die Europäische Zentralbank „Schritte zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion“ (COM(2015) 600 final vom 21. Oktober 2015).
Verfahrensschritt | Datum |
---|---|
Annahme des Prüfungsplans/Prüfungsbeginn | 31.5.2016 |
Offizielle Übermittlung des Berichtsentwurfs an die Kommission (oder eine andere geprüfte Stelle) | 28.9.2017 |
Annahme des endgültigen Berichts nach Abschluss des kontradiktorischen Verfahrens | 28.11.2017 |
Eingang der offiziellen Antworten der Kommission (oder einer anderen geprüften Stelle) in allen Sprachen | 15.12.2017 |
Prüferteam
Die Sonderberichte des Hofes enthalten die Ergebnisse seiner Wirtschaftlichkeits- und Compliance-Prüfungen zu spezifischen Haushaltsbereichen oder Managementthemen. Bei der Auswahl und Gestaltung dieser Prüfungsaufgaben ist der Hof darauf bedacht, maximale Wirkung dadurch zu erzielen, dass er die Risiken für die Wirtschaftlichkeit oder Compliance, die Höhe der betreffenden Einnahmen oder Ausgaben, künftige Entwicklungen sowie das politische und öffentliche Interesse abwägt.
Dieser Bericht wurde von Prüfungskammer IV - mit dem Schwerpunkt auf den Bereichen "Marktregulierung und wettbewerbsfähige Wirtschaft" - unter Vorsitz von Herrn Baudilio Tomé Muguruza, Mitglied des Hofes, erstellt. Die Prüfung stand unter der Leitung von Neven Mates, Mitglied des Hofes. Bei der Ausarbeitung des Berichts wurde Herr Mates von seinem Kabinettchef Georgios Karakatsanis und Kabinettattaché Marko Mrkalj sowie von Zacharias Kolias, Direktor, und Aufgabenleiter Giuseppe Diana unterstützt. Zum Prüferteam gehörten Stefano Sturaro, Shane Enright, Maëlle Bourque und Katia Mesonero-Herrera.
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