
Interessenkonflikte bei den Kohäsions‑ und Agrarausgaben der EU: Ein Rahmen ist vorhanden, aber Transparenz und Aufdeckung sind lückenhaft
Über den Bericht:Interessenkonflikte sind den EU-Haushalt beeinträchtigende Unregelmäßigkeiten, die entstehen, wenn eine an der Verwaltung des EU-Haushalts mitwirkende Person aus Gründen der familiären oder privaten Verbundenheit, der politischen Übereinstimmung oder der nationalen Zugehörigkeit, des wirtschaftlichen Interesses oder sonstiger persönlicher Interessen ihre Aufgaben nicht unparteiisch und objektiv wahrnehmen kann.
Der Hof untersuchte, ob Interessenkonflikte in der Agrar‑ und Kohäsionspolitik angemessen angegangen werden. Er gelangt zu dem Schluss, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten über einen Rahmen zur Vermeidung und zum Umgang mit Interessenkonflikten verfügen, jedoch Lücken in Bezug auf die Förderung von Transparenz und die Aufdeckung von Risikosituationen bestehen.
Der Hof empfiehlt der Kommission, Maßnahmen zu ergreifen, damit Interessenkonflikte besser vermieden, aufgedeckt und gemeldet werden können, und für mehr Transparenz zu sorgen.
Sonderbericht des Hofes gemäß Artikel 287 Absatz 4 Unterabsatz 2 AEUV.
Zusammenfassung
I Ein Interessenkonflikt ist eine Unregelmäßigkeit zum Nachteil des EU-Haushalts, die möglicherweise in Verbindung mit betrügerischen Handlungen steht. Definitionen von Interessenkonflikten finden sich in der EU-Haushaltsordnung und den Vergaberichtlinien der EU.
II Im Jahr 2018 wurde im Zuge der Überarbeitung von Artikel 61 der EU-Haushaltsordnung die Verpflichtung zur Vermeidung von Interessenkonflikten ausdrücklich auf Personen ausgeweitet, die im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung in den Mitgliedstaaten für die Verwaltung von EU-Mitteln zuständig sind. Ein Interessenkonflikt besteht, wenn eine am Vollzug des EU-Haushalts mitwirkende Person aus Gründen der familiären oder privaten Verbundenheit, der politischen Übereinstimmung oder der nationalen Zugehörigkeit, des wirtschaftlichen Interesses oder aus anderen Gründen, die auf direkten oder indirekten persönlichen Interessen beruhen, ihre Aufgaben nicht unparteiisch und objektiv wahrnehmen kann.
III Ziel der Prüfung war es, vor dem Hintergrund der überarbeiteten Rechtsvorschriften, der in der letzten Zeit aufgetretenen Fälle und im Interesse der wichtigsten Akteure und der Öffentlichkeit zu überprüfen, ob die Kommission und die Mitgliedstaaten Interessenkonflikte in der Gemeinsamen Agrarpolitik und in der Kohäsionspolitik angemessen angegangen sind. Mit der Prüfung sollte auf mögliche Mängel beim Umgang mit Interessenkonflikten auf Ebene der Kommission und der Mitgliedstaaten hingewiesen werden, und es sollten Empfehlungen für Verbesserungen ausgesprochen werden.
IV Der Hof bewertete die geltenden Vorschriften und Verfahren zur Vermeidung von Interessenkonflikten, Maßnahmen zu ihrer Aufdeckung und Lösung sowie zur Berichterstattung darüber.
V Er stellte fest, dass sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergriffen hatten, um gegen Interessenkonflikte anzugehen. Insbesondere im Hinblick auf die folgenden Bereiche besteht aber nach wie vor Handlungsbedarf: Förderung von Transparenz, Aufdeckung von Risikosituationen und umfassende Meldung von Fällen, in denen Interessenkonflikte bestehen, damit die Kommission und die Mitgliedstaaten sich einen klaren Überblick verschaffen können.
VI Der Hof empfiehlt der Kommission, Maßnahmen zu ergreifen, die ihr dabei helfen, Interessenkonflikte besser zu vermeiden und aufzudecken, sowie für mehr Transparenz zu sorgen.
Einleitung
Interessenkonflikte im Bereich des EU-Haushalts
01 Ein Interessenkonflikt ist eine Unregelmäßigkeit zum Nachteil des EU-Haushalts, die möglicherweise in Verbindung mit betrügerischen Handlungen steht. Gemäß dem Europäischen Gerichtshof stellt eine „Interessenverquickung [...] an sich und objektiv eine schwerwiegende Störung dar, ohne dass es auf die Absichten und die Gut- oder Bösgläubigkeit der Beteiligten ankäme“1. Definitionen von Interessenkonflikten finden sich in der EU-Haushaltsordnung2 und den Vergaberichtlinien der EU3.
02 Im Zuge der Überarbeitung von Artikel 61 der EU-Haushaltsordnung im Jahr 2018 wurde die Verpflichtung zur Vermeidung von Interessenkonflikten ausdrücklich auf Personen ausgeweitet, die in den Mitgliedstaaten an der Verwaltung von EU-Mitteln mitwirken. Artikel 61 gilt auch für Personen, die in Entscheidungen über vorbereitende Handlungen für die EU-Ausgabenprogramme eingebunden sind, z. B. Regierungsmitglieder. Ein Interessenkonflikt besteht gemäß Artikel 61 Absatz 3, wenn eine am Vollzug des EU-Haushalts mitwirkende Person aus Gründen der familiären oder privaten Verbundenheit, der politischen Übereinstimmung oder der nationalen Zugehörigkeit, des wirtschaftlichen Interesses oder aus anderen Gründen, die auf direkten oder indirekten persönlichen Interessen beruhen, ihre Aufgaben nicht unparteiisch und objektiv wahrnehmen kann.
03 Wenn ein vermeintlicher oder tatsächlicher Interessenkonflikt festgestellt wird, muss die zuständige Behörde sicherstellen, dass die betreffende Person sämtliche Tätigkeiten in dieser Angelegenheit einstellt. In Artikel 36 Absatz 3 der Haushaltsordnung wird eine wirksame interne Kontrolle beim Vollzug des EU-Haushalts gefordert, die auf bewährter internationaler Praxis beruht und die Vermeidung von Interessenkonflikten beinhaltet.
04 Für die Zwecke dieses Berichts wird „Interesse“ als Engagement, Verpflichtung, Pflicht oder Ziel definiert, das oder die mit einer bestimmten sozialen oder wirtschaftlichen Funktion oder Praxis einhergeht. Ein solches Interesse kann darauf abzielen, bestimmte Personen oder Gruppen zu begünstigen oder zu benachteiligen. Interessen können als direkt oder indirekt, finanziell oder nicht finanziell eingestuft werden (siehe Abbildung 1).
Quelle: Victorian Public Sector Commission, 2016.
05 Die OECD4 unterscheidet verschiedene Arten von Interessenkonflikten: tatsächliche, potenzielle und vermeintliche Interessenkonflikte. Die Unterschiede zwischen diesen Interessenkonflikten, die im EU-Recht nicht definiert sind, sind – übertragen auf den Kontext der EU-Finanzierung – Abbildung 2 zu entnehmen:
Abbildung 2 – Beispiele für tatsächliche, vermeintliche und potenzielle Interessenkonflikte
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
06 Zusätzlich können Interessenkonflikte, die private Begünstigte von EU-geförderten Projekten betreffen (z. B. Konflikte zwischen den Begünstigten und ihren Dienstleistern) und in der Haushaltsordnung nicht erfasst sind, durch nationale Vorschriften geregelt werden. Mit diesen Vorschriften sollen in der Regel die Überhöhung von Preisen, die Vorlage gefälschter Ausgabennachweise und die Umgehung der Förderfähigkeitsvorschriften verhindert werden5. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) hat in den letzten Jahren solche Fälle festgestellt6.
Interessenkonflikte im Bereich der geteilten Mittelverwaltung
07 Etwa die Hälfte der EU-Ausgaben unterliegt der geteilten Mittelverwaltung durch die Kommission und die Mitgliedstaaten (siehe Abbildung 3). Dies gilt für die beiden Agrarfonds – den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) – und die drei wichtigsten Fonds der Kohäsionspolitik: den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Kohäsionsfonds (KF).
Abbildung 3 – EU-Ausgaben, die der geteilten Mittelverwaltung unterliegen, im Jahr 2021
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage der von der Europäischen Kommission vorgelegten Jahresrechnung der Europäischen Union 2021.
08 Bei der geteilten Mittelverwaltung trägt die Kommission die Gesamtverantwortung für den Haushaltsvollzug. Die Kommission erlangt Gewähr durch die bestehenden internen Kontroll- und Berichterstattungssysteme, bietet den für die Durchführung und Prüfung zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten Orientierungshilfe und Unterstützung, führt Prüfungen durch und kann Finanzkorrekturen vornehmen, wenn die Mitgliedstaaten den EU-Haushalt nicht hinreichend schützen. Die Mitgliedstaaten müssen wirksame und verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen, um Unregelmäßigkeiten (wie Interessenkonflikte), einschließlich solcher, die auf Betrug zurückzuführen sind, im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung zu verhindern, aufzudecken und zu korrigieren und zu Unrecht gezahlte Beträge einzuziehen.
09 Im Bereich der Kohäsionspolitik prüfen die Verwaltungsbehörden Finanzhilfeanträge, wählen die zu fördernden Projekte aus, führen Verwaltungs- und Vor-Ort-Kontrollen durch, bewilligen Zahlungen, erheben Daten zu den einzelnen Vorgängen und ergreifen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen. Die Verwaltungsbehörden können einige ihrer Aufgaben zwischengeschalteten oder nachgeordneten Stellen übertragen. Hierbei kann es sich um Ministerien oder andere öffentliche oder private Stellen handeln. Unabhängige Prüfbehörden überprüfen das wirksame Funktionieren der Verwaltungssysteme und der internen Kontrollen operationeller Programme.
10 Im Bereich der Agrarpolitik (siehe Abbildung 4) verwalten die Verwaltungsbehörden die aus dem ELER finanzierten Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums. Die Verwaltung und Kontrolle der Ausgaben aus dem EGFL und dem ELER fallen in den Zuständigkeitsbereich der Zahlstellen. Sie können Aufgaben wie die Verwaltung von Beihilfeanträgen oder Vor-Ort-Kontrollen bei Endempfängern auf andere öffentliche oder private Stellen übertragen. Die Bescheinigenden Stellen geben eine Stellungnahme zur Vollständigkeit, Genauigkeit und sachlichen Richtigkeit der Jahresabschlüsse der Zahlstelle, zur ordnungsgemäßen Funktionsweise ihres internen Kontrollsystems sowie zur Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Ausgaben, deren Erstattung bei der Kommission beantragt wurde, ab.
Risiken von Interessenkonflikten und Schutz der Rechtsstaatlichkeit
11 Einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)7 zufolge können Interessenkonflikte im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung während des gesamten Projektmanagementzyklus erhebliche Risiken mit sich bringen. In der Antrags- und Auswahlphase von Projekten können Absprachen zwischen öffentlichen Bediensteten, Antragstellern und Dritten dazu führen, dass bei der Projektvergabe unfair vorgegangen wird. Es kann zu Versuchen, öffentliche Bedienstete zu bestechen, sowie zu Dokumentenfälschungen kommen. In der Abschluss- und Evaluierungsphase der Projekte kann die Objektivität der Evaluierungsberichte durch Interessenkonflikte gefährdet werden.
12 Im Januar 2022 veröffentlichte Transparency International die jüngste Ausgabe des Korruptionswahrnehmungsindexes (Corruption Perception Index, CPI). Mit diesem Index werden Bestechung sowie andere Formen der Veruntreuung öffentlicher Gelder gemessen. Es werden Mechanismen zur Prävention von Korruption wie die Fähigkeit von Regierungen, Integritätsmechanismen durchzusetzen, oder das Vorhandensein angemessener Gesetze zur Offenlegung von Finanzinformationen, zur Vermeidung von Interessenkonflikten und zur Sicherstellung des Zugangs zu Informationen bewertet. Insgesamt wird die EU durchschnittlich als weniger korrupt als andere Regionen wahrgenommen. Dänemark, Schweden und Finnland gehören zu den Spitzenreitern. Rumänien, Ungarn und Bulgarien sind die EU-Länder mit der niedrigsten Bewertung (siehe Abbildung 5).
Abbildung 5 – Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) 2021 – Europäische Union
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage der Korruptionswahrnehmungsindizes 2021 und 2022 von Transparency International.
13 Im Dezember 2020 nahmen das Europäische Parlament und der Rat die Verordnung 2020/2092 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union an. In der Verordnung werden mehrere Situationen genannt, die auf einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit hinweisen können. Gemäß Artikel 3 der Verordnung stellt „das Versäumnis, sicherzustellen, dass keine Interessenkonflikte bestehen“ eine solche Situation dar. Wenn solche Verstöße die wirtschaftliche Führung des Haushalts der Union hinreichend unmittelbar beeinträchtigen oder ernsthaft zu beeinträchtigen drohen, muss die Kommission geeignete Maßnahmen ergreifen. Im März 2022 veröffentlichte die Kommission Leitlinien für die Anwendung der Bestimmungen8. Am 27. April 2022 übermittelte die Kommission Ungarn eine schriftliche Mitteilung und leitete damit das in der Verordnung 2092/2020 vorgesehene Verfahren zum Schutz des EU-Haushalts förmlich ein. Am 18. September 2022 schlug die Kommission dem Rat Maßnahmen zum Schutz des EU-Haushalts und der finanziellen Interessen der EU vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn vor9.
Prüfungsumfang und Prüfungsansatz
14 Mit dieser Prüfung sollte vor dem Hintergrund der überarbeiteten Rechtsvorschriften, der in jüngster Zeit aufgetretenen Fälle und des Interesses der wichtigsten Akteure wie dem Europäischen Parlament und der Öffentlichkeit überprüft werden, ob Interessenkonflikte in der Gemeinsamen Agrarpolitik und in der Kohäsionspolitik angemessen angegangen werden. Dazu bewertete der Hof, ob die Kommission und die Mitgliedstaaten
- einen umfassenden Rechtsrahmen erlassen, geeignete Verfahren entwickelt und Sensibilisierungsmaßnahmen ergriffen hatten, um das Auftreten von Interessenkonflikten zu verhindern;
- Maßnahmen zur Aufdeckung und Lösung von Interessenkonflikten sowie zur Berichterstattung darüber ergriffen hatten.
15 Der Schwerpunkt der Prüfung lag auf Interessenkonflikten im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung wie in der Haushaltsordnung und der Vergaberichtlinie definiert, erfasst waren jedoch auch Interessenkonflikte, die private Begünstigte von EU-Ausgaben betrafen. Der Hof prüfte Maßnahmen, die aus dem EFRE und dem KF, dem ESF sowie dem EGFL und dem ELER finanziert wurden. Auf diese Fonds entfallen fast 95 % aller Ausgaben im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung.
16 Prüfungsnachweise wurden erlangt im Zuge
- einer Aktenprüfung strategischer, legislativer und politischer Dokumente sowie von Leitliniendokumenten zu Interessenkonflikten;
- von Befragungen von Vertretern aus fünf Generaldirektionen (GD) der Kommission10, des OLAF, der EUStA11, des Europäischen Bürgerbeauftragten, der OECD, der GRECO12, des Ethikbüros der Vereinten Nationen, von wissenschaftlichen Experten und Akademikern, Think Tanks und anderen relevanten Interessenträgern;
- von Befragungen von Vertretern aus über 50 für die Verwaltung der Kohäsions- und Agrarfonds zuständigen nationalen und regionalen Behörden in vier Mitgliedstaaten (Deutschland13, Ungarn, Malta und Rumänien) sowie von Nichtregierungsorganisationen. Der Hof wählte diese vier Mitgliedstaaten anhand von Kriterien wie ihrer Größe, der nationalen und regionalen Struktur, der geografischen Verteilung, der Höhe der EU-Beihilfe im Kohäsions- und im Agrarbereich, des Rankings in verschiedenen Korruptionsindices und der Meldung von Interessenkonflikten an die Kommission (OLAF) aus. Ferner kontaktierte der Hof zwei weitere Mitgliedstaaten (Italien und Luxemburg) zu einzelnen, von den Medien ermittelten Interessenkonflikten und berücksichtigte einschlägige Beispiele aus Tschechien, auf die er im Rahmen seiner Arbeit zur Zuverlässigkeitserklärung gestoßen war;
- einer Umfrage unter allen EU-Mitgliedstaaten, bei der Informationen und Meinungen eingeholt wurden, um seine Prüfungsarbeit in einer Stichprobe von Mitgliedstaaten zu ergänzen. Der Hof richtete die Umfrage an die wichtigsten im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung zuständigen Stellen, insbesondere Verwaltungsbehörden, Zahlstellen, Prüfbehörden, Bescheinigende Stellen und Bescheinigungsbehörden. Die Rücklaufquote lag bei über 90 %.
17 Im Dezember 2021 organisierte der Hof eine Podiumsdiskussion zu Interessenkonflikten im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung mit Sachverständigen aus den Bereichen Wissenschaft, Politik und Verwaltung. Die Diskussionsteilnehmer unterstützten den Hof bei der Überprüfung und Ausarbeitung seiner Prüfungsfeststellungen.
Bemerkungen
Es wurden noch keine Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz und zum Schutz von Hinweisgebern ergriffen
18 Die an der geteilten Mittelverwaltung beteiligten mitgliedstaatlichen Behörden sollten im Hinblick auf die Vermeidung von Interessenkonflikten eine solide Politik verfolgen, die auf einem klaren und umfassenden Rechtsrahmen, Strategien, Verfahren und regelmäßigen Sensibilisierungsmaßnahmen beruht. Ein transparenter Zugang zu Informationen über die Begünstigten von EU-Mitteln und der Schutz von Hinweisgebern tragen ebenfalls zur Vermeidung von Interessenkonflikten bei.
19 Um Interessenkonflikte intern zu vermeiden, sollte die Kommission diesbezügliche Risiken ermitteln, für das Thema sensibilisieren und ihr Personal entsprechend schulen. Da sie die letzte Verantwortung für den EU-Haushalt trägt, sollte die Kommission überprüfen, dass die Kontrollsysteme in den Mitgliedstaaten für den Umgang mit dem Risiko von Interessenkonflikten wirksam funktionieren und den zuständigen Behörden Orientierungshilfe an die Hand geben.
Die Kommission bietet umfassende Schulungen an und schreibt die Abgabe von Erklärungen zwingend vor, doch ihre Verfahren zum Umgang mit Drehtüreffekten weisen Schwächen auf
20 Intern geht die Kommission gegen Interessenkonflikte mithilfe ihres Ethik- und Integritätsrahmens vor, der sich vor allem auf das Beamtenstatut der EU14, dessen Durchführungsbestimmungen15 sowie Ethikkodizes und ‑leitlinien stützt. Gemäß den Vorschriften der Kommission sind die Bediensteten verpflichtet, Ad-hoc-Erklärungen zu Interessenkonflikten abzugeben, die ihre Unparteilichkeit gefährden könnten. Die Vorschriften regeln die Annahme von Geschenken, Gastfreundschaft und Vergünstigungen, die Erklärung von beruflichen Tätigkeiten, die von Ehegatten und Partnern von Bediensteten ausgeübt werden, sowie die Verpflichtung, sich Nebentätigkeiten im Voraus genehmigen zu lassen und eine Erklärung über nach Ausscheiden aus dem Dienst ausgeübte Tätigkeiten abzugeben. Die Durchführungsbestimmungen sind von Generaldirektion zu Generaldirektion unterschiedlich.
21 Die Bediensteten der Kommission müssen im Laufe ihres Berufslebens bei verschiedenen Gelegenheiten Erklärungen zu möglichen Interessenkonflikten abgeben: bei Dienstantritt, bei Mitwirken an einem Vergabeverfahren, bei Ausscheiden aus dem Organ und bei Rückkehr aus Urlaub aus persönlichen Gründen. In der Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung (GD REGIO) und der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration (GD EMPL) reichen die Prüfer vor der Übernahme jedes Prüfungsauftrags eine entsprechende Erklärung ein, während die Prüfer in der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (GD AGRI) Situationen melden müssen, in denen sie in Interessenkonflikte geraten könnten.
22 Die Kommission hat interne Leitlinien16 herausgegeben, verfügt über ein umfangreiches Schulungsprogramm zum Thema Ethik und eine speziell diesem Thema gewidmete Seite in ihrem Intranet. Bedienstete, die der Ansicht sind, sich möglicherweise in einem Interessenkonflikt zu befinden, sollten unverzüglich die für ihre Anstellung zuständige organisatorische Einheit („Anstellungsbehörde“) informieren und auch ihren Vorgesetzten in Kenntnis setzen. Die Anstellungsbehörde ist für die Vermeidung potenzieller Interessenkonflikte zuständig. Interessenerklärungen von Bediensteten werden in der Personalverwaltungssoftware der Kommission gespeichert. Der Schwerpunkt der Kommissionsleitlinien für den Umgang mit sensiblen Funktionen liegt auf einem wirksameren und proaktiveren Umgang mit Risiken im Zusammenhang mit der internen Kontrolle. Dazu gehören die Neugestaltung von Verfahren, die Einführung verstärkter interner Kontrollen, Sensibilisierungsmaßnahmen oder eine Kombination davon. In den Leitlinien wird die zwingende Rotation von Personal in sensiblen Funktionen als letztes Mittel empfohlen.
23 Der Europäische Bürgerbeauftragte, eine unabhängige und unparteiische Stelle, die Beschwerden über Missstände in der Verwaltungstätigkeit der Organe und Einrichtungen der EU untersucht, hat seit 2013 rund 70 Fälle bearbeitet, die Interessenkonflikte in den EU-Organen betreffen. Die Mehrzahl dieser Fälle (44) betraf Interessenkonflikte bei der Kommission, darunter auch Fälle zu Drehtüreffekten, in denen eine Person von einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst zu einer damit verbundenen Tätigkeit im Privatsektor wechselt. Im Jahr 2019 gelangte der Europäische Bürgerbeauftragte zu dem Schluss, dass die Verfahren der Kommission zwar mit den Vorschriften im Einklang stehen, aber mehr getan werden könnte, um diese Vorschriften wirksamer und aussagekräftiger zu gestalten. Der Europäische Bürgerbeauftragte empfahl der Kommission, beim Umgang mit Fällen, an denen hochrangige Beamte beteiligt sind, einen robusteren Ansatz zu verfolgen17.
24 In jüngerer Zeit untersuchte der Europäische Bürgerbeauftragte 100 Entscheidungen, die die Kommission zwischen 2019 und 2021 in Bezug auf Drehtüreffekte („Seitenwechsel“) hinsichtlich ihrer Bediensteten getroffen hatte18. Seit seiner letzten Untersuchung stellte er Verbesserungen fest, unterbreitete aber auch mehrere Vorschläge. Einer davon war, dass die Kommission ehemaligen Bediensteten vorübergehend die Annahme von Stellen untersagt, wenn davon Risiken ausgehen, die nicht durch angemessen überwachte und durchgesetzte Auflagen ausgeglichen werden können19.
Kommission stellt Schwachstellen bei den Präventionsverfahren der Mitgliedstaaten fest und bietet nützliche Orientierungshilfe
25 Die Kommission begegnet dem im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung auftretenden Risiko von Interessenkonflikten in den Mitgliedstaaten vor allem durch Systemprüfungen der Verwaltungs- und Kontrollsysteme der Mitgliedstaaten und durch die Bereitstellung von Leitlinien. Systemprüfungen dienen dazu, Gewähr dafür zu erlangen, dass durch die Verwaltungs- und Kontrollsysteme der Mitgliedstaaten Fehler und Unregelmäßigkeiten wirksam vermieden, aufgedeckt und berichtigt werden. Dies gilt auch für Fehler und Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Interessenkonflikten. Des Weiteren führte die Kommission im Kohäsionsbereich seit Ende 2021 mehrere thematische Prüfungen von Maßnahmen durch, die im Rahmen spezifischer Programme oder in bestimmten Mitgliedstaaten zur Vermeidung von Interessenkonflikten ergriffen wurden.
26 Der Hof untersuchte eine Stichprobe von Systemprüfungsakten der Kommission, zehn im Bereich Kohäsion und zehn im Bereich Landwirtschaft. Im Rahmen der zehn Prüfungen im Kohäsionsbereich wurden die Verwaltungs- und Kontrollsysteme für die öffentliche Auftragsvergabe untersucht. Dabei wurde insbesondere auch festgestellt, dass Nachweise darüber fehlten, dass das Nichtvorliegen von Interessenkonflikten überprüft worden war (siehe Kasten 1).
Schwachstellen bei Vergabeverfahren in Ungarn
Im Jahr 2019 stellte die Kommission schwerwiegende Mängel hinsichtlich der Funktionsweise des Verwaltungs- und Kontrollsystems in Ungarn zur Kontrolle öffentlicher Vergabeverfahren fest. Die Kommission nahm bei allen betroffenen Aufträgen eine pauschale Berichtigung in Höhe von 10 % vor.
Quelle: Kommission.
27 Von den zehn vom Hof geprüften Prüfungsakten im Bereich Landwirtschaft betrafen vier die Zulassung von Zahlstellen und sechs Investitionen zur Entwicklung des ländlichen Raums durch öffentliche Begünstigte. Die Feststellungen bezogen sich vor allem auf Mängel bei den öffentlichen Vergabeverfahren wie fehlende oder nicht datierte Erklärungen zu Interessenkonflikten oder nicht ausreichend detaillierte Checklisten der Zahlstellen. Der Hof stellte fest, dass – abgesehen von den Systemkontrollen bezüglich der Zulassungskriterien der Zahlstellen – die Prüfungen der GD AGRI sich nicht speziell auf Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten im Bereich der Direktzahlungen bis 2021 erstreckten, obwohl es bei der Verwaltung von Direktzahlungen zu Interessenkonflikten kommen kann (siehe Beispiele in Kasten 2).
Interessenkonflikte bei Direktzahlungen
In Luxemburg teilte ein Angestellter des Landwirtschaftsministeriums, der Zugang zu vertraulichen Daten über landwirtschaftliche Parzellen hatte, für die keine Beihilfe beantragt worden war, diese Informationen mit seiner Frau, einer Landwirtin. Seine Frau beantragte daraufhin Beihilfe für die Parzelle. Der Angestellte, der seinen Vorgesetzten nicht über diesen Interessenkonflikt informiert hatte, wurde zu zwei Jahren Haft, davon 18 Monate auf Bewährung, verurteilt.
In Rumänien genehmigte ein Zahlstellenbediensteter, der für Direktzahlungen zuständig war, einen Beihilfeantrag eines Unternehmens, dessen Anteilseigner er war. Die Nationale Integritätsbehörde Rumäniens bestätigte, dass es sich hierbei um einen Interessenkonflikt handelte, und forderte die Zahlstelle auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Nach Abschluss des Disziplinarverfahrens wurde der Angestellte mit einer dreimonatigen Gehaltskürzung sanktioniert.
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
28 Im April 2021 veröffentlichte die Kommission neue Leitlinien zur Vermeidung von und zum Umgang mit Interessenkonflikten, mit denen alle Arten der Mittelverwaltung abgedeckt werden. Die vorherigen Leitlinien, die speziell Interessenkonflikten gewidmet und in Absprache mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten erstellt wurden, stammen für die Landwirtschaft aus dem Jahr 2015 und für die Kohäsionspolitik20 aus dem Jahr 2013. Das Anti-Fraud Knowledge Centre der Kommission hat Leitlinien zur Ermittlung und Überwachung von Interessenkonflikten im Rahmen des EFRE und des ESF sowie zum Umgang damit veröffentlicht. Seiner Website ist eine Aufstellung von Fallstudien mit anonymisierten aufgedeckten Betrugsfällen und gewonnenen Erkenntnissen zu entnehmen. Im Jahr 2011 veröffentlichte das OLAF einmalig ein Kompendium mit anonymisierten aufgedeckten Betrugsfällen und gewonnenen Erkenntnissen, das auch ein Kapitel zu Interessenkonflikten enthält.
Die Mitgliedstaaten verfügen über Rahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten, doch hat sich dieser seit der Annahme der neuen EU-Definition nicht geändert
29 Artikel 61 der Haushaltsordnung über Interessenkonflikte gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. Zusätzlich gibt es in allen Mitgliedstaaten und Regionen in der Stichprobe des Hofes nationale bzw. regionale Definitionen und Beschreibungen von Interessenkonflikten und Vorschriften für öffentliche Bedienstete und Regierungsmitglieder. Der Hof stellte fest, dass diese nationalen oder regionalen Vorschriften in den von ihm geprüften Mitgliedstaaten auf viele verschiedene Verwaltungsvorschriften und strafrechtliche Vorschriften verteilt waren, was zu einem stark fragmentierten Rechtsrahmen führt, der in der Regel weniger detailliert ist als Artikel 61 der Haushaltsordnung.
30 In Deutschland sind in diesen Vorschriften z. B. Situationen, in denen es aufgrund der „politischen Übereinstimmung“ oder „privaten Verbundenheit“ zu Interessenkonflikten kommt, nicht ausdrücklich erfasst. In allen vier Mitgliedstaaten in der Stichprobe des Hofes sind die Vorschriften zu Interessenkonflikten Teil des für Beamten geltenden allgemeinen Ethik-, Integritäts- und Betrugsbekämpfungsrahmens. Der Hof stellte fest, dass sich die in den geprüften Mitgliedstaaten für die Verwaltung von EU-Mitteln geltenden Vorschriften und Verfahren seit der Aufnahme der geteilten Mittelverwaltung in die Haushaltsordnung im Jahr 2018 nicht erheblich geändert hatten.
Die Mitgliedstaaten verfügen über Verfahren für den Umgang mit Interessenkonflikten, doch weisen diese nach wie vor Schwächen auf
31 Im Bereich Landwirtschaft müssen die Zahlstellen gemäß den Zulassungskriterien geeignete Maßnahmen ergreifen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Bescheinigenden Stellen in den Mitgliedstaaten und Regionen in der Stichprobe des Hofes meldeten im Programmplanungszeitraum 2014–2020 keinerlei systemische Schwachstellen solcher Maßnahmen.
32 Im Kohäsionsbereich mussten die Verwaltungsbehörden vor Beginn der Programme für den Zeitraum 2014–2020 eine Risikobewertung der Auswirkungen und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Betrugsfällen im Hinblick auf die wichtigsten Verfahren der Programmverwaltung durchführen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um diese Risiken zu verringern. Die Ausarbeitung von Betrugsbekämpfungsmaßnahmen musste im Rahmen des Benennungsprozesses für Verwaltungsbehörden von einer unabhängigen Prüfstelle überprüft werden. Die Umsetzung dieser Betrugsbekämpfungsmaßnahmen war Gegenstand mehrerer aufeinanderfolgender Prüfungen der Kommission und der Mitgliedstaaten.
33 Die häufigste präventive Maßnahme der vom Hof geprüften Behörden der Mitgliedstaaten sind Selbstauskünfte über das Vorliegen von Interessenkonflikten. Diese werden in der Regel bei der Einstellung und im Vorfeld wichtiger Etappen bei der Verwaltung von EU-Mitteln (Vergabe von Zuschüssen oder öffentlichen Aufträgen, Durchführung von Kontrollen und Prüfungen) abgegeben, allerdings nicht von Ministern oder Staatssekretären, die Entscheidungen zu den EU-Programmen vorbereiten und treffen. Rumänien ist der einzige Mitgliedstaat in der Stichprobe des Hofes, der jährliche Vermögens- und Interessenerklärungen aller Beamten einholt und veröffentlicht. Die Agentur analysiert und prüft jedoch den Inhalt dieser Erklärungen nur, wenn eine Untersuchung eingeleitet wird.
34 In Malta, Ungarn und Rumänien müssen die Minister regelmäßig Erklärungen über ihr Einkommen und ihr Vermögen vorlegen. Dies ist in Deutschland weder auf Bundes- noch auf Landesebene der Fall. Hier müssen Minister entsprechende Erklärungen nur abgeben, wenn sie zugleich Parlamentsabgeordnete sind; diese Erklärungen sind weniger umfangreich als die Erklärungen in den anderen Mitgliedstaaten in der Stichprobe des Hofes.
35 Gemäß Artikel 61 Absatz 2 der Haushaltsordnung müssen öffentliche Bedienstete in den Mitgliedstaaten Situationen, in denen es zu einem Interessenkonflikt kommen kann, ihrem Vorgesetzten melden und werden bei Bestätigung des Interessenkonflikts von allen Aufgaben in der betreffenden Angelegenheit entbunden. Der Hof erfuhr von den befragten Behörden, dass solche Erklärungen in Papierform eingesammelt und von der Personalabteilung aufbewahrt werden und dass bei einem späteren Verdacht auf Interessenkonflikte auf sie zurückgegriffen werden kann. Die nationalen bzw. regionalen Behörden erfassen diese Erklärungen jedoch in der Regel nicht in einer zentralen Datenbank; Ausnahmen bilden lediglich Rumänien und die Zahlstelle für Agrarfonds in Ungarn.
36 Die Mitgliedstaaten in der Stichprobe des Hofes hielten Schulungen und Informationsmaßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten für wichtig. Der Hof stellte fest, dass sie insgesamt geeignete Schulungen zu ethischen Fragen und zur Korruptions- und Betrugsbekämpfung durchführten. Interessenkonflikte werden in der Regel im Rahmen von Schulungen über Betrug abgedeckt, jedoch oft nur am Rande behandelt.
37 Die Behörden der Mitgliedstaaten führen ferner Sensibilisierungsmaßnahmen für Bedienstete durch, die für die Verwaltung von EU-Mitteln zuständig sind. Der Hof ermittelte mehrere Beispiele für empfehlenswerte Verfahren im Bereich der Sensibilisierungsmaßnahmen (siehe Beispiel in Kasten 3).
Maßnahmen zur internen Sensibilisierung für das Risiko von Interessenkonflikten in öffentlichen Einrichtungen
In Rumänien organisierte die Nationale Integritätsbehörde zusammen mit Transparency International im Rahmen des Projekts „LINC“ Informationsveranstaltungen in Ministerien, Verwaltungsbehörden und zwischengeschalteten Stellen zum Thema Betrugs- und Korruptionsbekämpfung. Die Agentur hat Leitfäden zur Abgabe von Vermögens- und Interessenerklärungen sowie ein Kompendium mit Beispielen für Interessenkonflikte ausgearbeitet. Die Verwaltungsbehörden und Agenturen in Rumänien organisieren jährliche Schulungen zur Abgabe solcher Erklärungen.
In Deutschland organisierten zwei regionale Verwaltungsbehörden gemeinsame Schulungen zum Thema Korruptionsbekämpfung, die dem Erfahrungsaustausch dienten. Ein anderes Bundesland bietet über eine Online-Schulungsplattform allen öffentlichen Bediensteten regelmäßig Kurse zur Prävention von Korruption und Interessenkonflikten an.
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
38 Die deutschen Behörden veröffentlichen Jahresberichte zur Korruptionsprävention und Integrität in der Bundesverwaltung über das allgemeine Korruptionsniveau im öffentlichen Sektor auf Bundesebene. Diese Berichte enthalten Statistiken zu Straftaten und anonymisierte Beispiele für Korruptionsfälle, einschließlich Interessenkonflikten. Der Bericht enthält keine Angaben zur Korruption im Bereich der Verwaltung von EU-Mitteln, und vergleichbare Berichte sind auf Landesebene nicht verfügbar, wo die meisten Kohäsions- und Agrarprogramme der EU verwaltet werden.
39 In Rumänien veröffentlicht die Nationale Integritätsbehörde jährliche und vierteljährliche Tätigkeitsberichte auf ihrer Website mit Angaben zur Zahl der gerichtlich bestätigten Interessenkonflikte, zur Anzahl der Beamten, denen eine Strafe auferlegt wurde, ihrer Stellung und der Institution, für die sie tätig sind, sowie zur Art der verhängten Sanktion. Diese Berichte sind zwar sehr detailliert, gehen aber nur auf Fälle ein, die von den Inspektoren der Agentur untersucht wurden.
40 Die Behörden der Mitgliedstaaten ergreifen noch weitere präventive Maßnahmen:
- funktionale Aufgabenverteilung (Aufgabentrennung);
- Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“;
- Kontrollen sowohl in der Antrags- als auch in der Durchführungsphase von Projekten;
- Kontrollen auch durch interne Prüfer oder im Falle nachgeordneter/lokaler Behörden durch die übergeordnete Behörde;
- Prüfungen der Bescheinigenden Stelle/Prüfbehörde, der nationalen oder regionalen Rechnungskontrollbehörden, der Kommission und des Europäischen Rechnungshofs;
- wenn möglich Personalrotation oder Änderung der Zuständigkeiten.
41 Personalrotation ist ein wichtiges Instrument zur Vermeidung von Interessenkonflikten. In den für die geteilte Mittelverwaltung zuständigen Behörden in den geprüften Mitgliedstaaten wurde jedoch Personalrotation nicht regelmäßig und konsequent umgesetzt. In Deutschland wurde der Schwerpunkt stärker auf die Aufgabentrennung und das Vier-Augen-Prinzip gelegt. In Malta gab es nicht ausreichend erfahrenes und geschultes Personal, um Personalrotation wirksam umsetzen zu können. In Rumänien rotierten die für die Auswahl und Bewertung von Projekten, die Kohäsionsmittel erhalten, zuständigen Bediensteten nicht, damit das Wissen und die Kompetenzen, die für diese Tätigkeit erforderlich sind, nicht verloren gehen.
42 Maßnahmen zur Vermeidung von „Drehtüreffekten“ (siehe Ziffer 23) können ebenfalls dazu beitragen, Interessenkonflikten vorzubeugen. In drei der vier vom Hof untersuchten Mitgliedstaaten gab es Rechtsvorschriften zur Verringerung eines solchen Risikos; Ungarn stellt eine Ausnahme dar. In Rumänien und Deutschland überprüfen die an der Verwaltung von EU-Mitteln beteiligten Stellen jedoch nicht, ob Bedienstete, die ihre Organisation verlassen, die Vorschriften für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Dienst einhalten. In Malta unterliegen Personen in Positionen, die regulatorische oder Aufsichtsfunktionen umfassen, der Richtlinie zur Drehtürpolitik für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Laut Anhang zur Richtlinie sind jedoch die Angestellten der vom Hof geprüften Behörden nicht unter den Personen erfasst, die solche Tätigkeiten wahrnehmen, und unterliegen daher nicht der Richtlinie. Im Rahmen einer internen Prüfung der rumänischen Verwaltungsbehörden für die Strukturfonds aus dem Jahr 2021 wurden ebenfalls Schwachstellen bei den Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und Drehtüreffekten festgestellt.
Bemühungen um mehr Transparenz hinsichtlich der Empfänger von EU-Mitteln sind im Gange
43 Durch offene, vergleichbare und transparente Informationen über die Endempfänger von EU-Mitteln wird die öffentliche Kontrolle und Untersuchung von mutmaßlichen Interessenkonflikten erleichtert. Interessenkonflikte werden mit höherer Wahrscheinlichkeit aufgedeckt, weswegen solche Informationen eine präventive und abschreckende Wirkung haben können.
44 Die Websites der für die geteilte Mittelverwaltung zuständigen Generaldirektionen der Kommission enthalten Links zu nationalen und regionalen Websites, auf denen die Begünstigten von Agrar‑ und Kohäsionsmitteln der EU aufgeführt sind21. Zusätzlich stellt die Kommission auf der Online-Plattform Kohesio Informationen zu sämtlichen aus den Fonds der Kohäsionspolitik geförderten Projekten in den Mitgliedstaaten öffentlich zur Verfügung. Der Umfang der zu Zwecken der Transparenz veröffentlichten Angaben ist jedoch begrenzt, auch um nicht gegen die Datenschutzbestimmungen der EU und der Mitgliedstaaten zu verstoßen. Zum Beispiel werden Informationen über GAP-Begünstigte, die bis zu 1 250 Euro erhalten, nicht offengelegt22. Die Websites enthalten auch keine Angaben zu Endbegünstigten, die juristische Personen sind, da dies in den Rechtsvorschriften für den Zeitraum 2014–2020 nicht verlangt wurde.
45 In einer jüngeren vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen Studie wurde berichtet, dass öffentliche Stellen, Unternehmen mit beschränkter Haftung und sonstige juristische Personen nur etwa ein Zehntel der GAP-Begünstigten ausmachten, aber mehr als ein Drittel der EU-Mittel erhielten23. Im Kohäsionsbereich müssen die letzten wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen, die EU-Mittel erhalten, im Programmplanungszeitraum 2014–2020 zwingend angegeben werden24. Gemäß dem Rechtsrahmen für die Landwirtschaft im Zeitraum 2023–2027 sind die Begünstigten verpflichtet, gegebenenfalls Informationen über Gruppen von Unternehmen, denen sie angehören25, bereitzustellen. Eine Angabe der letzten wirtschaftlichen Eigentümer wird jedoch nicht verlangt.
46 Mit der Geldwäscherichtlinie wurden im Jahr 2017 Register zur Erfassung der wirtschaftlichen Eigentümer eingeführt. Transparency International hat darauf hingewiesen, dass die Register in Ungarn und Rumänien nicht öffentlich sind und in Deutschland und Malta eine Gebühr zu entrichten ist, um Zugang zu den Registern zu erhalten. Die Behörden der Mitgliedstaaten in der Stichprobe des Hofes, die für die geteilte Mittelverwaltung zuständig sind, verfügen über keine eigenen Datenbanken, die mit diesen Registern verknüpft wären, was das Risiko erhöht, dass Interessenkonflikte unentdeckt bleiben. Eine solche Erhöhung der Transparenz muss jedoch im Einklang mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union von November 2022 über den Zugang zu den Angaben über die wirtschaftlichen Eigentümer stehen.
Verzögerungen bei der Umsetzung der Richtlinie über den Schutz von Hinweisgebern („Whistleblowers“)
47 „Whistleblowing“ ist die Offenlegung von Informationen über Korruption oder sonstige Verstöße, die in oder von einer Organisation begangen wurden und die eine Person im Rahmen ihrer Arbeit für oder mit dieser Organisation erlangt. Eine Person gilt nur dann als Hinweisgeber, wenn sie der Organisation angehört und daher – im Gegensatz beispielsweise zu Kunden oder sonstigen Personen, die nicht für oder mit der Organisation arbeiten – Repressalien ausgesetzt sein kann. Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern können zur Prävention und Aufdeckung von Korruption und Betrug beitragen. Die Mitgliedstaaten mussten die Bestimmungen der EU-Whistleblowing-Richtlinie über den Schutz von Personen, die Verstöße gegen das EU-Recht einschließlich Interessenkonflikten zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU melden, bis Dezember 2021 umsetzen.
48 Anfang 2022 sendete die Kommission Aufforderungsschreiben an 24 Mitgliedstaaten, die keine Maßnahmen zur Sicherstellung der vollständigen Umsetzung der Richtlinie innerhalb der bis zum 17. Dezember 2021 laufenden Frist gemeldet hatten. Bis Mai 2022 hatten nur acht Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt26. Die Kommission verfolgt die übrigen Fälle weiter. Von den vom Hof geprüften Mitgliedstaaten setzte nur Malta die Richtlinie um, die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat jedoch schwerwiegende Mängel im maltesischen Gesetz über den Schutz von Hinweisgebern festgestellt27.
Es gibt Lücken in Maßnahmen zur Aufdeckung, Lösung und Meldung von Interessenkonflikten
49 Die Kommission und die Behörden der Mitgliedstaaten sollten über Verfahren zur Aufdeckung von Interessenkonflikten, in die ihre Mitarbeiter involviert sind, verfügen. Im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung tragen die nationalen Behörden die Hauptverantwortung für die Ermittlung und Behebung von Interessenkonflikten auf Ebene der Begünstigten. Auch die Kommission kann bei ihren Überprüfungen der nationalen Kontrollsysteme Interessenkonflikte in den Mitgliedstaaten aufdecken. Indem durch Data-Mining Informationen aus verschiedenen Quellen verglichen werden, können mögliche Interessenkonflikte aufgedeckt werden.
50 Werden Unregelmäßigkeiten, bei denen Interessenkonflikte eine Rolle spielen, aufgedeckt, sollte angemessen damit umgegangen und sollten diese behoben werden. Um einen besseren Überblick über die damit verbundenen Risiken zu erhalten, ist es entscheidend, zuverlässige Informationen über aufgedeckte Interessenkonflikte zu erheben.
Kommission legt Schwerpunkt auf gemeldete Verdachtsfälle
51 Das Untersuchungs- und Disziplinaramt der Kommission (Investigation and Disciplinary Office of the Commission, IDOC) führt Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren durch, die Kommissionsbedienstete betreffen. Das IDOC führt auf der Grundlage seines von der Anstellungsbehörde erteilten Mandats eine Untersuchung durch, wenn es von einem Bediensteten oder aus anderer Quelle einen Hinweis auf ein Fehlverhalten erhält. Für die Richtigkeit, Zuverlässigkeit und Vollständigkeit der der Anstellungsbehörde bereitgestellten Informationen ist jedoch jeder Bedienstete selbst verantwortlich.
52 Auch die Generaldirektionen in der Stichprobe des Hofes, die für Politikbereiche mit geteilter Mittelverwaltung zuständig sind, überprüfen die Angaben in den Selbstauskünften des Personals nicht (siehe Ziffer 22) – es sei denn, es gibt Grund zu der Annahme, dass eine Untersuchung gerechtfertigt sein könnte. Laut dem Tätigkeitsbericht des IDOC28 betrafen im Jahr 2020 drei der 83 neu registrierten Fälle Interessenkonflikte bei der Kommission.
53 Auch das OLAF kann mögliche schwere Verstöße, die von EU-Bediensteten im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit begangen wurden, untersuchen und disziplinarrechtliche Empfehlungen aussprechen. In seinem Jahresbericht 202029 veröffentlichte das OLAF eine Momentaufnahme der zwischen 2016 und 2020 ausgesprochenen disziplinarrechtlichen Empfehlungen. In 21 Fällen betrafen diese potenzielle Interessenkonflikte.
54 Die Kommission stellt bei ihren allgemeinen Systemprüfungen in den Mitgliedstaaten gelegentlich Interessenkonflikte fest. Die Stichprobe der 20 vom Hof untersuchten Systemprüfungen der Kommission (siehe Ziffern 26–27) enthielt einen Fall, in dem die GD AGRI einen Interessenkonflikt seitens des Personals einer beauftragten Stelle in Spanien festgestellt und eine Finanzkorrektur vorgenommen hatte.
55 Die für bestimmte Politikbereiche zuständigen Generaldirektionen (wie die GD REGIO und die GD AGRI) verfolgen auch Vorwürfe von Hinweisgebern oder den Medien weiter, wie im Fall des ehemaligen Premierministers Tschechiens (siehe Kasten 4).
Mutmaßliche Interessenkonflikte in Tschechien
Nichtregierungsorganisationen und die Medien warfen dem damaligen Premierminister Tschechiens Interessenkonflikte in Bezug auf Unternehmen, die seiner Kontrolle unterstanden, und ihrem Status als Begünstigte von Agrar- und Kohäsionsbeihilfen vor. Die Kommission (GD AGRI, EMPL und REGIO) führte Anfang 2019 eine koordinierte Prüfung durch. Die GD EMPL und die GD REGIO legten im Dezember 2019 ihren abschließenden Prüfbericht vor und überwachten im Jahr 2020 und 2021 die Umsetzung ihrer Prüfungsfeststellungen und ‑empfehlungen durch die tschechischen Behörden. Angesichts des öffentlichen Interesses und des Antrags des Europäischen Parlaments wurde der abschließende Prüfbericht am 24. April 2021 veröffentlicht. Die GD REGIO informierte die Öffentlichkeit in ihrem jährlichen Tätigkeitsbericht 2021, dass bei den meisten Empfehlungen Fortschritte zu verzeichnen sind, die Umsetzung von drei Empfehlungen jedoch noch im Gange war, darunter auch die Empfehlung zu den mutmaßlichen Interessenkonflikten. Im Juli 2022 schlossen die GD EMPL und die GD REGIO die Weiterverfolgung dieser Prüfung ab, nachdem alle noch ausstehenden Empfehlungen umgesetzt worden waren.
Die GD AGRI prüfte die betreffenden ELER-Investitionsmaßnahmen. Wie in ihrem jährlichen Tätigkeitsbericht 2021 dargelegt, machte sie gegen die tschechische Zahlstelle im Hinblick auf ihr Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums einen Vorbehalt geltend. Der Vorbehalt führte zu einem Aktionsplan, mit dem die tschechischen Behörden aufgefordert wurden, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, die derzeit im Gange sind. Im Anschluss an die Prüfung wurde die Entscheidung getroffen, Tschechien Finanzkorrekturen aufzuerlegen.
Quelle: Europäische Kommission.
56 Darüber hinaus ist das OLAF befugt, potenzielle Fälle von Betrug, Korruption und sonstige illegale Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU einschließlich Interessenkonflikten zu untersuchen, sollten hinreichende Verdachtsmomente bestehen. Die Untersuchungen des OLAF können zu Empfehlungen an die Generaldirektionen führen, vorschriftswidrig ausgegebene Beträge wiedereinzuziehen, oder es können Fälle an die nationalen Strafverfolgungsbehörden oder an die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) weitergeleitet werden.
57 Das OLAF hat 10 Fälle aus den letzten drei Programmplanungszeiträumen abgeschlossen, bei denen es im Rahmen von GAP-Projekten zu Interessenkonflikten gekommen war (bei fünf Fällen ging es um Heranführungshilfe: einer aus dem Zeitraum 2000–2006, drei aus dem Zeitraum 2007–2013 und einer aus dem Zeitraum 2014–2020). Das OLAF empfahl der GD AGRI, einen Gesamtbetrag in Höhe von 20 347 891 Euro von den betroffenen Mitgliedstaaten einzuziehen.
58 Im Kohäsionsbereich schloss das OLAF zwischen 2000 und 2021 18 Fälle im Zusammenhang mit dem EFRE und dem KF ab, bei denen es zu Interessenkonflikten gekommen war. In 16 dieser Fälle wurden der GD REGIO finanzielle Empfehlungen in Höhe von insgesamt 162 970 401 Euro unterbreitet. Das OLAF hat im Zeitraum 2000–2022 keinerlei Untersuchungen zu Interessenkonflikten in Bezug auf den ESF eingeleitet.
Die Mitgliedstaaten betreiben die Aufdeckung von Interessenkonflikten bei der Auftragsvergabe mit Nachdruck, schenken jedoch einigen Warnsignalen nicht genügend Beachtung
59 Gemäß Artikel 61 Absatz 3 der Haushaltsordnung dürfen sich Personen, die für die Umsetzung der EU-Fonds und die Ausarbeitung der entsprechenden Rechtsrahmen zuständig sind, nicht „aus Gründen der familiären oder privaten Verbundenheit, der politischen Übereinstimmung oder der nationalen Zugehörigkeit, des wirtschaftlichen Interesses oder aus anderen Gründen, die auf direkten oder indirekten persönlichen Interessen beruhen“ beeinflussen lassen. Mehrere vom Hof befragte Behörden teilten ihm mit, dass Informationen zur privaten Verbundenheit, politischen Übereinstimmung und zu persönlichen Interessen dieser Personen schwer zu erhalten sind und in vielen Fällen unter die Datenschutzvorschriften fallen. Daher können nicht alle Ursachen für Interessenkonflikte durch den Abgleich mit Registern und Datenbanken aufgedeckt werden.
60 Die Behörden der Mitgliedstaaten betreiben die Aufdeckung von Interessenkonflikten bei Vergabeverfahren mit mehr Nachdruck als in anderen Tätigkeitsbereichen. In den Leitlinien der Kommission für Finanzkorrekturen bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge aus dem Jahr 2019 wird eine Finanzkorrektur von 100 % empfohlen, „wenn ein nicht offengelegter oder nicht angemessen abgemilderter Interessenkonflikt festgestellt wurde und dem Bieter der fragliche Auftrag erteilt wurde“.
61 Im Zuge der Prüfungen des Hofes zur Erstellung der Zuverlässigkeitserklärung wurden in den letzten Jahren Unregelmäßigkeiten festgestellt, die von den nationalen Behörden nicht verhindert oder im Vorfeld korrigiert wurden und potenzielle Interessenkonflikte betrafen, bei denen Antragsteller eine Verbindung zu anderen an EU-geförderten Projekte beteiligten Akteuren aufwiesen (siehe Beispiele in Kasten 5).
Beispiele für Interessenkonflikte bei der Auftragsvergabe unter Beteiligung privater Begünstigter
Der Hof stellte bei einem Projekt zum Ersatz alter Busse durch neue, mit komprimiertem Erdgas betriebene Busse in Tschechien fest, dass der Begünstigte und der erfolgreiche Bieter derselben Gruppe angehörten bzw. unter der Kontrolle derselben Gruppe standen. Der Begünstigte verlangte von den potenziellen Bietern keinerlei Erfahrung, was angesichts der üblicherweise für ähnliche Projekte erforderlichen Referenzen sehr ungewöhnlich war. Der Begünstigte wies nicht ausreichend nach, dass er geeignete Maßnahmen getroffen hatte, um Interessenkonflikte, die aus den Eigentumsverhältnissen und persönlichen Verbindungen mit dem erfolgreichen Bieter resultierten, zu vermeiden, zu ermitteln und zu beheben. Dieser Punkt war in der Checkliste der Prüfbehörde nicht aufgeführt.
In Rumänien erhielt ein Unternehmen EU-Förderung für die Umstrukturierung und Umwandlung von Rebflächen auf einem 15 Hektar großen Grundstück, das von einer natürlichen Person für einen Zeitraum von 15 Jahren kostenlos gepachtet wurde, woraufhin die Rebflächen an die Person zurückgegeben werden sollten. Nach rumänischem Recht müssen die Begünstigten erforderliche Maßnahmen ergreifen, um Situationen zu vermeiden, in denen es zu Interessenkonflikten kommen kann; vor allem, wenn zwischen den Begünstigten und ihren Dienstleistern Verbindungen bestehen. Der Begünstigte unterzeichnete mit einem anderen Unternehmen einen Vertrag über die mechanische und manuelle Unkrautbekämpfung der Anlage und die Installation eines Trägersystems. Der Hof stellte fest, dass der Eigentümer des Grundstücks der alleinige Anteilseigner und Verwalter dieses Dienstleisters war. Der Fall wurde zur weiteren Untersuchung an das OLAF weitergeleitet.
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
62 Der Hof stellte fest, dass es in den Mitgliedstaaten eine Vielzahl von Kontrollen und Verfahren im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe gibt. Diese Kontrollen konzentrieren sich in der Regel auf Erklärungen über das Vorliegen von Interessenkonflikten und umfassen manchmal auch die Überprüfung der Namen der Entscheidungsträger anhand von Bevölkerungsdatenbanken oder öffentlich verfügbaren webbasierten Instrumenten wie Handelsregistern. Kasten 6 sind weitere Beispiele für Situationen zu entnehmen, die auf einen Interessenkonflikt hindeuten könnten. Diese Situationen werden gewöhnlich als Warnsignale („Red Flags“) bezeichnet.
Beispiele für Warnsignale („Red Flags“) für Interessenkonflikte bei der öffentlichen Auftragsvergabe
Die für den EFRE zuständigen Verwaltungsbehörden im Saarland und in Bayern haben im Rahmen ihrer regulären Kontrollen von öffentlichen Vergabeverfahren die folgenden Warnsignale identifiziert, die auf einen potenziellen Interessenkonflikt hinweisen:
- Es geht immer derselbe Auftragnehmer erfolgreich aus von einem bestimmten öffentlichen Auftraggeber organisierten Vergabeverfahren hervor;
- es wird ohne triftigen Grund von Standardausschreibungsverfahren abgewichen, z. B. wenn ein Verhandlungsverfahren gewählt wird, obwohl ein offenes Verfahren hätte stattfinden können;
- die Angebote der Bieter unterscheiden sich immer um den gleichen Prozentsatz, d. h. ein Angebot ist immer um 10 % niedriger als ein anderes.
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage der im Rahmen der Prüfung eingeholten Informationen.
63 Ein weiteres Warnsignal für potenzielle Interessenkonflikte bei der öffentlichen Auftragsvergabe sind ein hoher Anteil von Verfahren mit nur einem einzigen Bieter oder eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Direktvergaben (d. h. eine Auftragsvergabe ohne Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens). In seinem Länderbericht über die Vergabe öffentlicher Aufträge informierte Ungarn die Kommission, dass der Anteil von Verfahren mit einem einzigen Bieter seitens der verschiedenen öffentlichen Auftraggeber des Landes im Zeitraum 2015–2017 zwischen 10 % und 28 % lag. Insgesamt wurden solche Verfahren bei fast 17 % der rund 8 800 in Ungarn vergebenen Aufträge angewandt. Malta meldete mit 18,9 % einen vergleichbaren Anteil von Verfahren mit einem einzigen Bieter; in Rumänien waren es 50 %30. Die jüngsten Länderberichte für den Zeitraum 2018–2020 enthalten keine derartigen quantitativen Informationen mehr.
64 Gemäß dem Binnenmarktanzeiger ist der Anteil der Verfahren mit einem einzigen Bieter im Jahr 2020 relativ hoch; er liegt zwischen 9 % in Litauen und Schweden und 51 % in Polen. In den Mitgliedstaaten in der Stichprobe des Hofes beläuft er sich auf 41 % in Rumänien, 39 % in Ungarn, 19 % in Deutschland und 16 % in Malta. In diesem Zusammenhang hat der maltesische Rechnungshof Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Auftragsvergabe geäußert, z. B. dahin gehend, dass Aufträge ohne Einholung der erforderlichen Genehmigungen direkt vergeben wurden und nicht im Ausschreibungsblatt des Landes veröffentlicht wurden31. Indikator 2 des Binnenmarktanzeigers betrifft Vergabeverfahren, bei denen Verhandlungen mit einem Unternehmen geführt werden, ohne dass der Auftrag ausgeschrieben wird. Solche Verfahren sind anfälliger für Interessenkonflikte als offene Verfahren. Die Werte dieses Indikators sind für die in der Stichprobe des Hofes erfassten Mitgliedstaaten relativ niedrig. Allerdings wurde in Rumänien in 22 % der Fälle ein solches Verfahren verwendet.
Die Prüfstellen in den Mitgliedstaaten stellten Schwachstellen beim Umgang mit Interessenkonflikten fest
65 Im Bereich Landwirtschaft geben die Bescheinigenden Stellen eine jährliche Stellungnahme zum ordnungsgemäßen Funktionieren der internen Kontrollsysteme der Zahlstellen und zur Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Ausgaben, für die bei der Kommission eine Erstattung beantragt wurde, ab. Gemäß den einschlägigen Kommissionsleitlinien32 sollte diese Arbeit Unregelmäßigkeiten wie Interessenkonflikte abdecken. In den Mitgliedstaaten in der Stichprobe des Hofes meldeten die Bescheinigenden Stellen keine systemischen Schwachstellen bezüglich des Umgangs der Zahlstellen mit Interessenkonflikten. In Ungarn und Deutschland (Bayern) deckten sie bei der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Ausgaben in den letzten Jahren weniger als 10 (meist formale) Fehler im Zusammenhang mit Interessenkonflikten auf.
66 Im Bereich Kohäsion führten die nationalen oder regionalen Prüfbehörden im Zeitraum 2014–2020 Prüfungen zur Bewertung der Management- und Kontrollsysteme in den Mitgliedstaaten, einschließlich des Umgangs mit Interessenkonflikten, durch. In der Stichprobe meldeten die nationalen oder regionalen Behörden in Deutschland und Ungarn keinerlei Schwachstellen. Die Prüfbehörde Maltas kam zu dem Schluss, dass die Management- und Kontrollsysteme im Land funktionierten, aber einige Verbesserungen erforderlich waren. Die rumänische Prüfbehörde wies auf einige Schwachstellen bei der Verwendung von Arachne (dem von der Kommission bereitgestellten Instrument zur Risikobewertung, vgl. Erläuterung in den Ziffern 67–69) im Rahmen der Verwaltung des EFRE und des KF hin.
Data-Mining wird nicht ausreichend genutzt, um Interessenkonflikte aufzudecken
67 Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, das Data-Mining-Tool Arachne zu nutzen, das von der Kommission kostenlos zur Verfügung gestellt wird, um Betrug zu verhindern und aufzudecken. Arachne ist ein Risikobewertungstool, bei dem mehrere Datenquellen kombiniert und potenziell riskante Projekte und Begünstigte angezeigt werden.
68 Die Kommission bietet ein Modul in Arachne an, mit dem die Verwaltungsbehörden und Zahlstellen das Risiko von Betrug und Interessenkonflikten während der Auswahlphase von Projekten bewerten können. Das Tool selbst kann keine aktuell bestehenden Interessenkonflikte anzeigen. Es kann jedoch den Verwaltungsbehörden und Zahlstellen dabei helfen, Warnsignale zu erkennen, die eine weitergehende Untersuchung rechtfertigen. Arachne kann bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einen Hinweis auf das Vorliegen von Interessenkonflikten auf Ebene der Begünstigten/Auftragnehmer/Unterauftragnehmer geben. Die Datensätze des Tools enthielten für die Mitgliedstaaten in der Stichprobe des Hofes jedoch keine Angaben zu öffentlichen Bediensteten, die im Rahmen der geteilten Mittelvergabe Projektanträge genehmigen und für Kontrollen zuständig sind.
69 Arachne kommt im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung bei den Mitgliedstaaten häufiger im Kohäsionsbereich als in der Landwirtschaft zum Einsatz. Rund ein Viertel (26 %) der an der Verwaltung und Kontrolle von EU-Mitteln beteiligten Stellen, die an der Umfrage des Hofes teilnahmen, nutzte Arachne, um Kontrollen in Bezug auf Interessenkonflikte durchzuführen und diese Konflikte aufzudecken. Fast die Hälfte der Befragten nutzte Arachne nicht (49 %), und ein Viertel wusste es nicht oder wollte sich dazu nicht äußern (25 %). Die Verwaltungsbehörden nutzen Arachne am meisten (47 %), die Zahlstellen und Bescheinigenden Stellen (mit 12 % bzw. 6 %) am wenigsten. Von 130 Behörden, die Arachne nutzen, tun dies über die Hälfte (54 %) „immer“ oder „oft“, die übrigen nur „manchmal“ oder „selten“ (siehe Abbildung 6):
Abbildung 6 – Verwendung von Arachne zur Überprüfung von Interessenkonflikten bei Projekten*
* 160 Teilnehmer der Umfrage in allen Mitgliedstaaten (vor allem Verwaltungsbehörden, die sich häufig als Koordinatoren betätigten) übermittelten Antworten für insgesamt 501 Einrichtungen.
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage einer in allen Mitgliedstaaten durchgeführten Umfrage.
70 Im Jahr 2016 richtete die Kommission ein Früherkennungs‑ und Ausschlusssystem (Early Detection and Exclusion System, EDES)33 für im Rahmen der direkten und indirekten Mittelverwaltung ausgegebene Mittel ein. Durch das System wird sichergestellt, dass Antragsteller, die ein Risiko für die finanziellen Interessen der EU darstellen, frühzeitig erkannt und von Vergabeverfahren oder von der Auswahl für die Ausführung von EU-Mitteln ausgeschlossen werden. Insbesondere sollten Personen ausgeschlossen werden, die des Betrugs, der Korruption, des schwerwiegenden beruflichen Fehlverhaltens (einschließlich Versuchen, ein Gewährungsverfahren ungebührlich zu beeinflussen) oder sonstiger rechtswidriger Tätigkeiten verdächtigt werden oder für schuldig befunden wurden. Informationen zu solchen Antragstellern wären auch für die geteilte Mittelverwaltung wichtig. Wie der Hof im Sonderbericht 11/2022 Schutz des EU-Haushalts: Möglichkeiten schwarzer Listen besser nutzen festgestellte, gibt es derzeit keinen einheitlichen EU-Mechanismus für den Ausschluss von unseriösen Partnern im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung, und Arachne ist nicht mit EDES verknüpft. Da beide Anwendungen von der Kommission entwickelt wurden, bedeutet ihre mangelnde Integration, dass Chancen, Interessenkonflikte zu vermeiden, ungenutzt bleiben.
71 Die Behörden der Mitgliedstaaten in der Stichprobe des Hofes erläuterten, dass sie lieber auf nationale Datenbanken wie Handelsregister und Bevölkerungsdatenbanken zurückgriffen. Ihrer Ansicht nach seien solche Datenbanken auf einem neueren Stand und enthielten umfangreichere Informationen als Arachne. Im Bestreben, faire Vergabeverfahren zu gewährleisten und Interessenkonflikte zu vermeiden, nutzen einige Behörden in Ungarn, Malta und Rumänien darüber hinaus Data-Mining-Tools (siehe Beispiel in Kasten 7). Die deutschen Behörden nutzen aufgrund von datenschutzrechtlichen Bedenken und Bedenken hinsichtlich der Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Arachne-Daten weder Arachne noch sonstige Data-Mining-Tools.
Das rumänische System „PREVENT“
Rumäniens Nationale Integritätsbehörde hat PREVENT, ein Informationssystem zur Vermeidung von Interessenkonflikten bei der öffentlichen Auftragsvergabe, entwickelt. Das System stützt sich auf „Integritätsformulare“, die von dem IT-System erstellt werden, das für alle öffentlichen Vergabeverfahren genutzt wird, die über das elektronische Ausschreibungssystem des Landes abgewickelt werden. Die öffentlichen Auftraggeber müssen in diesen Formularen die Namen aller wichtigen Entscheidungsträger ihrer eigenen Organisation und der Bieterorganisationen eintragen. PREVENT gleicht diese Informationen dann automatisch mit Daten aus dem Bevölkerungsregister und dem Handelsregister ab. Das System vergibt die Punktzahl 0 oder 1, wobei 1 einen potenziellen Interessenkonflikt bezeichnet. In diesem Fall untersucht ein Integritätsinspektor den Fall, um auszuschließen, dass die Punktzahl nicht zu Unrecht vergeben wurde, und richtet, sollte sich der Interessenkonflikt bestätigen, eine Integritätswarnung an den öffentlichen Auftraggeber.
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage der im Rahmen der Prüfung eingeholten Informationen.
72 Das rumänische System „PREVENT“ ist ein Beispiel dafür, wie Technologie dafür genutzt werden kann, Tausende von öffentlichen Vergabeverfahren zu überprüfen. Ein solches System weist jedoch auch Defizite auf. Es kann beispielsweise nur für Ausschreibungen verwendet werden, die im elektronischen Ausschreibungssystem veröffentlicht wurden (bei 16 % der Ausschreibungen zwischen 2018 und 2020 war dies nicht der Fall). Außerdem gibt es keine Sanktionen der öffentlichen Auftraggeber bei Nichtausfüllen der Integritätsformulare, und potenzielle Interessenkonflikte können unentdeckt bleiben, weil nur Fälle mit der Punktzahl 1 tatsächlich untersucht werden. Im Jahr 2020 wurden 19 506 Vergabeverfahren von PREVENT analysiert, und Integritätsinspektoren sprachen 10 Integritätswarnungen aus. Vier davon betrafen EU-Mittel. Die Wirksamkeit eines solchen Systems hängt darüber hinaus stark von der Qualität seines Algorithmus und der Qualität der in den Integritätsformularen enthaltenen Daten ab.
73 Die immer größere Verfügbarkeit von "Big Data" zu öffentlichen Aufträgen und die Fortentwicklung von Instrumenten zur Analyse solcher Daten ermöglichen es, Muster bei der Vergabe öffentlicher Aufträge34 zu analysieren, die möglicherweise einen Hinweis auf Warnsignale darstellen und weiter untersucht werden sollten. Gleiches gilt für die Vergabe öffentlicher Zuschüsse. Insgesamt kommen Data-Mining-Tools zur Aufdeckung von Interessenkonflikten immer noch nicht so häufig zum Einsatz, wie dies der Fall sein könnte.
Es gibt Mechanismen zur Beilegung von Interessenkonflikten, doch sind die Verfahren langwierig
74 Interessenkonflikte können mit anderen vorschriftswidrigen oder betrügerischen Verhaltensweisen einhergehen. Dies zeigt sich auch an den verschiedenen Möglichkeiten des Umgangs mit solchen Fällen, wurden sie erst einmal aufgedeckt, wie
- Sanktionen oder Disziplinarverfahren gegen EU- oder nationale Bedienstete, die gegen Vorschriften oder berufliche Verpflichtungen verstoßen;
- Verfahren zum Schutz des EU-Haushalts wie die Wiedereinziehung von zu Unrecht ausgezahlten Mitteln vom Begünstigten oder die Anwendung von Finanzkorrekturen durch die Kommission;
- Strafverfahren vor den nationalen Gerichten.
75 Die Behörden der Mitgliedstaaten in der Stichprobe des Hofes gaben an, dass sie bei der Sanktionierung von Interessenkonflikten im Allgemeinen nicht zwischen EU- und nationalen Mitteln unterscheiden. Die rumänischen Behörden informierten den Hof über drei Fälle im Zeitraum 2014–2020, in denen sie Bedienstete aufgrund von Interessenkonflikten sanktioniert hatten (siehe Abbildung 7).
Abbildung 7 – Die Behebung von Interessenkonflikten ist zeitaufwändig
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage der im Rahmen der Prüfung eingeholten Informationen.
76 Wenn der Tatbestand auf eine Straftat hinweist, können die Gerichte mit den Fällen betraut werden (siehe Kasten 8).
Interessenkonflikte können mit verschiedensten Straftaten in Verbindung gebracht werden, deren Untersuchung noch anhängig ist
In Italien wurde Vertretern einer Zahlstelle, die Zugang zum System der Zahlstelle für die Registrierung landwirtschaftlicher Parzellen hatten, vorgeworfen, Dritten Informationen über Parzellen übermittelt zu haben, für die noch von keinem Landwirt ein Beihilfeantrag gestellt wurde. Den Dritten wird vorgeworfen, daraufhin für diese Parzellen Beihilfe beantragt zu haben, ohne über einen gültigen Eigentumstitel für das Land zu verfügen und ohne eine landwirtschaftliche Tätigkeit darauf auszuüben. Diese mutmaßlichen Verstöße sind Teil eines schweren Betrugsverdachtsfalls im Zusammenhang mit Anträgen aus dem Jahr 2010, der seit 2021 Gegenstand laufender strafrechtlicher Untersuchungen ist.
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage von im Rahmen der Prüfung erlangten Informationen.
77 Wenn ein Interessenkonflikt die unrechtmäßige Auszahlung von EU-Mitteln zur Folge hat, müssen die betroffenen Beträge vom Begünstigten wiedereingezogen werden35. Ergreift ein Mitgliedstaat keine angemessenen Einziehungsmaßnahmen, kann die Kommission beschließen, Finanzkorrekturen zulasten seines nationalen Haushalts vorzunehmen. Die Kommission kann auch Finanzkorrekturen vornehmen, wenn sie Mängel in den Kontrollsystemen der nationalen, an der Verwaltung und Kontrolle der EU-Mittel beteiligten Stellen feststellt, wie in dem in Kasten 1 beschriebenen Fall.
Die Berichterstattung über Interessenkonflikte ist unvollständig
78 Die Kommission und die Mitgliedstaaten in der Stichprobe des Hofes veröffentlichen keine Angaben über das Ausmaß der im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung aufgetretenen Interessenkonflikte. Es finden sich keine umfassenden quantitativen Angaben zu Interessenkonflikten oder entsprechende Befunde in den Tätigkeitsberichten der Generaldirektionen, den Jahresberichten des OLAF oder den Jahresberichten über den Schutz der finanziellen Interessen der EU, und es gibt auch keinen entsprechenden Indikator zur Messung der Häufigkeit und des Ausmaßes von Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Interessenkonflikten im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung.
79 Die Mitgliedstaaten melden dem OLAF über das Berichterstattungssystem für Unregelmäßigkeiten (Irregularity Management System, IMS) Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle. Seit dem Jahr 2000 haben die Mitgliedstaaten 440 Fälle, bei denen es in den Bereichen Kohäsion und Landwirtschaft zu Interessenkonflikten gekommen war, im IMS gemeldet. Mehr als die Hälfte dieser Fälle (55,4 %) betrafen den EFRE, 19 % Heranführungshilfen, 17 % den ESF und die wenigsten Fälle (2 % bzw. 3,4 %) den EGFL bzw. den KF (siehe Kasten 8). Die im IMS erfassten Fälle machen 0,4 % aller gemeldeten Unregelmäßigkeiten aus (Stand: März 2022).
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage von Daten aus dem IMS.
80 Aufgrund rechtlicher Ausnahmeregelungen36 werden jedoch nicht alle Unregelmäßigkeiten im IMS erfasst. Gemäß dem Handbuch der EU zur Meldung von Unregelmäßigkeiten besteht keine Verpflichtung, dem OLAF Unregelmäßigkeiten zu melden, wenn sie von den Mitgliedstaaten aufgedeckt und korrigiert werden, bevor diese bei der Kommission Erstattung für Ausgaben beantragen, oder wenn der betreffende Betrag unter 10 000 Euro liegt. Wie im Rahmen vorangegangener Prüfungen festgestellt37, unterscheiden sich die Quantität und die Qualität der im IMS eingetragenen Daten und Informationen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Auch werden nicht alle vom OLAF untersuchten Fälle im IMS erfasst. So wurden nur sechs der 18 vom OLAF untersuchten Fälle, in denen Interessenkonflikte im Kohäsionsbereich eine Rolle spielten, von den betroffenen Mitgliedstaaten im IMS erfasst. Möglicherweise betrachten die Mitgliedstaaten Interessenkonflikte im Rahmen größerer Betrugsfälle (z. B. Fälschung von Dokumenten oder Erklärungen, Korruption oder Bestechung) als nachrangig und melden solche Fälle nicht als mit Interessenkonflikten zusammenhängend.
81 Neben den IMS-Daten erhalten die GD REGIO und die GD EMPL über das System der EU für die Fondsverwaltung (SFC) Informationen über Interessenkonflikte und damit verbundene Wiedereinziehungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Rahmen des ESF, des KF und des EFRE von den Mitgliedstaaten. Im Zeitraum 2014–2020 meldeten die Mitgliedstaaten 31 Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Interessenkonflikten in Höhe von insgesamt 3,4 Millionen Euro, die sich auf den Ausgang von Vergabeverfahren ausgewirkt hatten (vier im Rahmen des KF, 24 im Rahmen des EFRE und drei im Rahmen des ESF). Diese 31 Fälle betreffen 16 Programme in 11 Mitgliedstaaten.
82 Die GD AGRI enthält über das SFC keine solchen Informationen über vergleichbare, im Rahmen des ELER aufgetretene Fälle, da die Mitgliedstaaten nur Übersichtstabellen übermitteln, in denen die in den einzelnen Fällen aufgetretenen Unregelmäßigkeiten nicht angegeben sind.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
83 Insgesamt kommt der Hof zu dem Schluss, dass sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergriffen haben, um gegen Interessenkonflikte anzugehen, dass aber noch Handlungsbedarf besteht, um die Transparenz zu verbessern und Risikosituationen aufzudecken.
84 Der Rahmen, der der Kommission zur internen Vermeidung von Interessenkonflikten dient, beruht auf dem Beamtenstatut der EU, dessen Durchführungsbestimmungen sowie Ethikkodizes und ‑leitlinien und sieht ein umfassendes Schulungsprogramm zum Thema Ethik vor (Ziffern 20–22). Außerdem untersuchte der Europäische Bürgerbeauftragte die Verfahren der Kommission zum Umgang mit Drehtüreffekten und empfahl ihr, ehemaligen Bediensteten vorübergehend die Annahme von Stellen zu untersagen, wenn davon Risiken ausgehen, die nicht durch angemessen überwachte und durchgesetzte Auflagen ausgeglichen werden können (siehe Ziffer 24).
85 Die Prüfungen der Kommission in den Bereichen Kohäsion und Landwirtschaft erstrecken sich, sofern relevant, auch auf Interessenkonflikte. Dies gilt auch für Direktzahlungen an Landwirte ab 2021. Die Prüfungen der Kommission tragen dazu bei, Mängel im Zusammenhang mit der Vermeidung von Interessenkonflikten, die häufig Probleme bei den Verfahren, aber auch allgemeinere Schwachstellen beim Management des öffentlichen Beschaffungswesens betreffen, zu ermitteln (Ziffern 25–28).
86 In den vom Hof geprüften Mitgliedstaaten sind Vorschriften und Verfahren zur Vermeidung von und zum Umgang mit Interessenkonflikten vorhanden, doch wurden sie seit der Aktualisierung der Haushaltsordnung im Jahr 2018 nicht erheblich geändert. Selbstauskünfte sind neben der Durchführung von Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen in den Bereichen Ethik und Integrität die am häufigsten verwendete Methode, während Personalrotation weniger zum Einsatz kommt. An der Entscheidungsfindung und der Zuweisung von Mitteln für EU-Programme beteiligte Regierungsmitglieder mussten keinerlei Erklärung abgeben (Ziffern 29–42).
87 Durch offene, vergleichbare und transparente Informationen über die Endempfänger von EU-Mitteln wird eine bessere öffentliche Kontrolle ermöglicht. Auf ihrer Website veröffentlicht die Kommission Links zu nationalen und regionalen Websites, auf denen die Begünstigten von Agrar- und Kohäsionsmitteln der EU aufgeführt sind. Zusätzlich stellt die Kommission auf der Online-Plattform Kohesio Informationen zu sämtlichen aus den Fonds der Kohäsionspolitik geförderten Projekten in den Mitgliedstaaten öffentlich zur Verfügung. Aktuell enthalten diese Websites keine Informationen über die Endbegünstigten, wenn es sich dabei um juristische Personen handelt, was die Transparenz verringert. Im neuen Programmplanungszeitraum müssen die letzten wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen, die Kohäsionsmittel von der EU erhalten, in den Verwaltungs‑ und Kontrollsystemen der Mitgliedstaaten künftig zwingend angegeben werden. Begünstigte von Agrarmitteln müssen ab 2023 Informationen über Gruppen von Unternehmen, denen sie angehören, bereitstellen (Ziffern 43–46).
88 Aus dem Austausch mit den Behörden der Mitgliedstaaten konnte geschlossen werden, dass Informationen zur privaten Verbundenheit, zur politischen Übereinstimmung und zu persönlichen Interessen schwer zu erhalten sind und in vielen Fällen unter die Datenschutzvorschriften fallen. Im Bereich der Auftragsvergabe stellte der Hof fest, dass es in den Mitgliedstaaten verschiedene Kontrollverfahren gibt – vor allem in Form von Erklärungen über das Vorliegen von Interessenkonflikten und manchmal auch in Form eines Abgleichs der Namen von Entscheidungsträgern mit Bevölkerungsdatenbanken und öffentlich verfügbaren webbasierten Instrumenten wie Handelsregistern (Ziffern 59–62).
89 Die für die geteilte Mittelverwaltung zuständigen Behörden überprüfen außerdem Vergabesituationen, bei denen es Warnsignale („Red Flags“) gibt, die auf einen Interessenkonflikt hinweisen könnten. Der Hof stellte jedoch fest, dass bestimmten Warnsignalen – wie einem hohen Anteil von Verfahren mit einem einzigen Bieter und Verfahren, bei denen Aufträge mit Dienstleistern ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren verhandelt werden – nicht genügend Beachtung geschenkt wurde (Ziffern 63–64).
90 Die Verwendung von Arachne ist freiwillig. Das Instrument erhält darüber hinaus keine Angaben zu an der Verwaltung und Kontrolle von EU-Mitteln beteiligten öffentlichen Bediensteten. Daher kann das Tool nur zur Aufdeckung bestimmter Arten von Interessenkonflikten beitragen (Ziffern 67–69). Wie bei jedem Data-Mining-Tool hängt sein Nutzen stark von der Menge und der Qualität der verfügbaren ihm zugrunde liegenden Daten ab.
91 Im Rahmen ihrer Verpflichtung, Unregelmäßigkeiten zu dokumentieren und der Kommission zu melden, erheben die Mitgliedstaaten Daten über Interessenkonflikte. Aufgrund von Schwachstellen bei der Berichterstattung haben weder die Kommission noch die Mitgliedstaaten einen vollständigen Überblick über die von Interessenkonflikten betroffenen Beträge im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung, und es gibt keinen entsprechenden Indikator (Ziffern 78–82).
Empfehlung 1 – Die Fähigkeit zur Vermeidung, Aufdeckung und Meldung von Interessenkonflikten verbessern
Die Kommission sollte
- den Austausch von bewährten Verfahren mit und unter den Behörden der Mitgliedstaaten darüber erleichtern und fördern, wie die verschiedenen in Artikel 61 Absatz 3 der Haushaltsordnung beschriebenen Interessenkonflikte – familiäre oder private Verbundenheit, politische Übereinstimmung oder nationale Zugehörigkeit, wirtschaftliches Interesse oder andere direkte oder indirekte persönliche Interessen – ermittelt werden können;
- den Austausch bewährter Verfahren betreffend die Nutzung von Big Data und Data-Mining-Tools in den Mitgliedstaaten zur Aufdeckung von Interessenkonflikten fördern und die Mitgliedstaaten dazu auffordern, diese Instrumente allen ihren Behörden bereitzustellen und systematisch zu nutzen;
- klare Leitlinien für die Mitgliedstaaten darüber ausarbeiten, wann und wie Betrugsfälle und Unregelmäßigkeiten, bei denen Interessenkonflikte eine Rolle spielen, der Kommission über das IMS vollständig und einheitlich gemeldet werden.
Zieldatum für die Umsetzung: 2024
Empfehlung 2 – Transparenz fördern
Die Kommission sollte
- bewährte Verfahren einschließlich Verfahren, die bei der Gestaltung und Annahme von Maßnahmen und Programmen angewandt wurden, um Interessenkonflikte zu vermeiden, ermitteln und verbreiten;
- den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten über die zwingende Abgabe von Erklärungen über das Einkommen und das Vermögen von nationalen oder regionalen öffentlichen Bediensteten, die im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung in Entscheidungsprozesse eingebunden sind, erleichtern, um die Transparenz und Rechenschaftspflicht zu erhöhen und das Risiko nicht erkannter Interessenkonflikte zu verringern.
Zieldatum für die Umsetzung: 2024
Dieser Bericht wurde von Kammer I unter Vorsitz von Frau Joëlle Elvinger, Mitglied des Rechnungshofs, in ihrer Sitzung vom 25. Januar 2023 in Luxemburg angenommen.
Für den Rechnungshof

Tony Murphy
Präsident
Abkürzungen
EDES: Early Detection and Exclusion System (Früherkennungs- und Ausschlusssystem)
EFRE: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung
EGFL: Europäischer Garantiefonds für die Landwirtschaft
ELER: Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums
ESF: Europäischer Sozialfonds
EUStA: Europäische Staatsanwaltschaft
GAP: Gemeinsame Agrarpolitik
GD AGRI: Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
GD BUDG: Generaldirektion Haushalt
GD EMPL: Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration
GD HR: Generaldirektion Humanressourcen und Sicherheit
GD REGIO: Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung
GRECO: Gruppe der Staaten gegen Korruption
IDOC: Investigation and Disciplinary Office of the Commission (Untersuchungs- und Disziplinaramt der Kommission)
IMS: Irregularity management system (Berichterstattungssystem für Unregelmäßigkeiten)
KF: Kohäsionsfonds
OECD: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
OLAF: Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung
SFC: System für die Fondsverwaltung in der Europäischen Union
Glossar
Aktionsplan: Dokument, in dem die zur Erreichung eines bestimmten Ziels erforderlichen Schritte festgelegt sind.
Arachne: von der Kommission entwickeltes Instrument zur Datenextraktion und Risikobeurteilung, das die Verwaltungsbehörden und Zahlstellen beim Management und bei der Kontrolle der ESI-Fonds und der Fonds der GAP unterstützt.
Begünstigter: natürliche oder juristische Person, die eine Finanzhilfe oder ein Darlehen aus dem EU-Haushalt erhält.
Berichterstattungssystem für Unregelmäßigkeiten: Anwendung, die Mitgliedstaaten nutzen, um Unregelmäßigkeiten einschließlich mutmaßlichen Betrugs an das OLAF zu melden.
Bescheinigende Stelle: im Bereich der Agrarausgaben eine von einem Mitgliedstaat benannte öffentliche oder private Einrichtung, die den Zahlstellen eine Zulassung erteilt und jährlich die Zuverlässigkeit der jährlichen Rechnungslegung der Zahlstellen sowie die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge bescheinigt.
Betrug: vorsätzliche und rechtswidrige Ausnutzung einer Täuschung zur Erlangung eines materiellen Vorteils, indem einer anderen Partei Eigentum oder Geld entzogen wird.
Big Data: große Mengen unstrukturierter Daten aus unterschiedlichen Quellen sowie deren Verarbeitung, Sammlung, Speicherung und Analyse mit dem Ziel, aussagekräftige Muster, Trends und Zusammenhänge zu erkennen.
Direktzahlungen: Stützungszahlungen, zumeist flächenbezogene Beihilfen, die aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft direkt an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe geleistet werden.
Drehtüreffekt: Situation, in der eine Person eine rechtliche oder regulatorische Funktion niederlegt und in die Privatwirtschaft wechselt oder umgekehrt.
Fehler: Ergebnis einer falschen Berechnung oder Unregelmäßigkeit, die sich aus einem Verstoß gegen rechtliche und vertragliche Anforderungen ergibt.
Geteilte Mittelverwaltung: Methode zur Ausführung des Haushaltsplans der EU, bei der die Kommission – im Gegensatz zur direkten Mittelverwaltung – dem Mitgliedstaat Haushaltsvollzugsaufgaben überträgt, wobei sie selbst weiterhin die oberste Verantwortung trägt.
Hinweisgeber („Whistleblower“): Person, häufig ein Mitarbeiter, der Informationen über Verfehlungen innerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation nach außen kommuniziert.
Korruption: Missbrauch öffentlicher, unternehmerischer oder persönlicher Macht zur Erlangung unrechtmäßiger Vorteile.
Letzter wirtschaftlicher Eigentümer: Person, die letztlich von einem Unternehmen oder einer Organisation profitiert oder ein Interesse daran hat.
Mutmaßlicher Betrug (auch: Betrugsverdacht): Unregelmäßigkeit, die zur Einleitung eines Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens führt, um festzustellen, ob sie betrügerischer Art ist.
Operationelles Programm: Rahmen für die Durchführung EU-finanzierter Kohäsionsprojekte in einem bestimmten Zeitraum, der die Prioritäten und Ziele widerspiegelt, welche in Partnerschaftsvereinbarungen zwischen der Kommission und einzelnen Mitgliedstaaten festgelegt wurden.
Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums: Paket mehrjähriger nationaler oder regionaler Ziele und Maßnahmen, das von der Kommission genehmigt wird und der Umsetzung der EU-Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums dient.
Unregelmäßigkeit: Verstoß gegen EU- (oder einschlägige nationale) Vorschriften oder vertragliche Verpflichtungen.
Verwaltungsbehörde: von einem Mitgliedstaat benannte nationale, regionale oder lokale (öffentliche oder private) Stelle, die ein mit EU-Mitteln finanziertes Programm verwaltet.
Warnsignal („Red Flag“): Hinweis darauf, dass eine Transaktion oder andere Aktivität von betrügerischer Art sein könnte.
Zahlstelle: von einem Mitgliedstaat mit der Verwaltung von EU-Agrarausgaben beauftragte Stelle.
Zuverlässigkeitserklärung: im Jahresbericht des Hofes veröffentlichte Erklärung, die sein Prüfungsurteil in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung der EU sowie die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der ihr zugrunde liegenden Vorgänge enthält.
Antworten der Kommission
Prüfungsteam
Die Sonderberichte des Hofes enthalten die Ergebnisse seiner Prüfungen zu Politikbereichen und Programmen der Europäischen Union oder zu Fragen des Finanzmanagements in spezifischen Haushaltsbereichen. Bei der Auswahl und Gestaltung dieser Prüfungsaufgaben ist der Hof darauf bedacht, maximale Wirkung dadurch zu erzielen, dass er die Risiken für die Wirtschaftlichkeit oder Regelkonformität, die Höhe der betreffenden Einnahmen oder Ausgaben und künftige Entwicklungen sowie das politische und öffentliche Interesse abwägt.
Diese Wirtschaftlichkeitsprüfung wurde von Prüfungskammer I „Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen“ unter Vorsitz von Joëlle Elvinger, Mitglied des Hofes, durchgeführt. Die Prüfung stand unter der Leitung von Pietro Russo, Mitglied des Hofes. Herr Russo wurde unterstützt von seiner Kabinettchefin Chiara Cipriani und dem Attaché Benjamin Jakob, dem Leitenden Manager Richard Hardy, dem Aufgabenleiter Jan Huth und der stellvertretenden Aufgabenleiterin Anca Florinela Cristescu. Zum Prüfungsteam gehörten außerdem Servane de Becdelièvre, Maciej Szymura, Mihaela Vacarasu und Lutz Venske. Marika Meisenzahl leistete Unterstützung bei der grafischen Gestaltung. Michael Pyper leistete sprachliche Unterstützung.

Von links nach rechts: Pietro Russo, Benjamin Jakob, Anca Florinela Cristescu, Richard Hardy, Servane de Becdelièvre, Jan Huth
Endnoten
1 Ismeri Europa Srl gegen Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften.
2 Artikel 61 der Haushaltsordnung der EU.
3 Artikel 35 der Richtlinie 2014/23/EU, Artikel 24 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 42 der Richtlinie 2014/25/EU.
4 OECD, Managing conflict of interest in the public sector, 2005.
5 Siehe z. B. OECD, Collusion and Corruption in Public Procurement, 2010.
6 Siehe The OLAF report 2021, S. 18, bzw. The OLAF report 2020, S. 14–15.
7 OECD, Fraud and Corruption in European Structural and Investment Funds, 2019.
8 Leitlinien für die Anwendung der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union, C(2022) 1382 final vom 2.3.2022, Brüssel.
9 Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates über Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn, COM(2022) 485 final.
10 Generaldirektion der Kommission für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (GD AGRI), Generaldirektion Haushalt (GD BUDG), Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration (GD EMPL), Generaldirektion Humanressourcen und Sicherheit (DG HR) und Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung (GD REGIO).
11 Die Europäische Staatsanwaltschaft ist die unabhängige Staatsanwaltschaft der Europäischen Union.
12 Die Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) ist die Antikorruptionsstelle des Europarates.
13 Der Schwerpunkt lag auf Bayern und dem Saarland.
15 Beschluss der Kommission vom 29.6.2018 über Nebentätigkeiten und Aufträge und über berufliche Tätigkeiten nach dem Ausscheiden aus dem Dienst, C(2018) 4048 final vom 29.6.2018, Brüssel.
16 Leitlinien zur Vermeidung von und zum Umgang mit Interessenkonflikten gemäß der Haushaltsordnung, (2021/C 121/01).
17 Ombudsman decision on how the European Commission manages revolving doors.
18 Ombudsman decision: revolving doors situations.
19 Pressemitteilung des Europäischen Bürgerbeauftragten Nr. 3/2022: EU-Verwaltung an kritischem Punkt im Umgang mit „Seitenwechseln“, 18. Mai 2022.
20 Betrugsbekämpfungsportal der Europäischen Kommission..
21 Für den Kohäsionsbereich siehe die Kommissionsseite Begünstigte der Kohäsionspolitik der Europäischen Union und für den Bereich Landwirtschaft die Kommissionsseite Beneficiaries of CAP funds.
22 Gemäß Artikel 112 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.
23 Studie für das Europäische Parlament, Haushaltskontrollausschuss: The largest 50 beneficiaries in each EU Member State of CAP and Cohesion Funds, 2021.
24 Artikel 69 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2021/1060.
25 Artikel 59 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2021/2116.
26 Dänemark, Frankreich, Lettland, Litauen, Malta, Portugal, Schweden und Zypern.
27 Agence Europe: Parliamentary Assembly of Council of Europe considers that Malta’s Whistleblower Protection Act does not meet its objective, 20. Dezember 2021.
28 Tätigkeitsbericht des Untersuchungs- und Disziplinaramts der Kommission (IDOC), 2020.
29 Jahresbericht des OLAF 2020.
30 Siehe die Länderberichte über die Vergabe öffentlicher Aufträge aus dem Jahr 2018 (Länderberichte und Informationen über EU-Länder), die der Europäischen Kommission von den EU‑ und EWR-Ländern vorgelegt wurden.
31 Maltesischer Rechnungshof, Bericht des Präsidenten, 2019.
32 Europäische Kommission (GD AGRI), Leitlinie Nr. 1 – Leitlinien für die Bescheinigungsprüfung im Rahmen des EGFL und des ELER – Akkreditierungsleitlinie, Haushaltsjahr 2021.
33 Früherkennungs- und Ausschlusssystem.
34 Siehe z. B. Elizabeth Dávid-Barrett and Mihály Fazekas, Grand corruption and government change: an analysis of partisan favoritism in public procurement, European Journal on Criminal Policy and Research 26, S. 411–430 (2020).
35 Artikel 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 und Artikel 122 der Verordnung Nr. 1303/2013.
36 Artikel 122 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1303/2013 und Artikel 50 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1306/2013.
37 Sonderberichte 01/2019 „Bekämpfung von Betrug bei den EU-Ausgaben“, Ziffern 23–28, und 06/2019 „Bekämpfung von Betrug bei den EU-Kohäsionsausgaben“, Ziffern 47–57.
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