Sonderbericht
14 2022

Reaktion der Kommission auf Betrug im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik – Es ist an der Zeit, das Problem an der Wurzel anzugehen

Über den Bericht:Betrug schadet den finanziellen Interessen der EU und verhindert, dass die politischen Ziele mit den Ressourcen der EU erreicht werden. In diesem Bericht gibt der Hof einen Überblick über die Risiken für Betrug im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und bewertet die Reaktion der Kommission auf dieses Phänomen. Der Hof gelangt zu dem Schluss, dass die Kommission auf Fälle von Betrug bei den GAP-Ausgaben reagiert hat, aber im Hinblick auf die Auswirkungen des Risikos der illegalen Landnahme auf die GAP-Zahlungen, beim Monitoring der Betrugsbekämpfungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten und bei der Ausschöpfung des Potenzials neuer Technologien nicht ausreichend proaktiv gewesen ist. Der Hof empfiehlt der Kommission, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Kenntnisse über Betrugsrisiken und Betrugsbekämpfungsmaß­nahmen zu vertiefen und anschließend auf der Grundlage dieser Erkenntnisse tätig zu werden. Außerdem sollte sie den Einsatz neuer Technologien zur Betrugsverhütung und -aufdeckung stärker fördern.

Sonderbericht des Hofes gemäß Artikel 287 Absatz 4 Unterabsatz 2 AEUV.

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PDF Sonderbericht: Betrugsbekämpfungsmaßnahmen in der GAP

Zusammenfassung

I Mit Ausgaben im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) werden Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in der EU gefördert, und zwar durch

  • Direktzahlungen an Betriebsinhaber, die im Allgemeinen auf der den Begünstigten zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Fläche beruhen;
  • landwirtschaftliche Marktmaßnahmen, mit denen der Agrarsektor der EU bei der Anpassung an Marktänderungen unterstützt wird;
  • die nationalen und regionalen Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum der Mitgliedstaaten, mit denen die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in ländlichen Gebieten gefördert wird und Hilfe auf der Grundlage von Kriterien, die sich auf Umwelt und Klima beziehen, geleistet wird.

II Im Zeitraum 2018–2020 beliefen sich die Direktzahlungen in der EU‑27 auf durchschnittlich 38,5 Milliarden Euro pro Jahr, während die Ausgaben für Marktmaßnahmen und die Entwicklung des ländlichen Raums durchschnittlich 2,7 bzw. 13,1 Milliarden Euro betrugen.

III Durch Betrug werden die finanziellen Interessen der EU verletzt, und es wird verhindert, dass die politischen Ziele mit den Ressourcen der EU erreicht werden. Der Hof geht davon aus, dass sein Bericht der Kommission und den Mitgliedstaaten dabei hilft, ihre Kapazität zur Betrugsbekämpfung im Rahmen der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik 2023–2027 auszubauen.

IV Die Finanzierung der GAP wird auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten durch verschiedene Stellen geschützt. Der Hof hat im Rahmen seiner Prüfung untersucht, ob die Kommission angemessene Maßnahmen gegen Betrug bei den GAP-Ausgaben ergriffen hat, indem sie die den GAP-Zahlungsregelungen innewohnenden Betrugsrisiken bewertet hat, und ob die Kommission die Betrugsrisiken, die sich auf die GAP-Ausgaben auswirken, ermittelt und angemessen darauf reagiert hat.

V Der Hof stellte fest, dass die Kommission auf Fälle von Betrug bei den GAP-Ausgaben reagiert hat, aber im Hinblick auf die Auswirkungen des Risikos der illegalen Landnahme auf die GAP-Zahlungen, beim Monitoring der Betrugsbekämpfungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten und bei der Ausschöpfung des Potenzials neuer Technologien nicht ausreichend proaktiv gewesen ist.

VI Die Betrugsrisiken variieren je nach der jeweiligen GAP-Zahlungsregelung. In diesem Bericht gibt der Hof einen Überblick über die Betrugsrisiken, die mit den verschiedenen GAP-Zahlungsregelungen verbunden sind. Der Hof ermittelte Risiken, die mit dem Verschleiern von Verstößen gegen die Förderfähigkeitsbedingungen durch Begünstigte, der Komplexität der finanzierten Maßnahmen und rechtswidrigen Formen der Landnahme zusammenhängen.

VII Die Kommission hat die Betrugsrisiken bei den GAP-Ausgaben bewertet und eingeräumt, dass bei Investitionsmaßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und bestimmten Marktmaßnahmen ein höheres Risiko besteht als bei anderen Zahlungsregelungen. Sie hat kürzlich Leitlinien für Zahlstellen zum Thema Landnahme und zum Begriff "dem Betriebsinhaber zur Verfügung stehende Fläche" herausgegeben.

VIII Die Kommission gab den Mitgliedstaaten Leitlinien zu betrugsrelevanten Themen an die Hand. Die Mehrheit der Zahlstellen war mit diesen Leitlinien zufrieden, einige waren jedoch der Ansicht, dass mehr praktische Beispiele nützlich gewesen wären. Die letzte Analyse der Betrugsrisiken in Verbindung mit der GAP durch die Kommission fand 2016 statt, und die Kommission plant, eine neue Analyse vorzunehmen, bevor die neue GAP im Januar 2023 in Kraft tritt.

IX Die Kommission führt Zulassungs- und Konformitätskontrollen bei den Zahlstellen durch, um deren Kontrollsysteme zu bewerten, und kann sich dabei auch mit Betrugsbekämpfungsmaßnahmen befassen. Sie stützt sich auf die jährlichen Überprüfungen der Bescheinigenden Stellen, um zu überwachen, ob die Zahlstellen ihre Zulassungskriterien einhalten. Dies schließt Betrugsbekämpfungsmaßnahmen ein. In einigen Berichten der Bescheinigenden Stellen wurden die Betrugsbekämpfungsmaßnahmen der Zahlstellen nur in geringem Maße analysiert, die Kommission verlangte von den Bescheinigenden Stellen jedoch nicht, zu diesen Fällen weitere Einzelheiten anzugeben.

X Die Kommission hat die Verwendung neuer Technologien gefördert, um Kontrollen zu automatisieren, wie im Fall der "Kontrollen durch Monitoring", bei denen sämtliche Beihilfeempfänger einer bestimmten Regelung überwacht werden, und hat ein eigenes Instrument zur Risikobewertung, Arachne, entwickelt, um die Mitgliedstaaten bei der Betrugsvorbeugung zu unterstützen. Der Einsatz dieser Technologien ist freiwillig, und die Mitgliedstaaten reagierten nur zögerlich. Künstliche Intelligenz und Big Data sind vielversprechende Technologien zur Betrugsbekämpfung, aber die Mitgliedstaaten haben Schwierigkeiten, diese Technologien zu nutzen. Die Kommission hat mit der Förderung dieser Technologien begonnen.

XI Der Hof unterbreitet der Kommission Empfehlungen, sodass sie einen tieferen Einblick in die Betrugsrisiken und Maßnahmen bei den GAP-Ausgaben zum Schutz der finanziellen Interessen der EU gewinnen und mit anderen teilen und den Einsatz neuer Technologien bei der Vorbeugung und Aufdeckung von Betrug fördern kann.

Einleitung

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)

01 Mit GAP-Ausgaben werden Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in der EU gefördert, und zwar durch

  • Direktzahlungen an Betriebsinhaber, die in vollem Umfang aus dem EU-Haushalt finanziert werden und im Allgemeinen auf der den Begünstigten zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Fläche beruhen;
  • landwirtschaftliche Marktmaßnahmen, die ebenfalls in vollem Umfang aus dem EU-Haushalt finanziert werden, mit Ausnahme bestimmter Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten kofinanziert werden; zu den Marktmaßnahmen gehören die Unterstützung öffentlicher und privater Lagerung landwirtschaftlicher Produkte im Fall von Marktstörungen, sektorspezifische Beihilferegelungen (z. B. im Wein- oder Obst- und Gemüsebereich) und die Erstattung der Kosten der Verkaufsförderung von landwirtschaftlichen Produkten der EU;
  • die nationalen und regionalen Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums der Mitgliedstaaten, die vom EU-Haushalt und den Mitgliedstaaten kofinanziert werden, und die sowohl die Erstattung von Projektkosten als auch Zahlungen auf der Grundlage der landwirtschaftlichen Fläche oder der Anzahl der Tiere der Begünstigten umfassen.

02 Im Zeitraum 2018–2020 beliefen sich die Direktzahlungen in der EU‑27 auf durchschnittlich 38,5 Milliarden Euro pro Jahr, während die Ausgaben für Marktmaßnahmen und die Entwicklung des ländlichen Raums durchschnittlich 2,7 bzw. 13,1 Milliarden Euro betrugen.

03 Der EU-Agrarsektor weist erhebliche Abweichungen in Bezug auf die Arten von Begünstigten, die Betriebsgröße und die Formen der Grundbesitzverhältnisse an landwirtschaftlicher Fläche auf. Deshalb stellt es eine Herausforderung dar, Regeln und Kontrollsysteme zu entwerfen, die alle Szenarios abdecken.

04 Die GAP-Begünstigten reichen von privaten Einzelpersonen bis hin zu Genossenschaften, Unternehmen und Einrichtungen des öffentlichen Sektors. Im Haushaltsjahr 2020 erhielten ca. 6,2 Millionen Begünstigte Direktzahlungen, 3,5 Millionen (typischerweise auch Begünstigte von Direktzahlungen) erhielten Zahlungen im Rahmen von Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und 102 000 erhielten Unterstützung im Rahmen von Marktmaßnahmen.

05 Die meisten GAP-Begünstigten erhalten weniger als 10 000 Euro im Jahr: Der Anteil hat abgenommen, macht aber immer noch mehr als 80 % der Begünstigten aus (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1 – Verteilung der Zahlungen unter den GAP-Begünstigten im Zeitraum 2014–2020

Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage von Daten der GD AGRI.

06 Was die Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe angeht, haben 67 % der EU-Betriebe weniger als 5 Hektar, während 3 % mehr als 100 Hektar haben. Die Lage ist in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich. In Malta und Rumänien zum Beispiel verfügen mehr als 90 % der Betriebe über weniger als 5 Hektar, während in Dänemark und Finnland nur 4 % der Betriebe in diese Kategorie fallen.

07 Die Verteilung der landwirtschaftlichen Fläche ist ebenfalls unterschiedlich. In der Slowakei sind 9 % der Betriebe größer als 100 Hektar und decken 89 % der nationalen landwirtschaftlichen Fläche ab, während solche Betriebe in Slowenien nur 7 % der landwirtschaftlichen Fläche abdecken. Abbildung 2 zeigt die Situation auf EU-Ebene, in den drei ausgewählten Mitgliedstaaten (siehe Ziffer 26) und in den beiden Mitgliedstaaten an beiden Enden des Spektrums.

Abbildung 2 – Verteilung der landwirtschaftlichen Fläche (EU‑27 und ausgewählte Mitgliedstaaten, 2016)

Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage von Eurostat-Daten.

08 Was die Grundbesitzverhältnisse an landwirtschaftlicher Fläche angeht, sind 82 % der polnischen Betriebsinhaber Eigentümer ihrer Flächen, während 78 % der maltesischen Betriebsinhaber ihre Flächen gepachtet haben und in Griechenland ein Drittel der landwirtschaftlichen Fläche Gemeindeland ist (siehe Anhang I).

Schutz der GAP-Haushaltsmittel vor Betrug

09 Gemäß der Definition in den EU-Rechtsvorschriften1 ist Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union ein vorsätzlicher Verstoß (Handlung oder Unterlassung), der dem EU-Haushalt durch Folgendes schadet oder schaden könnte:

  • die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder Unterlagen;
  • das Verschweigen einer Information unter Verletzung einer spezifischen Pflicht;
  • die missbräuchliche Verwendung [der] Mittel […] zu anderen Zwecken als denen, für die sie ursprünglich gewährt wurden.

10 Der entscheidende Faktor für die Unterscheidung zwischen Unregelmäßigkeit und Betrug ist der Vorsatz. Eine Unregelmäßigkeit kann das Ergebnis einer fehlerhaften Auslegung einer Vorschrift sein, während Betrug das Ergebnis eines vorsätzlichen Verstoßes gegen eine Vorschrift ist.

11 Betrug kann als "intern" oder "extern" eingestuft werden2. Im Kontext der GAP

  • kann interner Betrug von dem an der Verwaltung der GAP-Mittel beteiligten Behördenpersonal oder vom Personal der Organe und Einrichtungen der EU begangen werden. Dabei kann es um nicht offengelegte Interessenkonflikte, Verletzungen des Berufsgeheimnisses oder Bestechlichkeit gehen.
  • bezieht sich externer Betrug auf Betrug, der von den Begünstigten der GAP-Finanzierung begangen wird. Beispiele sind Betrug bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (z. B. Absprachen zwischen Bietern, unregelmäßige oder fiktive Vergabe von Unteraufträgen, Bestechung), Fälschung von Urkunden, Aufblähung der Kosten oder ein Verschweigen von Verbindungen zwischen Unternehmen.

12 Durch Betrug werden die finanziellen Interessen der EU verletzt, und es wird verhindert, dass die politischen Ziele mit den Ressourcen der EU erreicht werden. Für eine wirksame Betrugsbekämpfung ist ein umfassender Rahmen für das Risikomanagement erforderlich, der den gesamten Zyklus der Betrugsbekämpfung aus Vorbeugung, Aufdeckung und Reaktion auf Betrug abdeckt (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3 – Prozess des Betrugsrisikomanagements

Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage des COSO-Referenzrahmens (Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission).

Verschiedene Stellen schützen die GAP-Finanzierung vor Betrug

13 Innerhalb der Kommission:

  • Die Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (GD AGRI) teilt sich die Verwaltung der GAP mit zugelassenen Zahlstellen in den Mitgliedstaaten, wobei sie letztlich für die Maßnahmen verantwortlich bleibt. Die GD AGRI vergewissert sich, dass die Verwaltungs- und Kontrollsysteme der Mitgliedstaaten einwandfrei arbeiten.
  • Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) führt administrative Untersuchungen illegaler Aktivitäten, die sich nachteilig auf den EU-Haushalt auswirken, und schwerwiegenden Fehlverhaltens innerhalb der Organe der Union durch. Zu OLAF gehört das Berichterstattungssystem für Unregelmäßigkeiten (IMS), das von den Mitgliedstaaten übermittelte Daten zu Unregelmäßigkeiten und Betrug bei den EU-Ausgaben enthält. Das OLAF analysiert diese Daten und veröffentlicht im Namen der Kommission einen "Jahresbericht über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union – Betrugsbekämpfung" (im Folgenden "PIF-Bericht")3. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der europäischen Betrugsbekämpfungspolitik.

14 Im Juni 2021 nahm die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) ihre Tätigkeit als unabhängige Staatsanwaltschaft der EU auf. Sie ist befugt, Straftaten zum Nachteil des EU-Haushalts, wie Betrug und Korruption, vor den zuständigen Gerichten der 22 an der EUStA teilnehmenden Mitgliedstaaten zu untersuchen, strafrechtlich zu verfolgen und vor Gericht zu bringen4.

15 Von den Mitgliedstaaten wird erwartet, dass sie Maßnahmen ergreifen, um Betrug und andere Unregelmäßigkeiten zu verhindern, aufzudecken und zu beheben, und die finanziellen Interessen der EU auf dieselbe Weise zu schützen wie ihre eigenen finanziellen Interessen. Außerdem müssen sie der Kommission Unregelmäßigkeiten und Betrug im Zusammenhang mit Beträgen von mehr als 10 000 Euro über das IMS melden.

16 Im Rahmen ihrer Zulassungskriterien sind die Zahlstellen verpflichtet, interne Kontrollaktivitäten einzuführen, die darauf ausgerichtet sind, Betrug zu verhindern und aufzudecken (siehe Kasten 1). Die Direktoren der Zahlstellen legen der Kommission eine jährliche Verwaltungserklärung über das ordnungsgemäße Funktionieren der Systeme der internen Kontrolle vor, in der sie bestätigen müssen, dass wirksame und verhältnismäßige Betrugsbekämpfungsmaßnahmen getroffen wurden, die den ermittelten Risiken Rechnung tragen5.

17 Obwohl die Zahlstellen nicht für die Untersuchung von Betrug zuständig sind, sollten sie Maßnahmen ergreifen, um Betrug zu verhindern und aufzudecken, und mit den Strafverfolgungsbehörden, die die Ermittlungen durchführen, zusammenarbeiten.

Kasten 1

Betrugsbezogene Aspekte bei den Zulassungskriterien der Zahlstellen

  • Zahlstellen sollten einen Zahlungsanspruch nur freigeben, nachdem sie hinreichende Kontrollen durchgeführt haben, um die Einhaltung der EU-Vorschriften sicherzustellen, einschließlich Kontrollen zur Vorbeugung und Aufdeckung von Betrug.
  • Zu den internen Kontrolltätigkeiten der Zahlstellen sollten Überwachungsverfahren gehören, um Betrug und Unregelmäßigkeiten zu verhindern und aufzudecken, wobei besonders auf die Bereiche der GAP-Ausgaben geachtet werden sollte, die einem erheblichen Risiko von Betrug oder anderen schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten ausgesetzt sind.
  • Das Personal muss auf allen Ebenen angemessen ausgebildet werden, auch im Hinblick auf die Sensibilisierung gegenüber Betrug.

18 Die von den Mitgliedstaaten benannten Bescheinigenden Stellen überprüfen jährlich die Kontrollsysteme der Zahlstellen und die Einhaltung der Zulassungskriterien durch Letztere. Sie geben eine jährliche Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Ausgaben ab.

19 Aus Abbildung 4 ergeben sich die Rollen und Zuständigkeiten der Stellen, die bei der Betrugsbekämpfung im Rahmen der GAP am wichtigsten sind.

Abbildung 4 – Rollen und Zuständigkeiten der bei der Betrugsbekämpfung im Rahmen der GAP wichtigsten Stellen

Quelle: Europäischer Rechnungshof.

20 Im Einklang mit den Prüfungsstandards ist der Hof auch gegenüber Betrugsrisiken wachsam. Insbesondere gilt Folgendes:

  • Bei der Planung und Durchführung seiner Prüfungen berücksichtigt der Hof das Betrugsrisiko.
  • Der Hof meldet Fälle mutmaßlichen Betrugs an das OLAF und die EUStA.
  • In letzter Zeit veröffentlichte der Hof zwei Sonderberichte über die Bekämpfung von Betrug bei den EU-Ausgaben6 und untersuchte die Betrugsbekämpfungsstrategien und -verfahren der Kommission in Bezug auf die GAP-Ausgaben im Rahmen seiner Zuverlässigkeitserklärung 20197.

Die Mitgliedstaaten berichten der Kommission den Umfang des Betrugs, den sie bei den GAP-Ausgaben aufdecken

21 Der PIF-Bericht der Kommission enthält eine Übersicht über Betrug bei den GAP-Ausgaben in Form der Zahl der gemeldeten Fälle und der finanziellen Beträge, und die Statistiken werden um tiefergehende Analysen ergänzt. Von 2016 bis 2020 hatten 11 % der im IMS gemeldeten Betrugsbeträge einen Bezug zur GAP, während die Kohäsionspolitik 86 % des Gesamtbetrags ausmachte (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1 – Beträge der als betrügerisch gemeldeten Unregelmäßigkeiten (2016-2020)

POLITIKBEREICH Gesamtzeitraum (2016-2020)
  %
Gemeinsame Agrarpolitik 226 529 858 10,9
Direktzahlungen und Marktmaßnahmen 112 857 342 5,4
Entwicklung des ländlichen Raums 107 624 816 5,2
Direktzahlungen/Marktmaßnahmen/Entwicklung des ländlichen Raums 6 035 208 0,3
unklar (*) 12 492 0,0
Kohäsions- und Fischereipolitik 1 802 679 114 86,4
Heranführungspolitik 12 578 346 0,6
Direkte Mittelverwaltung 44 940 000 2,2
INSGESAMT 2 086 727 318 100,0

(*) Die Kategorie "unklar" wird im PIF-Bericht verwendet, wenn die Angaben als nicht ausreichend angesehen werden, um die Unregelmäßigkeit in eine andere Kategorie einzustufen.

Quelle: PIF-Bericht 2020 – Statistical evaluation (Parts 1 and 2).

22 Die finanziellen Auswirkungen der gemeldeten betrügerischen Unregelmäßigkeiten sind für die GAP im Allgemeinen gering: Im Zeitraum 2016–2020 beliefen sie sich auf 0,09 % der Gesamtsumme der GAP-Zahlungen. Abbildung 5 ist die Aufdeckungsquote bei Betrug zu entnehmen, d. h. das Verhältnis zwischen den gemeldeten Beträgen in Betrugsfällen (Verdachtsfälle und erwiesene Fälle) und den Zahlungen für die Bestandteile der GAP.

Abbildung 5 – Aufdeckungsquote bei Betrug nach GAP-Bestandteilen (2016-2020)

Quelle: PIF-Bericht 2020 – Statistical evaluation (Part 1).

23 Wie im PIF-Bericht 20208 dargelegt, sind die Zahl der als betrügerisch gemeldeten Unregelmäßigkeiten – und die damit verbundenen Beträge – jedoch kein direkter Indikator für das Ausmaß des Betrugs zum Nachteil des EU-Haushalts, sondern vielmehr für die Arbeit der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Betrug und anderen den finanziellen Interessen der EU zuwiderlaufenden rechtswidrigen Handlungen. Bei früheren Prüfungen stellte der Hof fest, dass diese Zahlenangaben kein vollständiges Bild vom Ausmaß des aufgedeckten Betrugs bei den EU-Ausgaben lieferten9.

Prüfungsumfang und Prüfungsansatz

24 Im Rahmen der Prüfung des Hofes wurden Betrugsmuster bei GAP-Zahlungsregelungen untersucht. Der Hof bewertete, ob die Kommission die Betrugsrisiken zum Nachteil der GAP-Ausgaben ordnungsgemäß ermittelt und auf diese Risiken angemessen reagiert hat.

25 Der Hof deckte die über die GAP finanzierten Maßnahmen unter gemeinsamer Verwaltung ab (Direktzahlungen, Marktmaßnahmen und Entwicklung des ländlichen Raums), wofür Daten aus den Programmplanungszeiträumen 2007–2013 und 2014–2020 untersucht wurden. Der Hof hat die GAP-Ausgaben im Rahmen der direkten Mittelverwaltung (rund 0,8 % der GAP-Ausgaben) nicht untersucht. Auch die Interessenkonflikte, die Gegenstand eines weiteren Sonderberichts des Hofes sind, der 2022 veröffentlicht werden soll, wurden vom Hof nicht behandelt. Die EUStA, die ihre Tätigkeit im Juni 2021 aufgenommen hat, wurde nicht in den Prüfungsumfang einbezogen.

26 Der Hof erlangte Prüfungsnachweise aus folgenden Quellen:

  • Aktenprüfungen und Videokonferenzen mit dem OLAF und der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung;
  • Aktenprüfungen in drei Mitgliedstaaten (Frankreich, Italien und Slowakei). Ihre Auswahl beruhte auf Indikatoren in Verbindung mit Betrug, Konzentration der Flächen und Finanzierungsbeträgen;
  • Umfragen, die an die Obersten Rechnungskontrollbehörden der drei ausgewählten Mitgliedstaaten und an die Zahlstellen, Koordinierungsstellen für die Betrugsbekämpfung (AFCOS) und Bescheinigenden Stellen aller 27 Mitgliedstaaten gerichtet waren. Mit den Umfragen wurden Betrugsrisiken sowie in den Mitgliedstaaten bestehende Betrugsbekämpfungsmaßnahmen und -kontrollen abgedeckt. Die Koordinierungsstellen für die Betrugsbekämpfung (AFCOS), die Zahlstellen aus 23 Mitgliedstaaten und die Bescheinigenden Stellen aus 13 Mitgliedstaaten nahmen an der Umfrage des Hofes teil;
  • Analyse von Daten, die aus dem IMS gewonnen wurden, und Datensätze des Statistischen Amts der EU (Eurostat).

27 Der Hof geht davon aus, dass sein Bericht der Kommission und den Mitgliedstaaten dabei hilft, ihre Betrugsbekämpfungskapazitäten im Rahmen der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik 2023–2027 auszubauen.

Feststellungen

Die Betrugsrisiken sind bei den GAP-Zahlungsregelungen unterschiedlich

28 Wenn die Kommission Gesetzgebungsakte vorschlägt, muss sie sicherstellen, dass die Gestaltung und die Vorschriften der verschiedenen GAP-Stützungsregelungen dem damit verbundenen Betrugsrisiko Rechnung tragen10.

29 Der Hof bewertete das Betrugsrisiko bei den Hauptkategorien der GAP-Ausgaben. Der Hof berücksichtigte die Ergebnisse seiner früheren Prüfungen zusammen mit Fällen, die im IMS und im Rahmen von Untersuchungen von OLAF gemeldet worden waren.

30 Aus den Prüfungsarbeiten zur Zuverlässigkeitserklärung des Hofes ergab sich, dass die Komplexität der Vorschriften und Auszahlungsmodi der EU-Mittel Auswirkungen auf das Fehlerrisiko haben. In seinem Jahresbericht 201911 stellte der Hof fest, dass das Betrugsrisiko in den Ausgabenbereichen, in denen die Bedingungen für die Förderfähigkeit komplexer sind, höher war (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6 – Faktoren, die sich auf Unregelmäßigkeiten und Betrug auswirken

Quelle: Europäischer Rechnungshof.

Einige Begünstigte verdecken Verstöße gegen die Förderfähigkeitsbedingungen

31 Bestimmte GAP-Zahlungsregelungen, die auf die Förderung bestimmter Kategorien von Begünstigten ausgerichtet sind, haben sich als anfällig für Betrug erwiesen, da einige Antragsteller einschlägige Informationen nicht offenlegen oder auf künstliche Weise die Bedingungen schaffen, um die Kriterien für die Förderfähigkeit zu erfüllen und unberechtigt von GAP-Förderung zu profitieren.

Unterstützung für KMU und nicht offengelegte Verbindungen zwischen Unternehmen

32 Eine der Prioritäten der EU für die Entwicklung des ländlichen Raums ist die Erleichterung der Diversifizierung, Gründung und Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Um festzustellen, ob ein Begünstigter die Förderfähigkeit als KMU besitzt, ist die Offenlegung zuverlässiger Informationen über die Zahl der Beschäftigten, den Jahresumsatz und die Jahresbilanzsumme von wesentlicher Bedeutung, ebenso wie die Offenlegung von Informationen über verbundene Unternehmen.

33 Bei seinen Prüfungsarbeiten zur Zuverlässigkeitserklärung ermittelte der Hof Fälle von Begünstigten, die ihre Verbindungen mit anderen Unternehmen nicht offengelegt hatten. Das OLAF hat ebenfalls solche Fälle untersucht (siehe Beispiele in Kasten 2).

Kasten 2

Beispiele für nicht offengelegte Verbindungen zwischen Unternehmen

In Litauen erhielt eine Genossenschaft 200 000 Euro Investitionsförderung für die Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Der Hof stellte fest, dass die Genossenschaft zu einem großen multinationalen Unternehmen gehörte und daher nicht förderfähig war12.

In Polen reichte ein Begünstigter zusammen mit Familienmitgliedern einen gemeinsamen Förderantrag für den Bau eines Schweinestalls ein. Jeder der teilnehmenden Begünstigten beantragte die Höchstförderung (ca. 200 000 Euro). In den Förderfähigkeitsbedingungen war vorgeschrieben, dass die Betriebe der Antragsteller weder eine wirtschaftliche Größe von 250 000 Euro noch eine Fläche von 300 Hektar überschreiten durften. Der Begünstigte und die anderen Familienmitglieder behaupteten, voneinander unabhängige Betriebe zu führen. Der Hof stellte fest, dass sie Anteile eines Familienunternehmens besaßen, das auf demselben Gelände betrieben wurde. Bei Berücksichtigung des Anteils des Begünstigten am Familienunternehmen ergab sich, dass dessen Betrieb die Obergrenze für die wirtschaftliche Größe überschritt13.

In Bulgarien wurde durch eine Untersuchung des OLAF aufgedeckt, dass etablierte landwirtschaftliche Unternehmen, die die Obergrenze der finanziellen Unterstützung der EU für ihre Betriebe oder Gruppe von Betrieben erreicht hatten, sich mit anderen scheinbar unabhängigen Betrieben, die in Wirklichkeit unter der Kontrolle des ursprünglichen Betriebs standen, um EU-Mittel bewarben und diese erhielten. Die finanziellen Auswirkungen der von OLAF analysierten Fälle beliefen sich auf rund 10 Millionen Euro14.

Nicht förderfähige Begünstigte, die Zahlungen als "Junglandwirte" beantragen

34 Mit der GAP soll der Generationenwechsel in der Landwirtschaft gefördert werden, indem Personen, die als "Junglandwirte" in Betracht kommen, zusätzliche Mittel gewährt werden. Um in dieser Hinsicht förderfähig zu sein, dürfen Betriebsinhaber nicht älter als 40 Jahre sein, wenn sie ihren Antrag auf Förderung einreichen, und müssen zum ersten Mal einen landwirtschaftlichen Betrieb als Betriebsinhaber gründen.

35 Ein Junglandwirt kann einen Betrieb allein oder gemeinsam mit anderen Landwirten, unabhängig von der Rechtsform, gründen. Im Fall einer juristischen Person muss der Junglandwirt diese Einheit in Bezug auf die Entscheidungen über Betriebsführung, Gewinne und finanzielle Risiken wirksam und langfristig kontrollieren.

36 Die Mitgliedstaaten können strengere Regeln für Junglandwirte festlegen, die Starthilfe im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums erhalten. Beispielweise ist in Frankreich in den nationalen Regeln für die Förderfähigkeit vorgeschrieben, dass das Einkommen des Junglandwirts hauptsächlich aus landwirtschaftlichen Aktivitäten stammen muss. Aus dem IMS lässt sich anhand einiger Fälle entnehmen, dass, wenn der neue Betrieb nicht den erwarteten Umsatz erbrachte, Junglandwirte sich andere Arbeit suchten (mitunter Vollzeitstellen), um ihr Einkommen zu steigern, und so die Förderfähigkeit verloren. Aus anderen Fällen ging hervor, dass die Begünstigten weder die Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs waren noch tatsächlich in dem Betrieb arbeiteten.

37 Solche Fälle können als Betrug angesehen werden, wenn ein Begünstigter, der die Förderkriterien nicht erfüllt, falsche oder unvollständige Angaben macht, um ein irreführendes Bild der Realität zu vermitteln.

Fälschung von Dokumenten und Simulation von Aktivitäten

38 In einigen Fällen kann es vorkommen, dass Begünstigte Dokumente fälschen oder Aktivitäten vortäuschen, um sich für die GAP-Förderung zu qualifizieren (siehe Kasten 3).

Kasten 3

Beispiele für simulierte Aktivitäten und gefälschte Dokumente zur Erlangung von EU-Mitteln

In Polen erhielt ein Milchviehhalter 17 000 Euro im Rahmen einer Maßnahme, die Betriebsinhaber dabei unterstützt, Färsen aus anderen Beständen zu erwerben, um die Wettbewerbsfähigkeit ihres Betriebs zu erhöhen. Der Hof stellte fest, dass der Betriebsinhaber die Unterstützung erhielt, nachdem er seinem Vater Färsen abgekauft hatte. Der Vater war ebenfalls Milchviehhalter und hielt seine Herde im selben Kuhstall wie der Begünstigte. Zwei Tage zuvor hatte der Begünstigte eine ähnliche Anzahl Färsen an seinen Vater verkauft, der ebenfalls eine Beihilfe im Rahmen derselben Maßnahme erhielt. Es fand kein physischer Transfer von Tieren statt, und die Gesamtzahl der Tiere in den Beständen des Begünstigten und seines Vaters änderte sich nicht15.

Im Jahr 2014 reichte ein landwirtschaftliches Unternehmen in der Slowakei einen Antrag für Dauergrünland nach der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung ein. Der Landwirt behauptete, im Untervertrag Aufträge für Pflegearbeiten (Mähen, Fräsen, Aufsammeln von Heuballen) an den Parzellen vergeben zu haben. Die Zahlstelle, die den Verdacht hatte, dass die damit verbundenen Vertragsdokumente gefälscht und keine derartigen Tätigkeiten ausgeführt worden seien, lehnte den Antrag ab und verwies den Fall an die Gerichte, die den Antragsteller für schuldig befanden und einen Schaden von 140 000 Euro verhinderten16.

Betrugsrisiken stiegen mit der Komplexität der Projekte

39 Im Rahmen der Marktmaßnahmen werden über die Stützungsprogramme für den Weinsektor eine Reihe von Maßnahmen finanziert, die verschiedenen Förderfähigkeitsbedingungen unterliegen, wie z. B. die Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen, Ernteversicherung, Investitionen in Unternehmen, Innovation für die Entwicklung neuer Produkte, Prozesse und Technologien und Absatzförderung in Nicht-EU-Ländern.

40 Maßnahmen zur Absatzförderung in Nicht-EU-Ländern sind besonders risikoanfällig. Diese Aktivitäten zu prüfen kann eine besondere Herausforderung darstellen, weil

  • viele Förderaktivitäten (z. B. Öffentlichkeitsarbeit) von flüchtiger und schwer erfassbarer Art sind,
  • Vor-Ort-Prüfungen in Nicht-EU-Ländern selten sind,
  • die meisten Förderaktivitäten im Wege von Unteraufträgen vergeben werden, insbesondere wenn sie in anderen Ländern erfolgen als in dem des Begünstigten.

41 Kasten 4 enthält ein Beispiel, das während der Prüfungsarbeiten zur Zuverlässigkeitserklärung des Hofes aufgedeckt wurde.

Kasten 4

Potenziell betrügerische Aktivitäten bei der Weinförderung

Im Jahr 2016 prüfte der Hof in Italien einen Vorgang im Wert von rund 300 000 Euro im Zusammenhang mit der Absatzförderung für Wein in Drittländern17.

Der Begünstigte hatte einen Bericht über ausgeführte Aktivitäten eingereicht, einschließlich Bildern der Aktivitäten zur Absatzförderung. Der Hof stellte in mehreren Fällen fest, dass die Bilder einer bestimmten Veranstaltung tatsächlich von einem anderen Ort oder aus einem anderen Jahr stammten. Einige der als Beleg für Aktivitäten zur Absatzförderung vorgelegten Bilder waren bereits bei vorhergehenden Anträgen auf Zahlungen vorgelegt worden. Bei den meisten Ausgaben, die der Hof überprüfte, erhielt er keinen Beleg darüber, dass die Aktivitäten stattgefunden hatten.

Direktzahlungen und "Landnahme"

42 Um Anspruch auf flächenbezogene Direktzahlungen zu haben, müssen die Begünstigten die Zahl der beihilfefähigen Hektarflächen angeben, "die ihnen zur Verfügung stehen"18. Das bedeutet, dass die Begünstigten eine ordnungsgemäße Rechtsgrundlage für den Anspruch auf das Land haben müssen.

43 Direktzahlungen wurden mit dem Begriff "Landnahme" in Verbindung gebracht, obgleich der Begriff umstritten ist (siehe Kasten 5).

Kasten 5

Was ist "Landnahme"?

Es gibt weder eine genaue rechtliche Definition des Begriffs "Landnahme" noch eine verbindliche Auffassung dazu, wie der Begriff auszulegen ist, auch wenn Einigkeit darüber besteht, dass "Landnahme" an sich weder nach EU-Recht noch nach nationalem Recht notwendigerweise rechtswidrig ist19.

Der Begriff "Landnahme" bezog sich ursprünglich auf den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen für Plantagen in großem Maßstab in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen in Afrika, Asien und Lateinamerika durch ausländische Unternehmen in privatem oder öffentlichem Eigentum20.

Im EU-Kontext wurde "Landnahme" (land grabbing) mit einer Konzentration von Agrarland und GAP-Beihilfen in den Händen großer Unternehmen und Investoren insbesondere in osteuropäischen Mitgliedstaaten in Verbindung gebracht21.

"Landnahme" kann mit betrügerischen Praktiken wie der Fälschung von Dokumenten, Zwang, Einsatz von politischem Einfluss oder Insiderinformationen, Manipulation von Verfahren oder Zahlung von Bestechungsgeldern verbunden sein. Bei der Prüfung des Hofes wurde der Fokus auf diese illegale Form der Landnahme gerichtet.

44 Bei der Beantwortung der Umfrage des Hofes zeigten 60 % der Zahlstellen an, dass sie Landnahme nicht als einen Risikoindikator ansehen würden. In einem Mitgliedstaat stellten fünf Zahlstellen eine Verbindung zwischen "Landnahme" und Umständen her, in denen förderfähige Anträge von Begünstigten eingereicht wurden, ohne dass diese eine Rechtsgrundlage für den Besitz des Landes gehabt hätten.

Aktuelle Kontrollen haben dazu beigetragen, das Fehlerrisiko zu verringern

45 Das wichtigste Instrument zur Prüfung der Förderfähigkeit für die Verwaltung von Direktzahlungen ist das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS), zu dem das System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen (LPIS) gehört.

46 Durch das InVeKoS werden Datenbanken über Betriebe, Beihilfeanträge, landwirtschaftliche Flächen und Tierbestandsregister, die von den Zahlstellen für Verwaltungsgegenkontrollen aller Beihilfeanträge verwendet werden, miteinander verknüpft. Das LPIS ist ein geografisches Informationssystem, das Geodatensätze aus verschiedenen Quellen umfasst, die zusammen ein Verzeichnis aller landwirtschaftlichen Flächen in den Mitgliedstaaten bilden.

47 Wie durch die Prüfungsarbeiten zur Zuverlässigkeitserklärung des Hofes bestätigt wird, bilden das InVeKoS und insbesondere das LPIS ein wirksames Verwaltungs- und Kontrollsystem, mit dem sichergestellt wird, dass die Direktzahlungen insgesamt keine wesentlichen Fehler aufweisen.

48 Die Einführung des geografischen Beihilfeantrags im InVeKoS, die es Betriebsinhabern ermöglicht, Zahlungsanträge online einzureichen, sowie der Umstand, dass die Zahlstellen Vorab-Gegenkontrollen der von den Betriebsinhabern eingereichten Beihilfeanträge vornehmen, haben ebenfalls dazu beigetragen, die Fehlerquote zu senken.

Unter bestimmten Umständen besteht eine größere Anfälligkeit für "Landnahme"

49 Da es aufgrund von InVeKoS und LPIS schwierig ist, die förderfähige Fläche zu hoch anzugeben (z. B. mittels doppelter Anträge oder indem ein Antrag für eine nichtlandwirtschaftliche Fläche gestellt wird), versuchen Betrüger, auf rechtswidrige Weise an Agrarland zu gelangen und dann Förderung zu beantragen (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7 – Umstände, unter denen eine größere Anfälligkeit für "Landnahme" besteht

Quelle: Europäischer Rechnungshof.

50 Im Rahmen von Untersuchungen von OLAF und von nationalen Behörden wurde festgestellt, dass landwirtschaftliche Flächen, die für diese Art von betrügerischer Aktivität am anfälligsten sind, Flächen im öffentlichen oder privaten Eigentum sind, bei denen die Eigentumsverhältnisse unklar sind (siehe Kasten 6 und Kasten 7).

51 Betrüger, die unrechtmäßig Land für Direktzahlungen beanspruchen, können gefälschte Dokumente vorlegen und auf kriminelle Praktiken wie Erpressung und geheime Absprachen mit Beamten zurückgreifen (interner Betrug). Kasten 6 enthält ein Beispiel.

Kasten 6

Beispiel für Flächen, für die in Italien unrechtmäßig Anträge gestellt wurden

Im Jahr 2017 führte das OLAF in Zusammenarbeit mit der italienischen Guardia di Finanza eine Untersuchung in Italien durch und stellte fest, dass einige landwirtschaftliche Unterstützungszentren eine Reihe von "falschen Landwirten" in die Datenbank der nationalen Zahlstelle aufgenommen hatten, sodass nicht förderfähige Antragsteller EU-Beihilfen erhalten konnten22. Bei der Untersuchung des OLAF stellte sich heraus, dass Anträge

  • auf nicht förderfähigen Erklärungen über Konzessionen für öffentliches Land beruhten oder
  • sich auf falsche Pachtverträge stützten, da die Pächter entweder gestorben waren oder von der Pacht nichts wussten, oder
  • für Land gestellt wurden, das aufgrund von Delikten der organisierten Kriminalität beschlagnahmt war, oder von Einzelpersonen eingereicht wurden, die vorsorglichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Mafia unterlagen.

Das OLAF empfahl die Wiedereinziehung von rund 32 Millionen Euro.

52 Betrüger können auch Schwächen bei den Kontrollen der Mitgliedstaaten ausnutzen (siehe Kasten 7).

Kasten 7

Schwächen bei den Kontrollen von Land, das den Betriebsinhabern zur Verfügung steht

In der Slowakei wurde im Rahmen einer im Dezember 2020 abgeschlossenen Untersuchung des OLAF festgestellt, dass einige Bereiche, für die einige Unternehmen seit Jahren Anträge gestellt hatten, nicht durch gültige Pachtverträge abgedeckt waren. Die nationalen Kontrollen der Rechtsgrundlagen der Antragsteller für den Anspruch auf das Land waren sehr begrenzt und erfolgten nur im Fall von sich überschneidenden Ansprüchen.

Das OLAF stellte auch fest, dass die Überprüfungsverfahren der slowakischen nationalen Behörde, die für die Verwaltung von landwirtschaftlichen Flächen in staatlichem Besitz und von Flächen ohne bekannten Privateigentümer zuständig ist, im Hinblick auf ihre Transparenz und Rechtssicherheit Schwächen aufwiesen. Es ergaben sich auch Fragen dahin gehend, ob das Verfahren auf effiziente und nicht diskriminierende Weise angewendet wurde.

Das OLAF schätzte, dass sich die zu Unrecht geleisteten Zahlungen auf mehr als 1 Million Euro belaufen könnten23.

Der Gerichtshof und die Kommission haben jüngst die Regeln definiert, die für die Kontrollen der Rechtsgrundlage für die Nutzung von Land gelten

53 Die GAP-Rechtsvorschriften enthalten weder eine Definition des Begriffs "Land, das dem Betriebsinhaber zur Verfügung steht" noch eine Verpflichtung der Betriebsinhaber, einen Nachweis für ihr Nutzungsrecht an dem Land vorzulegen, wenn sie einen Antrag auf Förderung stellen24. Es gelten nationale Vorschriften über Eigentumsverhältnisse, Mietverhältnisse oder andere Formen des gesetzlichen Besitzverhältnisses.

54 Die Mitgliedstaaten müssen alle Anträge prüfen, um Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu berichtigen und rechtsgrundlos gezahlte Beträge wiedereinzuziehen25. Zu diesem Zweck können sie vom Antragsteller den Nachweis verlangen, dass ihm die Flächen rechtmäßig zur Verfügung stehen26, insbesondere in Zweifelsfällen.

55 Die Überprüfung der Rechte der Betriebsinhaber auf Nutzung der Flächen, für die sie Beihilfeanträge gestellt haben, variiert je nach Mitgliedstaaten. Laut den Ergebnissen der Umfrage des Hofes überprüfen acht Zahlstellen in zwei Mitgliedstaaten dies in allen Fällen. Neun von 47 Zahlstellen, die an der Umfrage des Hofes teilgenommen haben, erklärten, dass sie nur im Fall von sich überschneidenden Ansprüchen Überprüfungen vornehmen, während die übrigen Zahlstellen auch unter anderen Umständen gezielte Überprüfungen vornahmen: z. B.

  •  im Fall von Land, für das zum ersten Mal ein Antrag gestellt wird oder das einer öffentlichen Stelle gehört,
  •  im Fall von Zweifeln, die sich im Rahmen von Verwaltungskontrollen oder Besuchen vor Ort ergeben haben.

56 Werden Flächen von mehreren Personen geltend gemacht, die sich auf die für die Antragstellung erforderliche Rechtsgrundlage berufen, so gilt der Grundsatz der "Entscheidungsbefugnis", der darin besteht, zu bestimmen, welcher Landwirt Gewinne erwirtschaftet und die finanziellen Risiken trägt27. Mit einem jüngst ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union wurden einige Fragen, um die es geht, geklärt, wobei die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des Umstands gelenkt wurde, ob das Land dem Antragsteller rechtmäßig zur Verfügung steht. Der Gerichtshof urteilte, dass, wenn ein Beihilfeantrag sowohl vom Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen als auch von einem Dritten gestellt wird, der diese Flächen ohne rechtliche Grundlage tatsächlich nutzt, die Flächen deren Eigentümer zur Verfügung stehen28.

57 Im Anschluss an dieses Urteil gab die Kommission im Juni 2021 Leitlinien für die Mitgliedstaaten heraus29. In den Leitlinien wird dargelegt, dass Flächen einem Begünstigten nur dann rechtmäßig zur Verfügung stehen, wenn er das Recht erlangt hat, sie auf rechtmäßige Weise zu nutzen. In den Leitlinien ist auch festgelegt, dass die Mitgliedstaaten ihre eigenen Überprüfungen konzipieren können, dass mit diesen Überprüfungen aber Unregelmäßigkeiten wirksam verhindert und berichtigt werden müssen und sie nicht auf doppelt gestellte Anträge beschränkt werden sollten.

Mittel, die für Flächen beantragt werden, ohne dass eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird

58 Es kann auch vorkommen, dass Betrüger Flächen allein für den Zweck erwerben – ob rechtmäßig oder nicht –, Direktzahlungen zu erhalten, ohne eine landwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Das Risiko ist bei bestimmten Arten von Weideland und in Berggebieten höher, wo es für die Zahlstellen schwieriger ist, zu prüfen, ob die verlangte landwirtschaftliche Tätigkeit, wie z. B. das Weiden von Tieren, ausgeführt wird (siehe Kasten 8).

Kasten 8

Die Attraktivität von Weideland und Berggebieten für Betrüger

Im Jahr 2018 stellte das OLAF in Frankreich fest, dass mehrere Jahre lang Anträge für Parzellen in Berggebieten gestellt worden waren, die keine geeignete Infrastruktur für die Landwirtschaft wie Wasserversorgung, Gehege oder Fütterungsanlagen aufwiesen oder die sich auf steilen Klippen befanden.

Außerdem ermittelte das OLAF Anträge für Herden, die gar nicht existierten.

Das OLAF empfahl eine Wiedereinziehung von rund 536 000 Euro30.

Die Meldung von Betrugsverdachtsfällen durch den Hof

59 Im Rahmen seiner Zuverlässigkeitserklärung ermittelte der Hof eine Reihe potenziell betrügerischer Unregelmäßigkeiten, jedoch kann er nicht mit Sicherheit feststellen, dass tatsächlich ein Betrug stattgefunden hat.

60 Im Zeitraum 2018–2020 ging die vom Hof insgesamt gemeldete Fehlerquote für Ausgaben unter der Rubrik "Natürliche Ressourcen" von 2,4 % auf 2,0 % der Gesamtzahlungen zurück. Auf die GAP entfielen rund 97 % der Ausgaben unter der Rubrik "Natürliche Ressourcen". Im Lauf dieser Jahre prüfte der Hof 698 GAP-Zahlungen und stellte in 101 Fällen Fehler fest. In 17 dieser Fälle hatte der Hof den Verdacht, dass der Fehler mit Betrug zusammenhängen könnte.

61 Der Hof ist nicht befugt, Untersuchungen von Betrugsfällen durchzuführen. 12 der 17 Fälle übermittelte er dem OLAF. Bei den übrigen fünf Fällen waren Untersuchungen oder Wiedereinziehungsverfahren bereits im Gange, oder der betreffende geringe Betrag entsprach aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht den Kriterien des OLAF für die Einleitung einer Untersuchung.

Die Kommission hat in Bezug auf GAP-Ausgaben Maßnahmen ergriffen, war aber nicht ausreichend proaktiv

62 Zur Betrugsbekämpfung erwartet der Hof von der Kommission, dass sie geeignete Maßnahmen ergreift, um einen Überblick über die Betrugsfälle und Betrugsrisiken im Zusammenhang mit den GAP-Ausgaben zu erhalten und angemessen darauf zu reagieren31.

63 Im Rahmen ihrer Betrugsbekämpfungsstrategie32 hat die GD AGRI Maßnahmen ergriffen‚ um ihre Zusammenarbeit mit dem OLAF zu verstärken (was die Meldung von Fällen an das OLAF und die Weiterverfolgung seiner Empfehlungen betrifft), Schulungen und Leitlinien für das Personal bereitzustellen, den Mitgliedstaaten Leitlinien zur Verfügung zu stellen und intern wie extern für Betrugsfälle zu sensibilisieren.

64 Der Hof untersuchte, ob die Kommission

  • eine umfassende Bewertung des Betrugsrisikos durchgeführt und das Auftreten neuer Betrugsarten beobachtet hat;
  • angemessene Leitlinien zur Verfügung gestellt und die Sensibilität der Mitgliedstaaten für die Ermittlung von Betrugsrisiken erhöht hat;
  • die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Betrugsbekämpfung angemessen überwacht hat;
  • die Nutzung neuer Technologien zur Verstärkung der Kontrollsysteme gefördert hat.

Die Kommission hat die wichtigsten Betrugsrisiken ermittelt und jüngst Leitlinien zur Landnahme herausgegeben

65 Eines der strategischen Ziele, die in der Betrugsbekämpfungsstrategie der GD AGRI aufgestellt wurden, war die Verstärkung der Bewertung des Betrugsrisikos. Die GD AGRI hat ihre Analysen in aufeinanderfolgenden Fassungen ihrer Betrugsbekämpfungsstrategie dargelegt (siehe Tabelle 2). Die GD AGRI hat folgende Einstufungen vorgenommen:

  • Investitionsmaßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und bestimmte Marktmaßnahmen (Maßnahmen zur Absatzförderung und Hilfen für Erzeugerorganisationen) als erhöhtes Risiko;
  • Direktzahlungen, andere flächenbezogene Zahlungen und tierbezogene Zahlungen als weniger risikoanfällig.

Tabelle 2 – Ergebnis der Bewertungen des Betrugsrisikos der GD AGRI

Betrugsbekämpfungs-strategie Niedrigeres Betrugsrisiko Höheres Betrugsrisiko
Fassung 1 (2012) Liste der Betrugsrisiken (hauptsächlich intern für die GD und die Behörden der Mitgliedstaaten) ohne weitere Analyse
Fassung 2 (2014) • Direktzahlungen

• flächenbezogene Maßnahmen im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums

• einige Marktmaßnahmen (Ausfuhrerstattungen, Maßnahmen zur Absatzförderung, Hilfe für die am stärksten benachteiligten Personen)
• Investitionsmaßnahmen im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums
Fassung 3 (2016) • Direktzahlungen

• die meisten Marktmaßnahmen (z. B. Ausfuhrerstattungen, Baumwollsektor)
• besondere Marktmaßnahmen (Maßnahmen zur Absatzförderung, Hilfen für Erzeugerorganisationen)

• Investitionsmaßnahmen im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums
Fassung 4 (2020) • Direktzahlungen

• die meisten Marktmaßnahmen

• flächen- und tierbezogene Maßnahmen im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums
• besondere Marktmaßnahmen (Maßnahmen zur Absatzförderung, Hilfen für Erzeugerorganisationen)

• Investitionsmaßnahmen im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums

Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage der Betrugsbekämpfungsstrategien der GD AGRI.

66 Seit 2014 beobachtet die GD AGRI neue Betrugsarten. Im Jahr 2016 führte sie eine umfangreiche Analyse der Betrugsrisiken durch und verpflichtete sich dazu, sie jährlich zu aktualisieren. Seit 2017 ist die GD AGRI der Ansicht, dass eine Aktualisierung ihrer Risikoanalyse nicht erforderlich sei, da sich die Risiken nicht geändert hätten und keine neuen Betrugsarten aufgetaucht seien. Die GD AGRI plant, eine neue Analyse der Betrugsrisiken durchzuführen, bevor die neue GAP im Januar 2023 in Kraft tritt.

67 Im Zeitraum 2017-2019 untersuchte das OLAF Fälle systematischen Missbrauchs in Bezug auf Direktzahlungen in Italien, Frankreich und der Slowakei (siehe Kasten 6, Kasten 7 und Kasten 8). Die GD AGRI hat ihre Bewertung des Betrugsrisikos nicht auf "Landnahme" ausgedehnt, da sie diese nicht als einen unmittelbar gegen die GAP gerichteten Betrug ansieht.

68 In ihrer Betrugsbekämpfungsstrategie 2020 beschreibt die GD AGRI "Landnahme" als die unrechtmäßige Aneignung von Agrarland, für das die Betrüger dann Anträge auf Direktzahlungen auf rechtmäßige Weise stellen. Sie wies darauf hin, dass die Strategie auch Reputationsrisiken abdecke, die sich nicht unmittelbar auf die finanziellen Interessen der EU auswirkten. Hierzu könnten auch "Landnahme" und sonstiges Fehlverhalten gehören. In diesem Zusammenhang stellte GD AGRI fest, dass diese Phänomene nicht auf Schwachstellen der GAP-Rechtsvorschriften zurückzuführen seien, sondern eine Frage der Rechtsstaatlichkeit für die betroffenen Mitgliedstaaten darstellten.

69 Wie der Hof in Kasten 5 darlegt, kann "Landnahme" mit einer Reihe betrügerischer Praktiken wie der Fälschung von Dokumenten, Zwang, Einsatz politischen Einflusses oder von Insiderinformationen, Manipulation von Verfahren oder Zahlung von Bestechungsgeldern verbunden sein. Nach den Leitlinien der Kommission, die sich auf die neuere Rechtsprechung stützen (siehe Ziffer 57) muss ein Begünstigter, damit er über ein Grundstück rechtmäßig verfügen kann, das Nutzungsrecht rechtmäßig erworben haben. Sobald nach nationalem Recht festgestellt wird, dass dieses Recht durch betrügerische Praktiken erlangt wurde, werden die zugrunde liegenden Zahlungen daher rechtswidrig. In solchen Fällen können die Zahlstellen eine Rolle spielen, indem sie die ihnen zur Verfügung stehenden Daten dazu nutzen, um Betrugsindikatoren ("red flags") nachzugehen, und mit den Strafverfolgungsbehörden, die Ermittlungen durchführen, zusammenarbeiten.

Die Kommission hat den Mitgliedstaaten Leitlinien an die Hand gegeben, aber einige Zahlstellen gaben zu erkennen, dass Bedarf an Anleitungen mit stärkerem Praxisbezug besteht

70 Die GD AGRI ergriff Maßnahmen, die darauf abzielten, die Sensibilisierung der Mitgliedstaaten für betrugsrelevante Themen zu erhöhen, und gab ihnen Leitlinien und Betrugsindikatoren ("red flags") an die Hand. Abbildung 8 enthält eine Zusammenfassung dieser Aktivitäten.

Abbildung 8 – An die Mitgliedstaaten gerichtete Maßnahmen der GD AGRI

Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage der Dokumentation der GD AGRI.

71 Bei der Antwort auf die Frage des Hofes nach den Leitlinien, die die Kommission bereitgestellt hatte, erwähnten die Zahlstellen die Initiativen der GD AGRI, bezogen sich aber auch auf andere Informationsquellen:

  • Leitlinien zur Betrugsbekämpfung der Kommission für die europäischen Struktur- und Investitionsfonds;
  • Informationsaustausch innerhalb des Beratenden Ausschusses für die Koordinierung der Betrugsbekämpfung (COCOLAF) und innerhalb des Lernnetzwerks der GD AGRI;
  • PIF-Berichte und andere Leitlinien des OLAF.

72 Die meisten befragten Zahlstellen hielten die Leitlinien der Kommission für hilfreich, wenngleich zwei von ihnen anmerkten, dass einige Analysen (z. B. in den PIF-Berichten) zwar interessant, aber zu allgemein gehalten seien, um bei ihrer täglichen Arbeit nützlich zu sein. Sieben Zahlstellen begrüßten die Beispiele für Betrugsfälle, die während der Betrugsbekämpfungsseminare gegeben wurden. Zwei Zahlstellen waren der Ansicht, dass die Leitlinien durch mehr praktische Beispiele ergänzt werden sollten.

73 In Abbildung 9 sind die von der GD AGRI seit 2012 gegebenen Leitlinien aufgeführt.

Abbildung 9 – Zeitleiste der von der GD AGRI den Mitgliedstaaten an die Hand gegebenen Leitlinien

Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage der Dokumentation der GD AGRI.

74 Die GD AGRI hat nach 2013 keine Leitlinie zu Betrugsrisikoindikatoren ("red flags") herausgegeben, obwohl das Aufstellen zusätzlicher Betrugsindikatoren von Vorteil wäre, um die Zahlstellen bei ihrer Arbeit anzuleiten. Die meisten Seminare zum Thema Betrugsbekämpfung fanden zwischen 2013 und 2018 statt. 2021 wurden sie wiederaufgenommen. Seit 2020 erörtern die Mitgliedstaaten und die GD AGRI während ihrer Sitzungen im Rahmen des Lernnetzwerks regelmäßig Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung.

Die Kommission überwacht die von den Mitgliedstaaten umgesetzten Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung, ihre Übersicht hat jedoch Lücken

75 Um die in den EU-Rechtsvorschriften festgelegten betrugsbezogenen Zulassungskriterien33 zu erfüllen (siehe Kasten 1), empfahl die Kommission (GD AGRI) den Zahlstellen im Jahr 2014, spezifische Maßnahmen zu ergreifen (siehe Kasten 9).

Kasten 9

Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung, die den Zahlstellen von der GD AGRI empfohlen werden

Schritt 1: Systematische Bestimmung, Einstufung und Erfassung der Betrugsrisiken, denen die von der Zahlstelle verwalteten GAP-Ausgaben ausgesetzt sind (Bewertung des Betrugsrisikos)

Schritt 2: Analyse bestehender Verwaltungs- und Kontrollverfahren zur Verbesserung der Betrugsvorbeugung und -aufdeckung

Schritt 3: Erstellung eines Verzeichnisses von Betrugsindikatoren ("red flags")

Schritt 4: Annahme klarer interner Vorschriften für den Umgang mit einem Betrugsverdacht

Schritt 5: Sensibilisierung des Personals für Betrug und seine Unterrichtung über die einschlägigen internen Vorschriften

76 Die Bescheinigenden Stellen in den Mitgliedstaaten überprüfen jährlich die Einhaltung der Zulassungskriterien durch die Zahlstellen sowie ihre internen Kontrollsysteme. Laut der Kommission sollten sie auch die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung durch die Mitgliedstaaten bewerten (siehe Kasten 9). Die Kommission untersucht die Jahresberichte der Bescheinigenden Stellen und verfolgt erkannte Schwachstellen nach.

77 Im Jahr 2016 gab die Kommission den Bescheinigenden Stellen Leitlinien zu den Zulassungskriterien an die Hand, einschließlich eines Abschnitts über Betrugsprävention und -aufdeckung. Hingegen gab sie keine Leitlinien zu den Kontrollen heraus, deren Ausführung von den Bescheinigenden Stellen erwartet wird.

78 Der Hof prüfte Berichte der Bescheinigenden Stellen für fünf Zahlstellen von 2018 bis 2020. Drei Bescheinigende Stellen berichteten über ihre Kontrollen und gaben Empfehlungen, wenn sie Schwachstellen fanden, während die verbleibenden zwei Bescheinigenden Stellen solche Informationen nicht in ihre Berichte einbezogen hatten. Die Kommission hat von diesen beiden Bescheinigenden Stellen keine weiteren Detailangaben verlangt.

79 Eine unvollständige Überprüfung und Berichterstattung durch die Bescheinigenden Stellen kann die Gewährleistung der Qualität der bei den Zahlstellen getroffenen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen beeinträchtigen. Bei einer Sitzung mit Bescheinigenden Stellen, die im November 2021 stattfand, erörterte die Kommission deren Rolle in dieser Hinsicht weiter.

80 Die GD AGRI führt bei den Zahlstellen Zulassungs- und Konformitätskontrollen durch, um deren Kontrollsysteme zu bewerten, und kann sich dabei auch mit Betrugsbekämpfungsmaßnahmen befassen. Im Hinblick auf die Zulassungskontrollen überprüfte der Hof die Zulassungsberichte der GD AGRI für die vom Hof ausgewählten Mitgliedstaaten und stellte Folgendes fest:

  • Für Frankreich wurden in jüngster Zeit keine Zulassungskontrollen bei den drei ausgewählten Zahlstellen durchgeführt.
  • Für Italien wurden in den Jahren 2015 und 2019 Untersuchungen in der ausgewählten Zahlstelle durchgeführt, wobei der Schwerpunkt jedoch auf dem Schuldenmanagement und nicht auf Betrugsbekämpfungsmaßnahmen lag.
  • Bei der Slowakei legte die GD AGRI den Fokus auf Betrugsbekämpfungsmaßnahmen (siehe nächste Ziffer und Kasten 10).

81 In bestimmten Fällen, in denen die Kommission auf einen möglichen Missbrauch von Mitteln aufmerksam wird, kann die Zahlstelle eingehenden Prüfungen unterzogen werden (siehe Abbildung 10 und Kasten 10).

Abbildung 10 – Stellen, die den Verdacht des Missbrauchs von Mitteln in der Slowakei untersuchen

Quelle: Europäischer Rechnungshof.

Kasten 10

Die Reaktion der Kommission auf den Verdacht des Missbrauchs von GAP-Mitteln in der Slowakei

Im Jahr 2016 wurde die Kommission auf den Verdacht des Missbrauchs von GAP-Mitteln in der Slowakei aufmerksam. Seit 2016 hatte es Hinweise aus unterschiedlichen Quellen auf diesen Verdacht gegeben: von Medien, Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, der Obersten Rechnungskontrollbehörde der Slowakei. Das OLAF und die nationalen Strafverfolgungsbehörden führten Untersuchungen durch34.

Im Jahr 2018 befragte die GD AGRI die zuständige slowakische Behörde (Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung) zu dem Verdacht systematischer Fehler der Zahlstelle. Nach mehrmaligem Austausch forderte die zuständige Behörde die Bescheinigende Stelle auf, im Rahmen ihrer Prüfungen der Bescheinigungen für das Haushaltsjahr 2018 ihr Augenmerk verstärkt auf diesen Verdacht zu richten. Die Bescheinigende Stelle berichtete, dass die slowakische Zahlstelle die Zulassungskriterien für das Monitoring des Betrugsrisikos nicht erfüllt.

In der Zwischenzeit führte die GD AGRI Konformitätsprüfungen in Bezug auf Direktzahlungen und Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums durch und verlangte von der Zahlstelle, Aktionspläne anzunehmen, um die erkannten Schwachstellen anzugehen.

Im Jahr 2020 führte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Anschluss an Strafverfahren gegen mehrere Mitarbeiter der Zahlstelle zusätzliche forensische Verfahren durch und stellte erhebliche Mängel in den internen Kontrollsystemen der Zahlstelle für die Entwicklung des ländlichen Raums fest. Die bescheinigende Stelle wies ebenfalls auf erhebliche Mängel in den internen Kontrollsystemen für Direktzahlungen hin.

Vorsorglich setzte die GD AGRI die Zahlungen für bestimmte Investitionsmaßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums aus und ersuchte die zuständige slowakische Behörde, die Zulassung der Zahlstelle bis Oktober 2021 auszusetzen. Im Oktober 2021 hob die zuständige slowakische Behörde den Bewährungsstatus der Zahlstelle auf, obwohl die Kommission empfohlen hatte, den Bewährungszeitraum um vier Monate zu verlängern.

Die Kommission hat den Einsatz neuer Technologien gefördert, diese werden jedoch nicht im hinreichenden Maß genutzt

82 Die Kommission hat die Verwendung neuer Technologien bei der Ausführung von Verwaltungskontrollen im Rahmen des InVeKoS gefördert. Darüber hinaus regte sie den Einsatz von Kontrollen durch Monitoring ("checks-by-monitoring") und Arachne an.

83 Seit 2018 können die Zahlstellen Kontrollen durch Monitoring durchführen. Dabei werden automatisierte Prozesse eingesetzt, um die Einhaltung von GAP-Vorschriften bei Elementen, die auf der Grundlage von Satellitendaten überwacht werden können, zu kontrollieren. Bisher haben die Zahlstellen Kontrollen durch Monitoring hauptsächlich für die Überprüfung flächenbezogener Beihilfeanträge im Rahmen von Direktzahlungsregelungen eingesetzt.

84 Die Zahlstellen können Satellitendaten über Kulturarten und landwirtschaftliche Tätigkeiten mit den Angaben vergleichen, die die Landwirte in ihren Beihilfeanträgen gemacht haben. Wenn die Einhaltung aller Förderfähigkeitskriterien einer bestimmten Zahlungsregelung vom Weltraum aus bewertet werden kann, versetzt dies die Zahlstellen in die Lage, sämtliche beantragten Parzellen aus der Ferne zu überwachen.

85 Der neue Ansatz ermöglicht es den Zahlstellen, die Landwirte zu jedem Zeitpunkt während der Anbausaison vor möglichen Verstößen zu warnen (z. B. Mähen eines Felds bis zu einem bestimmten Datum). Dadurch wird es für die Betriebsinhaber leichter, ihre Anträge vor der Fertigstellung zu korrigieren, und sie werden darin bestärkt, die Vorschriften der Zahlungsregelungen einzuhalten35.

86 Mithilfe von Kontrollen durch Monitoring können der Verwaltungsaufwand verringert und die Kosteneffizienz verbessert werden36. Die regelmäßige Beobachtung der landwirtschaftlichen Tätigkeit einer ganzen Population von Begünstigten hat eine abschreckende Wirkung und kann dazu beitragen, Indikatoren für potenziellen Betrug zu erkennen.

87 Seit 2013 hat die Kommission ein eigenes IT-Instrument zur Risikobewertung, Arachne, entwickelt, das den Mitgliedstaaten auf freiwilliger Grundlage kostenfrei zur Verfügung steht. Mit Arachne werden Daten verarbeitet und analysiert, die die Mitgliedstaaten über Begünstigte, Auftragnehmer und andere Interessenträger zur Verfügung stellen, die mit einem Projekt in Verbindung stehen. Diese Daten werden anhand von Informationen aus externen Datenbanken über Unternehmen und Personen, die mit diesen Unternehmen verbunden sind, überprüft. So können Projekte, Begünstigte und Auftragnehmer ermittelt werden, bei denen ein Betrugsrisiko besteht.

88 Das ursprünglich für den Bereich der Kohäsionsausgaben entwickelte Instrument Arachne wurde im Rahmen eines im Februar 2019 gestarteten Pilotprojekts, das Projekte für die Entwicklung des ländlichen Raums abdeckte, auf die GAP ausgeweitet.

89 Gemäß den Rechtsvorschriften für die GAP ab 202337 muss die Kommission den Mitgliedstaaten das Instrument zur freiwilligen Nutzung zur Verfügung stellen. Die Kommission muss 2025 einen Bewertungsbericht veröffentlichen. In einer gemeinsamen Erklärung verpflichteten sich der Rat und das Europäische Parlament, im Anschluss an den Bewertungsbericht der Kommission einen Vorschlag zur obligatorischen Nutzung des Instruments zu prüfen38.

Die Umsetzung dieser Technologien durch die Mitgliedstaaten braucht Zeit

90 In seinem Sonderbericht über die Nutzung neuer Bildgebungstechnologien zur Überwachung der GAP empfahl der Hof der Kommission, Kontrollen durch Monitoring als zentrales Kontrollsystem für die GAP nach 2020 zu fördern39, und die Kommission verpflichtete sich, die Mitgliedstaaten bei der Weiterentwicklung dieses neuen Ansatzes zu unterstützen.

91 Ende 2020, zwei Jahre nach Einführung des Instruments, erstreckten sich die Kontrollen durch Monitoring auf 5,7 % der Gesamtfläche, für die Direktzahlungen gewährt wurden40. Den Schätzungen der Kommission zufolge belief sich dieser Anteil Ende 2021 auf 13,1 %.

92 Unter der neuen GAP werden automatische Analysen mittels Satellitendaten für flächenbezogene Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten über das Flächenmonitoringsystem obligatorisch sein. Die Kommission geht davon aus, dass durch diese Anforderung die der Satellitenüberwachung unterliegende Fläche vergrößert wird.

93 Zwei Jahre nach dem Start des Arachne-Pilotprojekts für die GAP haben sieben41 von 76 Zahlstellen Daten hochgeladen und das Instrument in gewissem Umfang genutzt, vier42 befinden sich im Testmodus und 1043 haben erste Gespräche über seine Nutzung aufgenommen. Da es sich bei Arachne um ein Instrument zur Risikoanalyse handelt, das auf Datenextraktion beruht, hängt seine Nützlichkeit davon ab, wie viele Daten die Behörden der Mitgliedstaaten hochladen und ob das Instrument eingesetzt wird.

Das Potenzial für eine weitere technologische Entwicklung muss genutzt werden

94 Künstliche Intelligenz verfügt über ein erhebliches Potenzial zur Verbesserung der Arbeitsinstrumente und ermöglicht die Erkennung von Mustern unter Milliarden von Datenpunkten. Mit Instrumenten zur Datenextraktion können Überwachungssysteme effizienter gemacht und die Aufdeckung von Betrug und Missmanagement öffentlicher Mittel ermöglicht werden.

Einsatz von Big Data zur Ermittlung von wirtschaftlichen Eigentümern

95 Anforderungen an die Offenlegung und die Berichterstattung sind von wesentlicher Bedeutung, damit Rechenschaftspflicht gewahrt und Untersuchungen zur Verhinderung von Korruption und Betrug möglich sind.

96 Im Mai 2021 veröffentlichte das Europäische Parlament eine Studie44, in der die Begünstigten analysiert wurden, die 2018 und 2019 GAP-Mittel und von 2014 bis 2020 Kohäsionsmittel erhielten, um die am stärksten Begünstigten zu ermitteln. In der Studie wurde zwischen den "direkt Begünstigten" – den direkten Empfängern von EU-Mitteln – und "Letztbegünstigten" (wirtschaftlichen Eigentümern) unterschieden, d. h. juristischen oder natürlichen Personen, die unmittelbar oder mittelbar den größten Anteil des direkt Begünstigten kontrollieren. In der Studie wurden die technischen und juristischen Schwierigkeiten betont, die bei dem Versuch entstehen, sich einen umfassenden Überblick über die Letztbegünstigten und die Beträge der erhaltenen EU-Mittel zu verschaffen.

97 Der Bericht ergab, dass öffentliche Stellen, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und andere juristische Personen nur ungefähr ein Zehntel der direkt Begünstigten ausmachten, dass sie aber im Zeitraum 2018-2019 mehr als ein Drittel der GAP-Mittel erhielten. Um die Fragmentierung und die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Ermittlung der Letztbegünstigten der EU-Mittel zu bewältigen, wurde in dem Bericht die Erstellung einer gemeinsame EU-Datenbank vorgeschlagen, in der alle Projekte enthalten sind, die über die GAP und die europäischen Struktur- und Investitionsfonds finanziert werden. Im September 2021 veröffentlichte das Europäische Parlament eine Studie über die Anforderungen an eine einheitliche Datenbank der Begünstigten45.

98 In einer gemeinsamen Datenbank der EU-Begünstigten würden Daten über Millionen von Akteuren erhoben. Mit diesen Datenmengen wäre es möglich, Muster bei der Verteilung der Mittel zu erkennen, und sie würden dazu beitragen, vor potenziell betrügerischen Situationen zu warnen.

99 Wie die Kommission in ihrem PIF-Bericht 202046 betonte, sind mehr Transparenz in Bezug auf die Begünstigten (einschließlich Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und wirtschaftlichen Eigentümern) öffentlicher Mittel (auf europäischer und nationaler Ebene) sowie eine effizientere Datenerhebung und -nutzung, bei der die Möglichkeiten von Instrumenten zur IT-Vernetzung, Datenauswertung und Risikobeurteilung voll ausgeschöpft werden, für die Betrugsbekämpfung von entscheidender Bedeutung.

100 Gemäß der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für den Zeitraum 2021–2027 im Bereich der Kohäsion47 müssen die Mitgliedstaaten Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der Empfänger von Unionsmitteln erheben. Nach den neuen GAP-Rechtsvorschriften sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Informationen zu sammeln, die für die Identifizierung der Begünstigten, einschließlich der Gruppe, an der sie beteiligt sind, erforderlich sind. Angaben zu den wirtschaftlichen Eigentümern werden in den Rechtsvorschriften jedoch nicht erwähnt48.

Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Ermittlung von Betrugsrisiken

101 Die Kommission empfiehlt den Zahlstellen, ein Verzeichnis von Betrugsindikatoren ("red flags") zu erstellen. Bei der Beantwortung der Umfrage des Hofes gaben die Zahlstellen einige Beispiele (Abbildung 11).

Abbildung 11 – Beispiele für von den Zahlstellen aufgestellte Betrugsindikatoren

Quelle: Analyse des Europäischen Rechnungshofs auf der Grundlage einer Umfrage bei den Zahlstellen.

102 Einige Betrugsindikatoren, insbesondere die, die Direktzahlungen betreffen, könnten direkt in die InVeKoS-Datenbank eingepflegt werden. Beispielsweise planen die italienischen Behörden, in ihr System Einzelheiten der Parzellen hochzuladen, die beschlagnahmt wurden oder einem Gerichtsverfahren unterliegen, sodass über das System eine Warnung erfolgen kann.

103 Techniken des maschinellen Lernens könnten dazu eingesetzt werden, um Kontrollen weiter zu automatisieren und auf Betrugsindikatoren hinzuweisen. Die Zahlstelle in Estland wendet Techniken des maschinellen Lernens auf Satellitenbilder an, um Fälle der Nichteinhaltung bei Mähanforderungen zu ermitteln. Die Zahlstelle ist der Ansicht, dass dieses System die Sensibilisierung bei den Begünstigten im Hinblick darauf erhöht hat, dass durch seine Überwachungstätigkeit 100 % der Parzellen abgedeckt werden, was zu einem Abschreckungseffekt führt und zur Verhinderung von Unregelmäßigkeiten und Betrug beiträgt. Eine andere Zahlstelle hat ein System implementiert, das auf einem Algorithmus beruht, der nach Indikatoren für Parzellen sucht, bei denen die Gefahr irregulärer Anträge besteht. Die Zahlstelle ermittelt dann Unternehmen mit einer erheblichen Zahl solcher Parzellen, bei denen eine erhöhte Gefahr von Unregelmäßigkeiten und Betrug bestehen kann.

104 In Italien zielt eine gemeinsame Initiative der nationalen Zahlstelle und des Innenministeriums darauf ab, mit Hilfe von Datenextraktion und Fotointerpretation ein Profiling-Modell zu erstellen, um Gemeinden zu ermitteln, die mit hoher Wahrscheinlichkeit kriminelle Schwerpunkte aufweisen. Anhand von Satellitenbildern, die im LPIS verfügbar sind, werden im Rahmen des Projekts die qualitativen und quantitativen Veränderungen der territorialen Elemente analysiert, die potenziell auf kriminelle Aktivitäten zurückzuführen sind, wie z. B. illegale Mülldeponien, Verseuchungen, Elendsviertel, illegal gehandelte Kulturgüter und verlassene Gebäude. Durch den Vergleich dieser Informationen mit den Daten der Gemeinden sollen Umstände ermittelt werden, unter denen es zu kriminellen Handlungen gekommen ist oder kommen könnte.

105 Künstliche Intelligenz hat großes Potenzial, benötigt aber große Datenmengen in einem zugänglichen Format und die Vernetzung von Datenbanken. Bei der Beantwortung der Umfrage des Hofes wurden von einigen Zahlstellen die Hindernisse bei ihrem Zugang zu Daten hervorgehoben, wie z. B., dass

  • der Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Akteuren und Datenbanken durch rechtliche Anforderungen an das Bankgeheimnis oder den Datenschutz behindert werden kann;
  • die Verknüpfung von Datenbanken und die Automatisierung von Prozessen und Kontrollen eine bestimmte IT-Kapazität und ein IT-Fachwissen erfordern;
  • die erheblichen finanziellen Investitionen, die für den Aufbau der erforderlichen IT-Ressourcen notwendig sind, im Verhältnis zu der Höhe der für einige Maßnahmen zugewiesenen Mittel, der Größe der Mitgliedstaaten oder dem Ausmaß an Betrug unangemessen sein können.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

106 Bei der Prüfung des Hofes wurde untersucht, ob die Kommission angemessene Maßnahmen in Bezug auf Betrug bei den Ausgaben der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ergriffen hat. Der Hof bewertete Betrugsmuster bei GAP-Zahlungsregelungen. Er untersuchte, ob die Kommission Betrugsrisiken zulasten der GAP-Ausgaben ermittelt und angemessen darauf reagiert hat.

107 Der Hof gelangt insgesamt zu dem Schluss, dass die Kommission auf Fälle von Betrug bei den GAP-Ausgaben reagiert hat, aber im Hinblick auf die Auswirkungen des Risikos der illegalen Landnahme auf die GAP-Zahlungen, beim Monitoring der Betrugsbekämpfungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten und bei der Ausschöpfung des Potenzials neuer Technologien nicht ausreichend proaktiv gewesen ist.

108 In diesem Bericht gibt der Hof einen Überblick über die Betrugsrisiken, die sich auf die GAP auswirken. Der Hof hat Risiken ermittelt, die mit dem Verschweigen von Verstößen gegen die Förderfähigkeitsbedingungen durch Begünstigte (Ziffern 3138), der Komplexität der finanzierten Maßnahmen (Ziffern 3941) und rechtswidrigen Formen der Landnahme (Ziffern 4258) zusammenhängen.

109 Die Kommission hat die Betrugsrisiken bei den GAP-Ausgaben bewertet und Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums sowie bestimmte Marktmaßnahmen als am stärksten mit Risiken behaftet eingestuft (Ziffer 65). Die Kommission hat ihre letzte Analyse des Betrugsrisikos im Bereich der GAP im Jahr 2016 durchgeführt und plant, vor Inkrafttreten der neuen GAP im Januar 2023 eine neue Analyse durchzuführen (Ziffer 66).

110 Die Kommission gab den Mitgliedstaaten Leitlinien zu betrugsrelevanten Themen an die Hand (Ziffer 70), und die meisten Zahlstellen begrüßten diese Leitlinien (Ziffer 72). Seit 2020 erörtert die Kommission Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung mit den Mitgliedstaaten während der ordentlichen Sitzungen (Ziffer 74), und im Jahr 2021 gab sie besondere Leitlinien zu den Kontrollen heraus, die die Zahlstellen in Bezug auf die Rechtsgrundlage der Nutzung des Agrarlands, für das ein Antrag gestellt wird, durchführen müssen (Ziffer 57).

111 Die von der Kommission bei den Zahlstellen durchgeführten Zulassungs- und Konformitätskontrollen können sich auf Betrugsbekämpfungsmaßnahmen erstrecken (siehe Ziffer 80). Die Kommission stützt sich auf die jährlichen Überprüfungen der Bescheinigenden Stellen, um zu überwachen, ob die Zahlstellen ihre Zulassungskriterien einhalten. Dies schließt Betrugsbekämpfungsmaßnahmen ein (Ziffer 76). Im Jahr 2016 gab die Kommission den Bescheinigenden Stellen Leitlinien an die Hand, die aber keinerlei Vorgaben zu den Kontrollen enthielten, die von den Bescheinigenden Stellen in Bezug auf Betrug durchgeführt werden sollten (Ziffer 77). Mehrere Bescheinigende Stellen lieferten in ihren Berichten nur wenige analytische Angaben zu den Betrugsbekämpfungsmaßnahmen der Zahlstellen, die Kommission verlangte jedoch keine weiteren Einzelheiten in diesen Fällen (Ziffer 78).

112 Die Kommission hat den Einsatz neuer Technologien zur Automatisierung der Kontrollen gefördert, insbesondere für Kontrollen durch Monitoring auf der Basis von Satellitenbildern (Ziffern 8386), und ein eigenes Instrument zur Risikobewertung, Arachne, entwickelt, um die Mitgliedstaaten bei der Betrugsbekämpfung zu unterstützen (Ziffern 8789). Die Mitgliedstaaten haben diese Technologien nur in schleppendem Tempo eingeführt (siehe Ziffern 91 und 93). Künstliche Intelligenz und Big Data sind vielversprechende Technologien zur Betrugsbekämpfung (Ziffern 94104), aber die Mitgliedstaaten haben Schwierigkeiten mit der Nutzung dieser Technologien (Ziffer 105). Die Kommission hat mit der Förderung dieser Technologien begonnen.

Empfehlung 1 – Einen tieferen Einblick in die Betrugsrisiken und Maßnahmen bei den GAP-Ausgaben gewinnen und mit anderen teilen

Die Kommission sollte

  1. die Leitlinien für die Bescheinigenden Stellen aktualisieren, um deren Rolle bei der Bewertung der Betrugsbekämpfungsmaßnahmen der Zahlstellen zu präzisieren und zu überprüfen, inwieweit die bescheinigenden Stellen die Leitlinien befolgen;
  2. überprüfen, wie die Zahlstellen die Leitlinien für die Kontrolle, ob Flächen den Antragstellern rechtmäßig zur Verfügung stehen, umsetzen, und bewährte Verfahren zur Bekämpfung des Risikos illegaler Landnahme verbreiten;
  3. auf der Grundlage von a) und b) ihre Bewertung darüber aktualisieren, inwieweit verschiedene Ausgabenregelungen Betrugsrisiken ausgesetzt sind und inwieweit die auf Ebene der Mitgliedstaaten durchgeführten Betrugsbekämpfungsmaßnahmen in der Lage sind, sie aufzudecken, zu verhindern und zu korrigieren, und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die wichtigsten Betrugsrisiken zu mindern.

Zieldatum für die Umsetzung: 2023

Empfehlung 2 – Den Einsatz neuer Technologien bei der Vorbeugung und Aufdeckung von Betrug bei den GAP-Ausgaben fördern

Die Kommission sollte

  1. die Zahlstellen bei ihrem Einsatz von Kontrollen durch Monitoring und dem zukünftigen Flächenmonitoringsystem unterstützen, indem sie Engpässe bei der Übernahme neuer Technologien ermittelt sowie den Austausch über bewährte Verfahren und technische Lösungen zur Beseitigung dieser Engpässe gewährleistet;
  2. die Nutzung von Instrumenten zur Aufdeckung von Betrug wie Arachne durch die Zahlstellen fördern, um die Zahl der Mitgliedstaaten, die diese Instrumente nutzen, zu erhöhen;
  3. bewährte Verfahren im Zusammenhang mit der Nutzung künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen mit den Mitgliedstaaten austauschen, um Muster zu ermitteln, die auf Betrug hindeuten.

Zieldatum für die Umsetzung: 2024

Dieser Bericht wurde von Kammer I unter Vorsitz von Frau Joëlle Elvinger, Mitglied des Rechnungshofs, am 4. Mai 2022 in Luxemburg angenommen.

 

Für den Rechnungshof

Klaus-Heiner Lehne
Präsident

Anhänge

Anhang I – Grundbesitzverhältnisse an landwirtschaftlicher Fläche (EU‑27, 2016)

Abkürzungen

AFCOS: Anti-fraud coordination service (Koordinierungsstelle für die Betrugsbekämpfung)

AMS: Area monitoring system (Flächenmonitoringsystem)

COCOLAF: Advisory Committee for the Coordination of Fraud Prevention (Beratender Ausschuss für die Koordinierung der Betrugsbekämpfung)

COSO: Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission

EUStA: Europäische Staatsanwaltschaft

GAP: Gemeinsame Agrarpolitik

GD AGRI: Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung

GSAA: Geografischer Beihilfeantrag (auch: Geodaten-basierter Ansatz)

IMS: Irregularity management system (Berichterstattungssystem für Unregelmäßigkeiten)

InVeKoS: Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem

KMU: Kleine und mittlere Unternehmen

LPIS: Land parcel identification system (System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen)

MwSt.: Mehrwertsteuer

OLAF: Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung

PIF: Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, aus dem Französischen "protection des intérêts financiers"

Glossar

Aktionsplan: Dokument, in dem die Schritte festgelegt sind, die zur Erreichung eines bestimmten Ziels erforderlich sind.

Arachne-Datenbank: Von der Kommission entwickeltes Data-Mining-Tool zur Unterstützung der Verwaltungsbehörden und der Zahlstellen beim Management und bei der Kontrolle der ESI-Fonds.

Begünstigter: natürliche oder juristische Person, die eine Finanzhilfe oder ein Darlehen aus dem EU-Haushalt erhält.

Beratender Ausschuss für die Koordinierung der Betrugsbekämpfung: Gremium des OLAF, das koordiniert, wie die Kommission und die Mitgliedstaaten Betrug, der sich gegen die finanziellen Interessen der EU richtet, bekämpfen.

Berichterstattungssystem für Unregelmäßigkeiten: Anwendung, die Mitgliedstaaten nutzen, um Unregelmäßigkeiten einschließlich mutmaßlichen Betrugs an das OLAF zu melden. 

Bescheinigende Stelle: Im Bereich der Agrarausgaben eine von einem Mitgliedstaat benannte öffentliche oder private Einrichtung, die jährlich die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung der Zahlstellen, die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Ausgaben und das ordnungsgemäße Funktionieren ihrer internen Kontrollsysteme bescheinigt.

Betrug: vorsätzliche und rechtswidrige Ausnutzung einer Täuschung zur Erlangung eines materiellen Vorteils, indem einer anderen Partei Eigentum oder Geld entzogen wird.

Big Data: Verarbeitung, Erfassung, Speicherung und Analyse großer Mengen unstrukturierter Daten, die die Möglichkeit bieten, die daraus resultierenden Informationen für neue Erkenntnisse zu nutzen.

Digitalisierung: Wandel hin zur Einbindung und Nutzung digitaler Techniken und digitalisierter Informationen, um Prozesse und Aufgaben einfacher, schneller, wirksamer und/oder wirtschaftlicher auszuführen.

Direktzahlungen: Stützungszahlungen, zumeist flächenbezogene Beihilfen, die aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft direkt an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe geleistet werden.

Fehler: Ergebnis einer falschen Berechnung oder Unregelmäßigkeit, die sich aus einem Verstoß gegen die rechtlichen und vertraglichen Anforderungen ergibt.

Festgestellter Betrug: Unregelmäßigkeit, die ein Gericht als Betrug verurteilt hat.

Flächenmonitoringsystem: Technologie für die systematische Beobachtung, Verfolgung und Bewertung landwirtschaftlicher Tätigkeiten mithilfe von Satellitendaten.

Geografischer Beihilfeantrag: Online-Tool für die Einreichung flächenbezogener Anträge auf Agrarbeihilfen.

Geteilte Mittelverwaltung: Methode zur Ausführung des Haushaltsplans der EU, bei der die Kommission – im Gegensatz zur direkten Mittelverwaltung – dem Mitgliedstaat Haushaltsvollzugsaufgaben überträgt, wobei sie selbst weiterhin die oberste Verantwortung trägt.

Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem: von den Mitgliedstaaten verwendeter EU-Mechanismus zur Verwaltung und Kontrolle der im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik an Landwirte geleisteten Zahlungen.

Kleine und mittlere Unternehmen: Größenbestimmung von Unternehmen und anderen Einrichtungen auf der Grundlage der Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter und bestimmter finanzieller Kriterien. Kleine Unternehmen beschäftigen weniger als 50 Personen und haben einen Umsatz oder eine Bilanzsumme von höchstens 10 Millionen Euro. Mittlere Unternehmen beschäftigen weniger als 250 Personen und haben einen Umsatz von bis zu 50 Millionen Euro oder eine Bilanzsumme von bis zu 43 Millionen Euro.

Kontrollen durch Monitoring: Ersatz für Vor-Ort-Kontrollen, der die systematische Beobachtung, Verfolgung und Bewertung der Beihilfekriterien und -verpflichtungen mithilfe von Satellitendaten umfasst.

Koordinierungsstelle für die Betrugsbekämpfung: von den einzelnen Mitgliedstaaten benannte Stelle, die die Zusammenarbeit mit dem OLAF erleichtert.

Korruption: Missbrauch öffentlicher, unternehmerischer oder persönlicher Macht für unerlaubte Vorteile.

Künstliche Intelligenz: Einsatz von Computern zur Simulation der menschlichen Intelligenz durch Fähigkeiten wie Lernen und Problemlösung.

Marktmaßnahme: öffentliche Intervention auf den Agrarmärkten zur Abmilderung der Auswirkungen von Preisrückgängen und strukturellen Marktproblemen durch Bereitstellung sektorspezifischer Unterstützung (z. B. für Obst und Gemüse, Wein und Schulmilch).

Maschinelles Lernen: Prozess, bei dem eine IT-Anwendung künstliche Intelligenz nutzt, um ihre Leistung bei einer bestimmten Aufgabe zu verbessern.

Mutmaßlicher Betrug (auch: Betrugsverdacht): Unregelmäßigkeit, die zur Einleitung eines Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens führt, um festzustellen, ob sie betrügerischer Art ist.

Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums: Paket mehrjähriger nationaler oder regionaler Ziele und Maßnahmen, das von der Kommission genehmigt wird und der Umsetzung der EU-Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums dient.

System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen: Datenbank für landwirtschaftliche Flächen in den Mitgliedstaaten, die bei der Zahlung von Direktbeihilfen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und bei den Förderfähigkeitskontrollen der von den Betriebsinhabern gestellten Anträge verwendet wird.

Unregelmäßigkeit: Verstoß gegen EU- (oder einschlägige nationale) Vorschriften oder vertragliche Verpflichtungen.

Warnsignal ("red flag"): Risikoindikator, der angibt, dass eine Transaktion oder andere Aktivität von betrügerischer Art sein könnte.

Zahlstelle: Von einem Mitgliedstaat zugelassene Stelle, die mit der Verwaltung und der Kontrolle von EU-Agrarausgaben beauftragt ist.

Zuverlässigkeitserklärung: im Jahresbericht des Hofes veröffentlichte Erklärung, die sein Prüfungsurteil in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Jahresrechnung der EU sowie die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge enthält.

Prüfungsteam

Die Sonderberichte des Hofes enthalten die Ergebnisse seiner Prüfungen zu Politikbereichen und Programmen der Europäischen Union oder zu Fragen des Finanzmanagements in spezifischen Haushaltsbereichen. Bei der Auswahl und Gestaltung dieser Prüfungsaufgaben ist der Hof darauf bedacht, maximale Wirkung dadurch zu erzielen, dass er die Risiken für die Wirtschaftlichkeit oder Regelkonformität, die Höhe der betreffenden Einnahmen oder Ausgaben, künftige Entwicklungen sowie das politische und öffentliche Interesse abwägt.

Diese Wirtschaftlichkeitsprüfung wurde von Prüfungskammer I "Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen" unter Vorsitz von Joëlle Elvinger, Mitglied des Hofes, durchgeführt. Die Prüfung stand unter der Leitung von João Figueiredo, Mitglied des Hofes, ging danach über auf Nikolaos Milionis, Mitglied des Hofes, Herr Figueiredo und Herr Milionis wurden unterstützt von den Kabinettchefs Paula Betencourt und Kristian Sniter und Attachée Matteo Tartaggia, dem Leitenden Manager Richard Hardy, dem Aufgabenleiter Michela Lanzutti sowie den Prüferinnen und Prüfern Antonio Caruda Ruiz, Servane De Becdelievre, Jan Machán, Adrien Meric und Milan Šmíd. Marika Meisenzahl leistete Unterstützung bei der grafischen Gestaltung.

 

Von links nach rechts: Antonio Caruda Ruiz, Michela Lanzutti, Matteo Tartaggia, Nikolaos Milionis, Kristian Sniter, Servane De Becdelievre, Jan Machán, Marika Meisenzahl.

Endnoten

1 Artikel 3 der Richtlinie (EU) 2017/1371 (PIF-Richtlinie). Das Akronym "PIF" steht für den französischen Ausdruck "protection des intérêts financiers" und bezeichnet den Schutz der finanziellen Interessen der EU.

2 Siehe z. B. Association of Certified Fraud Examiners.

3 Die PIF-Berichte sind auf der Website der Kommission verfügbar.

4 Belgien, Bulgarien, Tschechien, Deutschland, Estland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Kroatien, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowenien, Slowakei und Finnland.

5 Artikel 7 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013; Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 908/2014 der Kommission.

6 Sonderbericht 01/2019 "Bekämpfung von Betrug bei den EU-Ausgaben" und Sonderbericht 06/2019 "Bekämpfung von Betrug bei den EU-Kohäsionsausgaben".

7 Jahresbericht 2019, Ziffern 6.34–6.41 und 6.44.

8 PIF-Bericht 2020 der Kommission, Anhang 1, COM(2021)578.

9 Sonderbericht 01/2019 "Bekämpfung von Betrug bei den EU-Ausgaben", Ziffern 23–28, und Sonderbericht 06/2019 "Bekämpfung von Betrug bei den EU-Kohäsionsausgaben", Ziffern 47–57.

10 Betrugsbekämpfungsstrategie der GD AGRI, Version 4.0 – Ares(2020)5099349, Ziffer 7.3.1.

11 Jahresbericht 2019, Ziffern 6.35 und 6.36.

12 Jahresbericht 2016, Anhang 7.3, Beispiel 1.

13 Jahresbericht 2018, Illustration 7.3.

14 OLAF-Bericht 2018, S. 28.

15 Jahresbericht 2017, Illustration 7.6.

16 In der IMS-Datenbank gemeldeter Fall.

17 Geprüfter Vorgang für die Zuverlässigkeitserklärung 2016.

18 Artikel 33 Absatz 1 und Artikel 36 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013.

19 Europäisches Parlament (EP), Extent of farmland grabbing in the EU, S. 15; Transnational Institute (TNI)-European Coordination Via Campesina (ECVC), Land concentration, land grabbing and people’s struggles in Europe, S. 16.

20 EP, Addressing the human rights impacts of ‘land grabbing’.

21 EP, Extent of farmland grabbing in the EU.

22 OLAF-Bericht 2017, S. 20–21.

23 OLAF-Pressemitteilung Nr. 03/2021.

24 Urteil vom 17. Dezember 2020, Land Berlin, Rechtssache C-216/19, Rn. 34.

25 Artikel 58 Absatz 2 und Artikel 59 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.

26 Urteil vom 24. Juni 2010, Luigi Pontini u. a., Rechtssache C-375/08, Rn. 90.

27 Artikel 15 Absatz 2 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014; Rechtssache C-216/19, Rn. 42–43.

28 Rechtssache C-216/19, Rn. 45.

29 Vermerk der GD AGRI zur Anforderung "dem Betriebsinhaber zur Verfügung stehende beihilfefähige Hektarflächen" (DS/CDP/2021/08).

30 OLAF-Bericht 2018, S. 27–28.

31 COSO, Fraud risk management guide, S. ix.

32 Betrugsbekämpfungsstrategie der GD AGRI, Version 4.0 – Ares(2020)5099349, S. 22–26.

33 Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 907/2014.

34 Antworten des Kommissionsmitglieds auf die parlamentarische Anfrage P-004224/2020 am 27. August 2020.

35 Sonderbericht 04/2020, Ziffern 11–12 und 16–18.

36 Sonderbericht 04/2020, Ziffern 17-18.

37 Artikel 59 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2021/2116.

38 Erklärungen zu Verordnung (EU) 2021/2116 (2021/C 488/02).

39 Sonderbericht 04/2020, Ziffer 82.

40 Jährlicher Tätigkeitsbericht 2020 der GD AGRI, Anhang 2, S. 25 (Ergebnisindikator 3.5).

41 Zahlstellen Estlands, Kroatiens, Italiens, Litauens, Rumäniens, Sloweniens und der Slowakei.

42 Zahlstellen Griechenlands und Spaniens (drei).

43 Zahlstellen Belgiens, Bulgariens, Spaniens (zwei), Frankreichs, Italiens, Luxemburgs, Polens, Portugals und Schwedens.

44 The Largest 50 Beneficiaries in each EU Member State of CAP and Cohesion Funds.

45 Requirements for a single database of beneficiaries.

46 PIF-Bericht 2020 der Kommission, S. 44.

47 Artikel 69 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2021/1060.

48 Artikel 59 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2021/2116.

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